B. Luna
ALEXIA
Ich habe die letzten paar Stunden im Speisesaal des Rudels verbracht, um alles zu putzen und vorzubereiten. Gleich ist es Zeit für das Abendessen und ich weiß, dass Alpha Stone mittlerweile bei uns angekommen ist.
Meine Nerven liegen blank, also atme ich tief durch, um mein rasendes Herz zu beruhigen.
Ich weiß immer noch nicht, was ich fühlen soll, aber meine Wölfin hat sich definitiv entschieden. Sie war bereits kurz nach unserem ersten Treffen Hals über Kopf in ihn verliebt.
Ich habe meinen Bruder seit heute Morgen nicht mehr gesehen und bin etwas nervös, weil ich wissen möchte, ob zwischen ihnen etwas vorgefallen ist.
Adam kann manchmal etwas überfürsorglich sein, aber er weiß, dass er es nie mit Alpha Stone aufnehmen könnte.
Der Alpha würde ihn umbringen, und ich weiß, dass er das Risiko für mich eingehen würde. Soweit werde ich es allerdings nicht kommen lassen. Niemals würde ich meine Familie oder mein Rudel aufs Spiel setzen.
Langsam trudelt auch der Rest des Rudels ein, und als ich aufblicke, sehe ich Gennie auf mich zukommen.
„Hey“, sagt sie und lächelt. „Ich bin so froh, dass endlich alles fertig ist. Alles okay bei dir?“
Ich versuche zu lächeln. „Ich schätze, ich bin nur ein bisschen nervös.“
„Das war ja zu erwarten“, sagt sie und umarmt mich. „Du kannst dich während des Essens gerne zu mir und Adam setzen, wenn du willst.“
Dann verschwindet sie zwischen den anderen Rudelmitgliedern und ich drehe mich um, um mir ein Glas Wasser zu nehmen. Plötzlich spüre ich, wie sich die Härchen in meinem Nacken aufstellen.
Als ich mich umdrehe, sehe ich ihn ~durch die Tür kommen.
Seine Augen fixieren meine, und er kommt mit großen, sicheren Schritten auf mich zu. Während er sich mir nähert, wendet er seinen Blick nicht von mir ab, und ich stehe völlig still.
Dann bleibt er so nah vor mir stehen, dass ich mich in seinen Augen sehen kann. Sie sind jetzt wieder pechschwarz.
„Du gehörst mir“~, knurrt er für alle hörbar.
Als er mich an der Taille packt und seine Nase in meinem Nacken vergräbt, spannt sich mein ganzer Körper an.
Seine großen Hände umschließen mich besitzergreifend und ich spüre seinen Atem auf meiner Haut.
„Du gehörst mir“, wiederholt er und fährt mit seiner Nase an meinem Hals bis zu meinem Ohr entlang, wodurch mir ein angenehmer Schauer durch den ganzen Körper läuft.
Ich höre ein grollendes Knurren aus seiner Brust und als er den Kopf hebt und mir in die Augen schaut, fühlt es sich so an, als würde er in die Abgründe meiner Seele blicken. Ich starre in die Augen seines Wolfes und fühle mich endlich angekommen.
„Da gehören wir hin“, ~flüstert mir meine Wölfin zu.
Dort wo er mich berührt, kribbelt meine Haut, und ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich spüre seine dicke, sehr erigierte Männlichkeit an meinem Bauch und meine Wölfin beginnt zu schnurren.
„Unser Mann ist sehr groß“, ~sagt sie, und ich kann ihr nur zustimmen.
„FASS SIE NICHT AN!“, höre ich plötzlich Adam schreien und wir erwachen aus unserer Trance.
Er packt meinen Gefährten an der Schulter, aber dieser reagiert schnell, greift nach der Hand meines Bruders und biegt sie so weit nach hinten, dass ich sie knacken höre.
Adam stößt einen gequälten Schrei aus, als mein Gefährte ihn an der Kehle festhält.
„HÖR AUF!“, schreie ich, aber ich bin mir nicht sicher, ob der Alpha mich hören kann. Er verstärkt den Griff um die Kehle und mein Bruder schnappt nach Luft. So schnell ich kann, schnappe ich mir seinen Arm und versuche es erneut.
„Bitte, hör auf!“, flehe ich.
Als er mir endlich in die Augen sieht, wird sein Blick sofort sanfter. Er lässt meinen Bruder los und nimmt meine Hand.
„Du wirst mit mir essen“, sagt er streng.
Ich schaue entsetzt auf meinen Bruder herab.
„Das werde ich nicht!“, erwidere ich mit lauter Stimme. „Du kannst nicht einfach hierher kommen und Leute verletzen. Das hier ist nicht dein Rudel!“
Für einen kurzen Moment kann ich Schmerz in seinen Augen aufflackern sehen, der aber ebenso schnell wieder durch Gleichgültigkeit ersetzt wird.
„Ich denke, da liegst du falsch, kleine Wölfin. Ich kann tun, was immer ich für richtig halte. Ich habe übrigens beschlossen, dass ich dich zu meiner Gefährtin machen werde. Ein kleiner Hitzkopf wie du wird eine starke Luna für mein Rudel sein können. Wenn wir wieder nach Hause fahren, wirst du mich begleiten.“
„Das werde ich auf keinen Fall tun! Du kannst mich nicht dazu zwingen!“, schreie ich wütend.
Ich kann spüren, wie der ganze Speisesaal den Atem anhält, wodurch ich nur noch wütender werde.
„Oh doch, kleine Wölfin, ich kann mit dir tun und lassen, was ich will. Aber wenn du es genau wissen willst, besagt das Rudelgesetz, dass ein Mann, wenn er seine Gefährtin gefunden hat, in sein Heimatrudel zurückkehren muss“, sagt er grinsend.
Ich blicke zu meinem Bruder, um zu sehen, ob an dem, was dieser Alpha gesagt hat, etwas dran ist.
Er sieht mir nicht in die Augen, und in diesem Moment weiß ich, dass mein Schicksal in den Händen dieses Mannes liegt.
Ich kann keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen, nicht nach all dem, was ich gerade erfahren habe. Also renne ich in Richtung Tür und nach draußen.
Sobald ich draußen bin, übernimmt meine Wölfin die Kontrolle. Dickes, tiefschwarzes Fell sprießt aus meiner Haut und meine Nase wird zu einer Schnauze. Ich schüttle mein Fell und renne in den Wald.
Als ich ein gutes Stück vom Speisesaal entfernt bin, bleibe ich stehen und atme die frische, kalte Nachtluft ein.
Ich setze mich in den Schnee und stoße ein langes, klagendes Heulen aus. Meine Wölfin singt ihr wunderschönes Lied, während ich meinen Verlust betrauere.
Ich trauere um meinen Bruder, da ich nicht weiß, ob ich ihn jemals wiedersehen werde und um meinen nun verlorenen Traum eines mich liebenden Gefährten. Aus der Ferne höre ich ein ähnliches Heulen. Es richtet sich an meine Wölfin und ist eine ebenso traurige Antwort auf ihr melancholisches Lied. Natürlich weiß ich, dass es der Wolf meines Gefährten ist, und es bricht mir noch mehr das Herz. Trotzdem kann ich nicht zulassen, dass sie ihm nachgibt.
Dann schwöre ich mir eine Sache. Ich werde keine Angst vor ihm haben. Es ist mir egal, was er getan hat. Wenn ich als seine Gefährtin mit ihm leben soll, muss ich stark sein.
Ich werde ihm nicht so einfach die Kontrolle über mich überlassen und ich werde erhobenen Hauptes weitermachen. Genau wie nach all den anderen schrecklichen Dingen, dir mir bereits in meinem Leben passiert sind.
Mit diesem Vorsatz im Hinterkopf laufe ich tiefer in den Wald, um, wenn auch nur für eine kurze Zeit, meinen eigenen Gedanken zu entfliehen.