Die Schattenmond Serie - Buchumschlag

Die Schattenmond Serie

Rain Itika

Kapitel 5.

LARA

Lara spürte, wie ihr ganzer Körper schmerzte. Ihre Beine zitterten und drohten nachzugeben. Sie konnte ihre Arme kaum heben. Blut klebte in ihrem Gesicht.

Sie blickte zu dem Jungen vor ihr auf. Er war erst elf, wirkte aber schon fast erwachsen. Er überragte sie deutlich und sah ausdruckslos auf sie herab.

„Versuch es noch einmal, Lara, aber nutze deine Stärken. Du bist flink, setz das ein“, rief der Lehrer von der Seite.

Das erschien ihr gerade wie ein Ding der Unmöglichkeit. Der Junge war zwei Jahre älter und fast doppelt so groß wie sie.

Lara sah sich um, in der Hoffnung jemand würde eingreifen. Doch selbst unter all den Zuschauern konnte sie ihre Eltern nicht entdecken.

Natürlich waren sie nicht da. Sie waren tot.

Trotzdem träumte sie davon. Sie träumte, dass sie kämen, sie in den Arm nähmen und nie wieder losließen. Ihre Umarmung würde sie vor diesem Albtraum beschützen, den sie gerade durchlebte.

„Lara-“, setzte der Lehrer an, doch bevor er den Satz beenden konnte, rannte Lara los. So schnell sie konnte, voller Wut. Sie ballte die Faust und holte zum Schlag aus.

Sie hätte ihn getroffen, doch er war schlauer. Er wich zur Seite aus und brachte sie aus dem Gleichgewicht.

Der Boden war hart, als ihr Kopf aufschlug. Es fühlte sich an, als würde ihr Schädel bersten. Blut sickerte durch ihre Haare und bildete eine kleine Lache um ihren Kopf.

Dunkle Flecken erschienen am Rand ihres Sichtfelds. Zwei Gesichter beugten sich über sie. Der Junge und der Lehrer standen über ihr. Ihre Münder bewegten sich, doch das einzige Geräusch, das sie hörte, war-

PIEP PIEP PIEP

Der Raum war dunkel und ließ sie für einen Moment glauben, sie träume noch. Nur der Wecker verriet ihr, dass sie wach war.

Sie schaltete den Alarm aus und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, während sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Der Traum hallte noch in ihrem Kopf nach. Es war einer von vielen Albträumen, die sie ihr Leben lang verfolgten.

Er erinnerte sie an das, was sie durchgemacht hatte. Eine Lektion, die sie nie vergessen und die sie immer wütend machen würde.

Plötzlich durchfuhr sie eine Hitzewelle. Sie begann in ihren Zehen und kroch langsam bis zu ihrem Kopf, ließ sie vor Schmerz keuchen. Sie erinnerte sie daran, warum sie mitten in der Nacht wach war. Die Injektion.

Mit Mühe versuchte sie, ihre Arme zu bewegen, um die Schachtel vom Nachttisch zu nehmen. Schon diese kleine Bewegung verstärkte die Hitze und je länger sie wartete, desto schlimmer würde es werden.

Sie griff nach der Spritze und setzte sie vorsichtig an ihrer Hüfte an. Eine falsche Bewegung und sie könnte zerbrechen, das Medikament für immer verloren. Dann würde sie den Löffel abgeben.

Keine Zeit, die Haut zu desinfizieren. Mit dem Daumen entfernte sie die Schutzkappe und stach die Nadel in ihre Haut, drückte den Kolben hinunter.

Die Hitze in ihrem Blut war so intensiv, dass sie die Nadel kaum spürte. Nur ein leichtes Unbehagen.

Während sie reglos im Bett lag und darauf wartete, dass das Medikament wirkte, schweiften Laras Gedanken ab.

Sie dachte nicht an ihre schreckliche Kindheit, sondern an den Mann, der in ihr etwas Neues ausgelöst hatte. Etwas, das sie noch nie zuvor gefühlt oder getan hatte.

In der Schule hatten sie ihnen eingebläut, dass alles Sexuelle äußerst gefährlich und tödlich sei. Damals gab es zwanzig Peitschenhiebe auf den Rücken, wenn man beim Händchenhalten erwischt wurde.

Zum Glück hatte sie diese Warnungen beherzigt ... bis jetzt.

Je mehr sie versuchte, es zu unterdrücken, desto mehr dachte sie an ihn. Sie wollte nicht an ihn denken.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es zu spät war, um noch einmal einzuschlafen. Also beschloss sie aufzustehen und ihren langen Tag zu beginnen.

Langsam erhob sie sich, bückte sich und hob ihre Tasche auf. Sie legte sie aufs Bett. Als sie sie öffnete, sah sie obenauf ihre Lieblingswaffe. Das zauberte ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht.

Sie besaß viele Waffen, aber diese war etwas Besonderes, weil Bill sie ihr zum 21. Geburtstag geschenkt hatte. Sie behandelte sie wie ihren Augapfel. Das Metall fühlte sich kalt an, als sie sie aus der Tasche nahm und aufs Bett legte.

Schnell zog sie sich aus. Die kühle Luft strich über ihre warme Haut. Sie holte frische Kleidung heraus und ging ins Bad, um zu duschen.

Das warme Wasser fühlte sich gut an, als es über ihren Körper lief. Sie ließ es ihre Gedanken wegspülen, besonders die an den grünäugigen Mann, der sie zu Dummheiten verleiten konnte.

Sie musste lächeln, als sie daran dachte, wie sie ihn als Dämon bezeichnet hatte, denn Dämonen gab es nicht. Ihre Gefühle für ihn waren auch nicht echt. Zumindest hoffte sie das.

Als das Wasser kalt wurde, stieg sie aus. Sie vermied es, in den Spiegel zu schauen, während sie in eine enge schwarze Hose und ein schwarzes Shirt schlüpfte.

Schwarz stand ihr gut und machte es außerdem schwerer, sie zu sehen, wenn sie sich versteckte und jemanden observierte. Das war die erste Regel für einen Auftragskiller.

Ihre Hand kribbelte, als sie den beschlagenen Spiegel sah. Sie wollte ihn abwischen und sich betrachten.

Doch sie wusste, dass sich heute nichts geändert haben würde. Sie würde immer noch ein Gesicht mit großen braunen Augen, einer runden Nase und seltsam geformten Lippen sehen.

Sie hielt sich nicht für schön, aber manchmal halfen ihr ihre Looks, aus brenzligen Situationen herauszukommen. Männer mochten nun mal hübsche Mädchen.

Sie verließ das Bad, nachdem sie sich die Haare gebürstet hatte, und ging zu ihrer Tasche. Auch wenn der Raum dunkel war, wusste sie genau, wo das Bett stand.

Sie war ihr Leben lang gereist und hatte in schäbigen Hotels übernachtet, also war sie daran gewöhnt. Überall auf der Welt waren solche Zimmer gleich aufgebaut.

Sie stopfte ihren Schlafanzug in die offene Tasche. Als sie den Reißverschluss schloss, beschlich sie ein ungutes Gefühl.

Während sie vorgab, in der Tasche zu kramen, tastete sie langsam nach der Stelle, wo sie die Waffe hingelegt hatte. Als ihre Finger das kalte Metall berührten, entspannte sie sich etwas.

Sie griff nach der Waffe, wirbelte herum und zielte in den Raum. Ihr Blick huschte durch das dunkle Zimmer.

Ein Schatten bewegte sich und sie erkannte eine dunkle Gestalt neben dem Bett. Blitzschnell ging sie darauf zu und richtete die Waffe darauf.

„Wer bist du?“, fragte sie laut. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und mit Hilfe des Mondlichts, das durch die Vorhänge fiel, erkannte sie, wer es war.

Er saß regungslos wie eine Statue in der Ecke. Es war Roland, der Mann mit den grünen Augen.

„Du weißt bereits, wer ich bin“, sagte er leise. Seine Stimme war tief, doch sie konnte die Macht in seinen Worten spüren. Wie er da im Sessel saß, wirkte er, als gehöre ihm der Raum.

Wie konnte er es wagen, in ihr Zimmer einzudringen? Sie hatte genug von seiner Arroganz und es war Zeit, den Job zu Ende zu bringen, den sie vorher nicht erledigt hatte.

„Ja. Du bist tot“, sagte sie und drückte ab, als hinge ihr Leben davon ab.

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