
Die verführerische Nachtigall
Sie wandte sich vom Ruhm ab. Jetzt schreibt sie heimlich Hits als Ghostwriterin – bis ihr Manager sie dazu bringt, mit dem einen Mann zusammenzuarbeiten, der ihr auf die Nerven geht und ihren Puls in die Höhe treibt. Levi ist ein grübelnder Rockgott, der Hilfe dabei braucht, sein Album zu beenden. Dianas Songs sind Feuer. Ihr Blick ist schärfer. Aber als im Studio die Funken sprühen und Geheimnisse ans Licht kommen, ist keiner von beiden bereit für den Lärm, den sie gemeinsam machen werden. Die Spannung ist hoch. Die Chemie ist unglaublich. Und jemand wird gleich einen Ton anschlagen, den er nicht mehr zurücknehmen kann.
Kapitel 1
DIANA
Rockstars waren die Art von Musikern, mit denen ich am wenigsten gerne zusammenarbeitete. Das war nicht immer so gewesen.
Ein heftiger Wind peitschte mir mein lilafarbenes Haar ins Gesicht und die eisige Luft ließ mich am ganzen Körper zittern. Nicht einmal mein dicker schwarzer Mantel konnte die Kälte abhalten.
Ich stemmte mich gegen die schwere Tür des heruntergekommenen Musikclubs in der Innenstadt. Die rote Farbe blätterte bereits ab und gab den Blick auf das verbeulte schwarze Metall darunter frei.
Mein Blick wanderte zum sternenklaren Nachthimmel hinauf und ich wünschte, ich wäre irgendwo weit weg.
„Ich kann kaum glauben, dass wir uns hier während eines Konzerts verabredet haben“, sagte ich zu meinem Manager. Die dröhnende Musik drinnen übertönte fast meine Stimme. Die Luft roch übel, nach vergammeltem Müll und Schweiß.
Hätte ich diesem Treffen nicht schon zugesagt gehabt, hätte ich beim Anblick der Menschenmassen auf den Straßen auf dem Absatz kehrtgemacht.
Damien neigte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Das Licht spiegelte sich auf seiner glatten, braunen Glatze.
Er streckte seine Hand über mich, um die Tür aufzustoßen. „Diana, du kennst doch diese Typen. Die gehen voll und ganz in ihrer Arbeit auf.“
Ohrenbetäubende Metal-Musik und wütender Gesang schlugen mir entgegen. Über die etwa zweihundert Köpfe hinweg erblickte ich die Bühne.
Ein hünenhafter Mann bewegte sich wild darauf. Sein schwarzes, halblanges Haar glänzte unter den roten Scheinwerfern. Sein Gesicht war schwarz-weiß geschminkt wie ein Totenschädel und sah zum Fürchten aus.
Die tiefe Stimme des Rockstars sang von nächtlichen Untaten, was mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
„Sieht aus, als wäre er gerade in Hochform“, murmelte ich.
Die schwere Tür fiel hinter uns ins Schloss und holte mich in die Gegenwart zurück. Kaum war ich nicht mehr dem Wind ausgesetzt, wurde mir wieder warm.
Doch schon spürte ich die stickige Hitze von zu vielen Menschen auf engem Raum und roch Zigarettenqualm.
Der dröhnende Bass der Musik passte perfekt zu einem Raufbold in der ersten Reihe, der jemanden in der Menge anrempelte. Die Meute schien sich über die Rangelei zu freuen.
Fassungslos sah ich, wie der berühmte Levi Stark von der Bühne sprang und den Unruhestifter am Kragen packte. Blitzschnell verpasste er ihm eine Kopfnuss.
Ich zuckte zusammen, als hätte ich den Aufprall gehört, obwohl die Musik ohrenbetäubend laut war.
„Das darf doch nicht wahr sein.“
Zwei Kerle sprangen auf den Rücken des Rockstars, um ihrem Kumpel zu helfen. Aber Levi war ein Hüne von einem Mann, breit wie ein Schrank.
Er geriet nicht einmal ins Wanken, als die kräftigen Männer ihn packten. Dennoch ließ er das Hemd des Typen los, den er gerade vermöbelt hatte.
Ein tiefes Lachen übertönte den kreischenden Metal. Seine Band spielte ungerührt weiter, während ihr Sänger in eine Prügelei verwickelt war.
Ich konnte den Blick nicht von dem Rockstar abwenden, der das Chaos der Konzertschlägerei in vollen Zügen zu genießen schien. Das rote Licht und die wilde Musik ließen ihn wie einen Wahnsinnigen erscheinen.
„Und mit dem soll ich zusammenarbeiten?“, fragte ich, zeigte auf Levi und sah Damien an. „Dieser Deal ist den Ärger nicht wert. Der Kerl hat doch offensichtlich einen an der Waffel.“
„Nein, schau, sein Manager kommt gerade“, sagte Damien und ging nicht weiter auf meinen Einwand ein. Wahrscheinlich hatte er mich über den Lärm hinweg kaum verstanden.
Er legte den Arm um meine Schulter und winkte einem kleinen Mann in einem schlecht sitzenden Anzug zu. Der Mann versuchte, sich durch die Menge zu uns durchzuboxen.
„Das soll der Manager von Levi Stark sein?“, fragte ich ungläubig. Ich verschränkte die Arme und verdrehte die Augen. Im Grunde wollte ich gar nicht hier sein und der Musiker machte auch keinen guten ersten Eindruck.
„Nein, ich sage dir, dieser Typ hat's drauf mit Rockstars“, brüllte Damien über die Musik hinweg. „Er mag klein sein, aber ich schwöre dir, er weiß, wie man mit den wildesten Typen in Los Angeles umgeht.“
Der kleine Mann sah erleichtert aus, als er uns erblickte und beschleunigte seine Schritte, als hätte er sehnsüchtig auf unsere Ankunft gewartet.
„Damien Palmer, lange nicht gesehen“, sagte Raymond. Er streckte meinem Manager die Hand entgegen, der sie fest schüttelte.
Raymond zog seine Hand zurück und versuchte zu verbergen, dass er seine Finger ausschüttelte. „Hey, schön dich wiederzusehen“, rief Damien über den Höllenlärm hinweg. „Das ist D. Johnson.“
Raymonds schwarze Augen weiteten sich hinter seiner dicken Brille, die ihn wie eine übergroße Fliege aussehen ließ. Ich dachte, seine Augen könnten nicht noch größer werden, bis er mich ansah.
Fast hätte ich ihm gesagt, er solle den Mund schließen. Stattdessen streckte ich die Hand aus und lächelte gezwungen. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Raymond.“
Als er meine Hand schüttelte, wollte ich sie am liebsten wieder wegziehen. Sein schwacher Händedruck gefiel mir gar nicht.
Damien trat lächelnd näher. „Hey, gibt's hier irgendwo einen ruhigeren Ort, wo wir reden können?“
„Ja klar, natürlich. Wir können in die Garderobe hinter der Bühne gehen.“ Kaum hatte Raymond in Richtung der Menge geblickt, hörten wir einen markerschütternden Schrei.
Ich drehte mich um und sah einen Kerl in Lederjacke, der einen Barhocker hochriss und auf den Rockstar zurannte. Alles geschah so schnell, dass ich nur mit offenem Mund zuschauen konnte.
Der Typ traf Levi Stark mit dem Hocker mitten ins Gesicht und schleuderte ihn in die Menge. Holzsplitter flogen durch die Luft. Frauen kreischten und Männer brüllten.
Sicherheitsleute eilten herbei, um die Schlägerei zu beenden. Aber die Musik dröhnte ungestört weiter und die Lichter tanzten, als wäre nichts geschehen. Ein unwillkürliches Lächeln huschte über meine Lippen.
Levi tauchte mit einem breiten Grinsen und wildem Blick in den Augen aus dem Getümmel auf. Schockiert sah ich, wie rotes Blut die weiße Schminke in seinem Gesicht verschmierte.
„Um Himmels willen!“, rief ich.
Mein Manager zerrte an mir, bis ich mich in Bewegung setzte. „Komm schon. Das beruhigt sich gleich wieder.“
Raymond bahnte sich flink einen Weg durch die Menge. Damien legte seine Hand auf meine Schulter und schob mich hinter Raymond her zu einer Tür nahe der Bühne. Zwei bullige Sicherheitsleute ließen uns durch.
Die kleine, schmuddelige Garderobe wirkte im Vergleich zu anderen, die ich gesehen hatte, wie eine Besenkammer. Die schwarzen Wände standen viel zu dicht beieinander, und die spärliche Beleuchtung über dem Spiegel spendeten kaum Licht. Immerhin dämpften die Backsteinwände die Musik und hielten den Zigarettengestank draußen.
„Ich warte, bis die Show vorbei ist, um Levi herzubringen. Er singt vielleicht noch einen Song nach dieser – äh – Unterbrechung.“
Raymond zuckte mit den Schultern und machte sich bereit, sich wieder in die tobende Menge zu stürzen.
Damien und ich ließen uns an den entgegengesetzten Enden der alten schwarzen Couch an der Rückwand nieder. Sobald ich saß, vergrub ich das Gesicht in den Händen und stöhnte genervt auf.
„Das war ein Riesenfehler. Ich will nicht mit diesem Verrückten zusammenarbeiten.“
Noch konnten wir von hier abhauen. Wir mussten nur durch die Tür verschwinden, bevor Raymond und Levi zurückkamen. Bei der aufgeheizten Menge draußen könnten Damien und ich unbemerkt verduften.
„Diana, du hast seit einem halben Jahr nichts geschrieben. Wir brauchen einen neuen Deal, und das weißt du“, sagte Raymond.
Daraufhin drehte Damien seinen massigen Körper zu mir. „War das ein erster, toller Eindruck? Nein“, gab er nüchtern zu.
„Das kannst du laut sagen“, murmelte ich in meine Hände.
„Ich bin mir wirklich nicht sicher. Hast du ihn da draußen gesehen? Die Totenkopfschminke und wie er sich mitten in eine Schlägerei gestürzt hat. Dieser Wilde wird mich in den Wahnsinn treiben. Das weiß ich jetzt schon.“
Wer kam nur auf die Schnapsidee, dass mein Schreibstil zu Levis hartem Rock-Image passen würde?
„Sein Manager hat dem Preis bereits zugestimmt. Wir müssen nur noch die Papiere unterschreiben“, sagte Damien.
Mein Manager tätschelte dabei sanft meine Schulter, als würde er ein Kind trösten, dem sein Eis heruntergefallen war.
„Hätten wir das nicht in einem Studio oder Büro besprechen können?“, maulte ich.
Ich richtete mich auf und sah in Damiens müdes Gesicht. Meine Schultern sackten entmutigt in sich zusammen. Egal wie sehr ich mich beschwerte, es würde nichts ändern.
„Die großen Stars bekommen, was sie wollen“, sagte Damien. Die Falten um seine Augen zeugten von seiner 30-jährigen Erfahrung im Musikgeschäft.
„Wenn er denkt, seine Show würde mich beeindrucken, liegt er völlig daneben“, sagte ich entschlossen.
Ich hob trotzig das Kinn. Ich war bereits zu lange im Geschäft, um mich von einer Performance aus der Fassung bringen zu lassen.
Der Türknauf drehte sich und ich sprang von der Couch auf. Jubel und abklingender Applaus erfüllten den stillen Raum.
Ich spürte eine unerwünschte Hitze in meinem Bauch. Eine starke Energie strömte mit dem hünenhaften Rockstar in zerrissener, dunkler Kleidung den Raum.














































