Gezeichnet vom Alphakönig - Buchumschlag

Gezeichnet vom Alphakönig

Danni D

Gefangen

ARIEL

Die Hölle bricht aus.

Zähnefletschend knurre ich Natalia an.

Meine Klauen sind bereit, sich in ihr Fleisch zu rammen.

Ich sehe nur noch rot.

Ich will Blut. Ich will es riechen. Es schmecken. Nein, ich will es nicht nur – ich brauche es. Es fühlt sich an wie ein sexuelles Verlangen.

Zuerst wollte meine Wölfin instinktiv mit Natalia um Xavier kämpfen. Immerhin ist er mein wahrer Lebensgefährte. Sie ist nur eine Schwindlerin.

Nein! Ich will sie nicht verletzen! Warum kann ich nicht aufhören?

Aber jetzt kann ich meine Wölfin kaum mehr spüren. Etwas anderes hat die Kontrolle übernommen. Blinde Wut.

Ich habe meinen eigenen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Es ist, als schaue ich von oben auf mich herab und könne nur zusehen, was passiert.

Etwas tief im Inneren will Natalia wehtun und ich kann nichts dagegen tun. Ich verstehe nicht mal, woher es kommt.

Xavier steht jetzt vor Natalia, schirmt sie von mir ab, aber nichts und niemand hält mich auf.

Ich höre Schreie und Rufe, vielleicht sogar von der Truppe und meinem Dad, aber das sind nur gedämpfte Hintergrundgeräusche. Ich habe nur eins im Sinn.

Plötzlich setzen sich meine Beine wie von allein in Bewegung und rennen auf Natalia zu. Xavier schlägt mit den Klauen nach mir, doch ich weiche ihm aus und greife von hinten an.

Jetzt auf allen vieren spüre ich, dass ich mich noch weiter verwandle. An einigen Stellen wächst Fell auf meiner Haut. Meine Knochen knacken.

Spucke tropft mir aus dem Mund, während ich mein entsetztes Opfer anstarre. Alle anderen sehe ich nur verschwommen.

Ich mache einen Satz auf Natalia zu, stürze mich auf sie, doch Xaviers Klauen treffen mitten in der Luft auf meine Rippen. Ich fliege zurück und lande hart auf dem Boden, die Hände auf meine Wunden gepresst.

Rasend vor Wut kommt Xavier auf mich zu. Obwohl er eigentlich mein Gefährte sein sollte, ist da null Verlangen in seinem Blick.

Ich knurre und heule wie ein wildes Tier auf dem Boden liegend, während mein Körper im halb verwandelten Zustand gegen sich selbst kämpft.

Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist, wie die Faust meines wahren Lebensgefährten auf meinen Kopf zurast.

***

Ich wache in einer Zelle auf. So habe ich mir den Start ins neue Jahr nicht vorgestellt. Und auch meine Heimkehr habe ich mir anders ausgemalt.

Ich sollte Kakao mit meiner Familie trinken. Ich sollte mit meinem Gefährten am Feuer kuscheln.

Stattdessen bin ich mit Silberfesseln in einem Kerker gefesselt.

Die Ketten erinnern mich sofort an die Zeit bei den Jägern. Ich versuche die Erinnerungen zu verdrängen, aber sie werden sofort zurückgeflutet.

Die Folter.

Der Hohn und Missbrauch.

Die endlosen Experimente.

Das Silber, das meine Handgelenke und Fußgelenke verbrennt, wenn ich mich gegen die Fesseln wehre.

In mir drin heult meine Wölfin und ich möchte schreien.

Es scheint, dass meine Heilkraft wieder einmal nicht funktioniert.

Ich verstehe immer noch nicht, wie das mit dem Heilen geht, aber es scheint an bestimmte Bedingungen geknüpft zu sein.

Das letzte Mal, als es nicht sofort funktionierte, habe ich die ganzen Jäger gekillt. Dieses Mal habe ich versucht, Natalia wehzutun.

Vielleicht kann ich mich selbst nicht heilen, wenn ich jemanden verletzt habe?

Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken. Mein Kopf pocht und ich bin immer noch von Xaviers Klauen verwundet.

Mein eigener Gefährte hat mich aufgeschlitzt.

Die Erinnerungen an den gestrigen Abend sind noch verschwommen, aber ich weiß, dass ich versucht habe, Natalia anzugreifen. Auch wenn sie eine fiese Bitch ist, ist sie immer noch meine Schwester.

Wie konnte ich sie nur so angreifen?

Ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Ich weiß nur, dass ich nicht ich selbst war.

Ich frage mich, ob das etwas mit den Jägern zu tun hat …

Was haben sie und die Experimente mit mir gemacht? Curt hat immer gesagt, ich wäre sein bestes Testobjekt.

Vielleicht haben sie ein Monster erschaffen … und das Monster bin ich.

Meine Arme werden taub, weil sie so unnatürlich in den Ketten hängen. Ich bin schon die ganze Nacht hier und niemand hat nach mir gesehen.

Was muss das Rudel denken, nachdem es gesehen hat, wie ich Amok gelaufen bin? Ich frage mich, was Fate, mein Schicksal, plant.

Fate.

Plötzlich erinnere ich mich daran, dass Selene gesagt hat, dass ihre Schwester, Fate, schon mal Selenes Pläne durchkreuzt hat. Steckt Fate hinter dem Ganzen?

Göttin, wieso hast du mich hierher zurückgebracht? Um meinen Gefährten zu finden, hast du gesagt. Tja, ich hab ihn gefunden und er ist mit meiner Schwester vermählt und die will mich vermutlich tot sehen.

Das alles kommt mir wie ein kranker Witz vor.

Oben an der Treppe höre ich die Tür zu meiner Zelle quietschen. Ist wahrscheinlich Xavier, der kommt, um mich – seine wahre Lebensgefährtin – zu exekutieren.

Doch dann sehe ich meinen Dad die Treppe heruntereilen und mir schießen Tränen in die Augen. Er reißt mich in die Arme, kämpft mit den Tränen.

„Dad … nicht … das Silber. Du verbrennst dich“, schluchze ich.

„Ist mir egal“, sagt er und streichelt mir übers Haar. „Meine kleine Kriegerin … es tut mir so leid. Ich ertrage es nicht, dich so zu sehen.“

„Was passiert jetzt mit mir?“, frage ich. „Hat Xavier etwas gesagt?“

Ich habe nicht nur meine Schwester attackiert, sondern die Luna. Und die ist schwanger mit dem Alpha-Erben. Schlimmer kann es nicht werden.

„Du trägst keine Schuld“, sagt er und sieht mich mit seinen gelben Augen eindringlich an.

„Du hattest gerade deinen wahren Gefährten gefunden und deine Wölfin wollte diesen Gefährten instinktiv für sich einfordern. Das hat jeder gesehen. Es war eine normale Verteidigungsreaktion für eine Wölfin.“

Ich weiß, dass es viel mehr als das war, und er weiß es auch. Meine Reaktion war alles andere als normal. Ich bin nur froh, dass Dad auf meiner Seite ist.

„Wie geht es Natalia?“, frage ich schuldbewusst.

„Deine Mutter kümmert sich um sie. Sie ist aufgewühlt, aber ihr und dem Baby geht es gut.“

„Dad, warum passiert mir das?“, frage ich und Tränen rollen mir über die Wangen. „Ich wollte das alles nicht. Ich wollte einfach nur nach Hause kommen.“

„Ich weiß, kleine Kriegerin, ich weiß“, sagt er und küsst mich auf die Stirn. „Ich liebe dich. Gib die Hoffnung nicht auf. Alles wird gut.“

Beim Anblick seines schmerzverzerrten Gesichts kann ich trotz der tröstenden Worte nicht wirklich Hoffnung schöpfen.

Göttin – Selene – bitte, falls du dies hörst … gib mir Kraft.

***

Dad hat Xavier zu einer Rudelversammlung überredet, auf der er meine Strafe verkünden wird.

Ich weiß, dass ich nicht glimpflich davonkommen werden, aber die Tatsache, dass ich seine wahre Lebensgefährtin bin, mildert den Schlag vielleicht etwas ab.

Amy lässt mich bei ihr Zuhause duschen und fertig machen für das Gericht. Ihr Gesicht sieht rot und geschwollen aus, als hätte sie die ganze Nacht lang geweint.

„Ich kann dich nicht wieder verlieren“, sagt sie, als ich ein frisches T-Shirt und eine Jeans anziehe. „Du bist gerade erst wieder da.“

„Egal, was passiert, du wirst mich nie verlieren“, sage ich und setze mich neben sie aufs Bett. „Du wirst immer meine beste Freundin sein.“

Wieso beruhige ich sie? Ich bin die vor Gericht.

Vielleicht hat die Göttin mir tatsächlich ein bisschen Kraft gegeben.

„Das ist doch alles Scheiße“, sagt Amy, deren Trauer in Wut übergeht. „Er ist dein Gefährte. Du hattest jedes Recht, ihn dir zurückzuholen.“

„Ich glaube nicht, dass Xavier oder Natalia das so sehen“, sage ich, lasse mich zurück auf die Matratze fallen und starre die Decke an.

„Ich bin der Eindringling, nicht sie. Wahrscheinlich wünschen sich alle, ich wäre bei den Jägern geblieben.“

„Sag sowas nicht!“, ruft Amy und gibt mir einen Klaps. „Du hast so viel durchgemacht. Jeder weiß das. Xavier muss das berücksichtigen.“

Ich höre ein leises Klopfen an der Tür. James öffnet sie und kommt herein. Ich erwarte schon, dass er mich in Ketten legt, doch stattdessen umarmt er mich fest wie ein Bär.

„Ich habe verlangt, dass ich dich zum Gericht begleite“, sagt er und lässt endlich los. „Das ist alles wirklich vertrackt. Aber denk dran, die ganze Truppe steht hinter dir, zu hundert Prozent.“

Ich bin berührt von James Worten. Vielleicht gibt es doch noch ein paar Leute, die für mich kämpfen.

„Bist du bereit?“, fragt er zögerlich.

Ich atme tief durch und nicke. „Los geht’s.“

Ich weiß nicht, was Fate oder Selene für mich vorsehen, aber ich werde es bald herausfinden.

***

Erhobenen Hauptes schreite ich durch die sich teilende Menge auf Xavier und Natalia am Kopf des Rudels zu. Sie wird von mehreren Personenschützern umringt, was verständlich ist.

Dad und Mom stehen etwas abseits, obwohl Mom sich weigert, mich anzusehen.

Als ich vor Xavier stehen bleibe, sehe ich ihm direkt in die Augen. Es ist mir egal, ob er mein Gefährte oder Alpha ist; ich werde mich nicht wie eine unterwürfige Tussi benehmen.

Meine alte Truppe steht grimmig mit den anderen Kriegern hinter Xavier und James lächelt mir aufmunternd zu.

Knurrend beginnt Xavier zu sprechen. „Ariel Thomas, du stehst heute vor deinem Alpha und Rudel, um dich für deine Verbrechen zu verantworten.“

Die Stimme meines Gefährten ist emotionslos. Für mich bestimmt oder nicht, er empfindet keine Liebe für mich.

„Du hast deine Luna attackiert, die mit meinem Sohn schwanger ist“, sagt Xavier kaltherzig.

„Dies kann allerdings deine Wölfin gewesen sein, die ihren Gefährten für sich beansprucht hat. Es ist ein natürliches Verhalten von Wölfinnen, sich zu holen, was gemäß der Göttin ihnen gehört.“

Ich spüre eine riesige Welle der Erleichterung. Vielleicht bin ich Xavier doch nicht so egal?

„Aber ich gehöre nicht dir“, sagt er mit zusammengekniffenen Augen.

Meine Erleichterung verwandelt sich augenblicklich in Furcht.

„Ich weise dich als meine Gefährtin und Luna zurück“, sagt er kaltherzig und ohne mit der Wimper zu zucken.

Ein stechender Schmerz jagt mir durchs Bein und ich heule auf, als ich auf dem Boden zusammensacke.

Natalia grinst mich an, genießt es, mich an meinem absoluten Tiefpunkt zu sehen. Zum Glück muss ich dieses Grinsen nicht lange ertragen, da ich nur noch verschwommen sehe.

„Hiermit bist du für immer aus dem Crescent Moon Rudel verbannt. Falls du zurückkommst, wirst du getötet.“ Xaviers Stimme klingt weit entfernt und dumpf.

Ich wurde jahrelang gefoltert und für Tests missbraucht, und trotzdem habe ich noch nie solche Schmerzen gespürt wie jetzt.

Es fühlt sich an, als hätte man mir das Herz aus der Brust gerissen.

Meine Gefährtenverbindung ist zerbrochen.

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