Alpha Sebastian vom Tenebris-Rudel ist für seine Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit bekannt; er weiß, was er will, und nimmt es sich, wenn nötig mit Gewalt. Sein Rudel ist in Geheimnisse gehüllt, alles, was man weiß, ist, dass er Loyalität und Gehorsam von seinen Mitgliedern verlangt. Skylar ist die jüngste Tochter von Alpha James vom Moonstone-Rudel und sein Augapfel. Als Sebastian ihren Vater ins Tenebris-Packhaus einlädt, ruhen alle Hoffnungen auf einem Deal, um ihr Rudel zu schützen, doch sobald er einen Blick auf Skylar erhascht, sind alle Wetten nichtig.
Altersfreigabe: 18+.
Kapitel 1
Kapitel 1:Das Mondstein-RudelKapitel 2
Kapitel 2:SkylarKapitel 3
Kapitel 3:Ich hasse ihn.Kapitel 4
Kapitel 4:Der KerkerSebastian
Das Knacken von Blättern und Zweigen hallte durch den Wald, als ich den alten Pfad zum Rudel-Haus entlangstapfte. Meine schweren Stiefel machten einen Heidenlärm, aber heute wollte ich mich auch gar nicht anschleichen.
Dies war zwar nicht mein Gebiet, aber ich war eingeladen worden. Falls der Alpha des Moonstone-Rudels Wachen aufgestellt hatte, hielten sie sich bedeckt. Im Mondlicht konnte ich sie nicht sehen, aber ich wusste, dass sie sich in der Dunkelheit versteckten.
Ich schnupperte die Waldluft. Ich konnte sie riechen, oder zumindest ihre Angst. Und das war auch gut so. Schließlich war ich nicht umsonst der stärkste Alpha im Westen.
Ich war nicht hier, um Streit anzufangen. Noch nicht. Aber die Leute kannten meinen Ruf. Das störte mich nicht im Geringsten. Furcht war ein mächtiges Werkzeug, und ich wusste um die Geschichten, die man sich über mich und mein Rudel erzählte.
Die meisten davon stimmten sogar.
Ich war gnadenlos zu meinen Feinden und hielt mein Rudel mit eiserner Hand. Mein Wort war Gesetz, und wer nicht spurte, bekam es zu spüren. Niemand betrat mein Land ohne Erlaubnis, die ich nur selten erteilte. Wer es trotzdem wagte, auch aus Versehen, wurde nie wieder gesehen – zumindest nicht außerhalb meines Gebiets.
Als wir uns dem Rudel-Haus näherten, beäugte ich es kritisch, genau wie mein Bruder.
Kyrian sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Es sah uralt aus.
Für ein Rudel-Haus war es winzig.
Nichts im Vergleich zu unserem eigenen.
Ich wusste, dass dieses Rudel klein und schwach war, aber das hier übertraf meine kühnsten Erwartungen. Ich fragte mich, was der Alpha uns wohl anzubieten gedachte. Nicht dass mich dieses Rudel wirklich interessierte.
Der Alpha musste anderer Meinung sein, sonst wären wir nicht hier.
„Erinnere mich nochmal, warum wir hier sind", fragte Kyrian.
Ich musterte meinen Bruder.
Er war etwas kleiner als ich und nicht ganz so muskulös. Aber unsere Verwandtschaft war unverkennbar. Wir hatten beide hellbraunes Haar und strahlend blaue Augen. Wir trugen beide lange Haare.
Meine waren an den Seiten kurz geschnitten, er trug seine stets zu einem Zopf geflochten.
Ich war froh, ihn als meinen Stellvertreter zu haben, auch wenn er als Alpha geboren war.
„Wir sind hier, um mit dieser jämmerlichen Entschuldigung für einen Alpha einen Deal zu machen", grinste ich.
Kyrian verdrehte die Augen.
„Was du meinst, Bastian, ist, dass du ihm diktierst, was du willst, und wenn er ablehnt, drohst du damit, sein Rudel auszulöschen."
Ich ließ es ihm durchgehen, mich beim Namen zu nennen.
Kyrian war der Einzige, der das durfte; alle anderen nannten mich Alpha.
Ich wurde nie wütend, wenn er unter vier Augen meinen Titel wegließ. In der Öffentlichkeit würde Kyrian das nie tun.
Aber ich hielt eine kleine Erinnerung für angebracht.
„Vergiss nicht, mich drinnen mit Alpha anzureden", sagte ich.
Kyrian lächelte und neigte den Kopf.
„Jawohl, Alpha."
Ich verdrehte die Augen und grinste.
„Komm schon, kleiner Bruder, lass uns das hinter uns bringen."
Auf dem Weg zur Tür des Rudel-Hauses bemerkte ich, wie Kyrian sich umsah. Wahrscheinlich suchte er nach Gefahren. Auch hier gab es keine Wachen.
„Glaubst du, sie wissen, dass wir hier sind?", fragte er.
Ich lachte über seine gerunzelte Stirn.
„Benutze deine Nase, kleiner Bruder. Du kannst sie zwar nicht sehen, aber du kannst ihre Angst riechen."
Kyrian schnupperte, dann lächelte er.
Ich folgte seinem Blick. Er starrte zu einem der Fenster im zweiten Stock. Doch als ich hinsah, wurde mir klar, dass nicht das Gebäude seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Es war die junge Frau, oder eher das Mädchen, das zu uns herunterblickte.
„Was ist mit ihr? Glaubst du, sie hat Angst vor dir?"
Ich sah zu ihr hoch und grinste.
Sie zuckte zurück und verschwand schnell vom Fenster.
„Falls nicht, hat sie jetzt bestimmt welche." Ich lachte.
Ich schaute nochmal hoch in der Hoffnung, die kleine Blonde wieder zu sehen. Sie war wirklich hübsch gewesen, soweit ich das beurteilen konnte.
Anscheinend hatte ich heute kein Glück. Sie tauchte nicht wieder auf, also wandte ich mich wieder den Türen des Rudel-Hauses zu.
Als wir die Türen erreichten, ballte ich die Faust und hämmerte hart dagegen. Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter.
Ich hatte zwei weitere Kämpfer mitgebracht. Sie hielten sich wie angewiesen im Hintergrund.
Ich sprach sie kurz mental an. Bleibt draußen, es sei denn, ich rufe euch
Die beiden Männer nickten zustimmend.
Ich wandte mich wieder der Tür zu, bereit erneut zu klopfen, aber das war nicht nötig, denn sie öffnete sich langsam.
Ein älterer Mann stand dort. Er war sichtlich nervös. Er neigte den Kopf.
„Alpha Sebastian, Beta Kyrian. Willkommen im Moonstone-Rudel. Ich bin Beta William. Alpha James erwartet Sie bereits, wenn Sie mir bitte folgen möchten", sagte er mit leicht zitternder Stimme.
Ich war durchaus überrascht.
Ein respektvolles Nicken war von einem Beta normal, aber keine volle Verbeugung wie diese. Außerdem konnte ich die Angst riechen, die von seinem Körper ausging. Mein Bruder würde sich nie so verhalten.
Vielleicht war dieses Rudel noch schwächer als gedacht. Das würde meine Aufgabe etwas erleichtern.
Der Beta führte mich in einen Raum, der wie ein Besprechungszimmer aussah. Oder vielleicht ein Esszimmer.
Der lange Holztisch bot wahrscheinlich Platz für zwölf Personen auf jeder Seite. Momentan saß der Alpha am Kopfende und versuchte, wie der dominanteste Alpha im Raum zu wirken. Das gelang ihm nicht.
Ich musterte Alpha James. Meine Einschätzung bestätigte sich. Er war ein äußerst schwacher Alpha. Sein dunkles Haar hing ihm ungepflegt ins Gesicht, seine braunen Augen hatten Mühe, meinem Blick standzuhalten.
Sein Bart war ungepflegt, mit grauen Strähnen durchzogen, die sein Alter verrieten.
Ich war sicher, dass mein Bruder ihn im Kampf besiegen könnte. Ich begann mich zu fragen, ob er überhaupt ein echter Alpha war.
Aber wir waren nicht hier, um zu kämpfen. Noch nicht.
Ich war hier, um zu sehen, was dieser Alpha anzubieten hatte, oder genauer gesagt, was er wollte.
Alpha James erhob sich, als wir näher kamen. Er streckte die Hand aus, offenbar in Erwartung eines Handschlags.
Wenn er das glaubte, würde er bitter enttäuscht werden.
Stattdessen setzte ich mich auf einen der Stühle und ließ ihn mit ausgestreckter Hand stehen. Er zog sie hastig zurück.
Sein Beta ging zu dem Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und stellte sich wie eine Statue etwas links davon auf.
Mein Bruder setzte sich neben mich.
Ich lehnte mich im Stuhl zurück und schlug das rechte Bein über das linke.
Ich sah ihn an und wartete darauf, dass er das Wort ergriff.
Mein Verhalten war äußerst respektlos. Jeder anständige Alpha hätte mich dafür zurechtgewiesen. Er tat es nicht.
Ich beobachtete ihn genau, aber das war gar nicht nötig.
Er stank förmlich vor Angst.
Er räusperte sich und deutete auf ein Tablett auf dem Tisch.
„Möchten Sie etwas trinken?", fragte er.
Ich nickte. Es war Whiskey, den ich durchaus schätzte. Aber ich war sicher, es würde billiger Fusel sein. Besonders wenn sein Rudel-Haus so heruntergekommen aussah.
Er sah Kyrian an, der den Kopf schüttelte.
Mein Bruder trank gerne, aber in solchen Situationen blieb er lieber wachsam.
Alpha James schenkte uns beiden großzügig ein und schob mir eines der Gläser zu. Ich roch daran und nahm einen Schluck. Wie erwartet, war er schwach. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er verwässert gewesen wäre.
Ich verzog das Gesicht und knallte das Glas hart auf den Tisch.
„Warum genau haben Sie mich heute hierher eingeladen, Alpha James?", fragte ich.
Er schluckte nervös.
„Nun ... Ähm ... Ich hoffte, dass wir Freunde werden könnten", stotterte er.
Ich brummte und nickte.
„Und was genau können Sie mir dafür bieten, hmm?"
Er versteifte sich etwas.
„Wie Sie vielleicht wissen, führt die Hauptstraße durch mein Gebiet, und ich erhebe eine Gebühr auf alle Waren, die hindurchgeführt werden. Ich bin bereit, auf diese Gebühr für Sie zu verzichten, wenn Sie ein Abkommen unterzeichnen, dass Sie uns nicht angreifen werden", sagte er.
Ich sah meinen Bruder an und verdrehte die Augen.
Dann funkelte ich Alpha James böse an.
„Glauben Sie ernsthaft, dass die lächerliche Gebühr, die Sie erheben, ausreicht, damit ich zustimme, Ihr Rudel nicht anzugreifen?", knurrte ich. „Bieten Sie mir wenigstens etwas Vernünftiges an."
Sein Gesicht wurde blass.
„W-wie was?", stotterte er.
Ich leckte mir die Lippen und lehnte mich vor.
„Wie Ihre Tochter."
Alpha James blickte zu seinem Beta, dann wieder zu mir.
„Was wollen Sie mit meiner Tochter?", fragte er nervös.
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich brauche eine Gefährtin. Eine Alpha-Wölfin. Eine Sie-Wölfin, die mir Welpen gebären kann, einen Erben."
Er nickte und sah seinen Beta an.
„Schick einen der Omegas, um Emmeline zu holen."
Der Beta nickte und verschwand durch eine Tür am hinteren Ende des Raumes.
„Was passiert, wenn Sie Ihre wahre Gefährtin finden?", fragte Alpha James.
Ich schnaubte verächtlich.
„Stellen Sie sich nicht dumm, Alpha. Jeder weiß, dass meine wahre Gefährtin tot ist."
Er nickte. Er kannte die Gerüchte. Jeder tat das, aber jetzt hatte er es direkt von mir gehört.
„Können Sie versprechen, dass meiner Tochter nicht dasselbe Schicksal droht?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Das hängt ganz von Ihrer Tochter ab", erwiderte ich.
Ich blickte über den Flur, als sich die Tür öffnete. Ich runzelte die Stirn, als der Beta eine junge Sie-Wölfin hereinführte.
Sie war nicht das, was ich erwartet hatte.
Ich hatte die kleine Blonde erwartet. Diese hier hatte dunkles Haar und die gleichen braunen Augen wie ihr Vater. Sie war definitiv älter als das Mädchen, das wir am Fenster gesehen hatten.
Falls sie ebenfalls seine Tochter war, dann kam sie wohl nach ihrer Mutter.
Alpha James stand auf und streckte der jungen Frau die Hand entgegen.
„Das ist meine Tochter Emmeline. Emmeline, das ist Alpha Sebastian, er sucht eine Gefährtin."
Sie lächelte und kam auf mich zu, die Hand ausgestreckt.
Sie roch nach anderen Männern. Falls ihr Vater behaupten wollte, sie sei Jungfrau, würde er es bereuen. Außerdem war ich nicht an ihr interessiert.
„Schön Sie kennenzulernen, Alpha ...", begann sie.
Ich ignorierte sie völlig und sah Alpha James an.
„Nicht diese ... Sie hat ein Gesicht, bei dem Milch sauer wird. Die Hübsche, die Blonde."
Alpha James schluckte nervös, und das Gesicht seiner Tochter verzog sich wütend.
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber glücklicherweise hob ihr Vater die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
Sie schloss den Mund.
Zumindest schienen seine Töchter zu gehorchen. Na ja, zumindest diese hier. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Jüngere anders wäre.
„Sky—Skylar ... sie ist kaum alt genug. Sie ist noch nicht bereit, jemandes Gefährtin zu sein", stammelte er.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sie haben die Wahl: Entweder Sie bringen sie jetzt sofort her, oder ich gehe, komme morgen zurück und töte Ihr ganzes Rudel. Dann nehme ich sie mir trotzdem!"