Die Untamed Serie

„Cora! Hörst du mich?“

Es ist mein Bruder Luca. Seine durchscheinende Gestalt steht in meinem Laden. Ich habe nicht einmal Zeit, die Tür abzuschließen. Er hat meine volle Aufmerksamkeit. Ich weiß, dass es ihm schwerfällt, mich zu finden.

„Luca, ich höre dich. Was ist los?“

Er sieht schwach aus. „Der Hexenzirkel ist hinter dir her, Cora. Du musst dich verstecken.“

Das ist gar nicht gut. Am liebsten würde ich ihn fragen, woher er das weiß und was er sonst noch weiß. Aber ich sehe schon, wie er verblasst. „Ich hab dich verstanden“, sage ich. „Halt durch. Ich habe dich nicht vergessen.“

„Ich weiß. Mir geht's gut.“

Offensichtlich stimmt das nicht. Dann verschwindet er. Es ist so schnell vorbei. Ich versuche zu begreifen, was gerade passiert ist. Er wäre nicht gekommen, um es mir zu sagen, wenn er nicht glauben würde, dass es stimmt, dass der Rat nach mir sucht. Seit fast zwanzig Jahren bin ich auf der Flucht und seit fast drei Jahren in Kalifornien. Bisher konnte ich mich vor dem Rat verstecken.

Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mich finden.

Angst macht sich in mir breit. Was, wenn sie in der Nähe sind? Vielleicht ist es Zeit, mit dem Weglaufen aufzuhören? Dafür bräuchte ich mehr Geld.

Die Ladenglocke klingelt und kündigt einen Kunden an. Ich setze ein Lächeln auf und tue so, als wäre ich nicht um meinen Bruder und meine Zukunft besorgt. Ich wünschte, ich hätte ihn früher retten können.

Eine alte Frau, die ich nicht kenne, betrachtet die Regale mit Vasen, bevor sie mich schließlich bemerkt. Für die meisten Leute ist mein Laden ein Blumenladen. Meine speziellen Kunden wissen von den weniger üblichen Dingen, die im Hinterzimmer verkauft werden. Ich verkaufe an Leute wie mich, an Hexen und sogar ein paar Fee.

Ich wusste in dem Moment, als sie hereinkam, was sie war. Ihre Magie ist viel dunkler als meine eigene, aber ich urteile nicht.

„Kann ich Ihnen bei der Suche nach etwas helfen?“

Ihre Lippen kräuseln sich zu einem bösen Lächeln. „Mir wurde gesagt, Sie hätten Belladonna, Schierling und Eisenhut.“

Ihre raue, kratzige Stimme lässt mich erschaudern. Ich glaube nicht, dass sie mir gewachsen wäre, aber sie macht mich nervös.

Ich halte meine Stimme ruhig. „Tut mir leid, aber so etwas führen wir hier nicht. Ich glaube, es gibt einen speziellen Laden in der West Sixth Street, der haben könnte, was Sie suchen.“

Ihr Lächeln verschwindet. Sie nickt kurz, bevor sie geht.

Ich habe gelogen. Ich habe genau das, wonach sie gefragt hat, aber diese drei Dinge werden verwendet, um Werwölfe zu betäuben und zu töten. Das ist etwas, das ich nicht zulasse. Ich weiß, dass die meisten Wölfe mich ohne zu zögern töten würden, nur weil ich eine Hexe bin, aber ich bin nicht bereit, ihnen das Gleiche anzutun.

Ich habe schon mit mehreren Rudeln zusammengearbeitet, habe Heilhilfe angeboten und sogar bei der Fortpflanzung geholfen. In meinen Augen sind die Wölfe und Vampire nicht anders als die Hexen und Menschen. Es gibt Gute und Böse unter uns allen. Das ist nicht auf eine bestimmte Rasse beschränkt.

Es ist heute ruhig. Ich könnte genauso gut früher schließen. Ich beginne aufzuräumen, als die Glocke wieder klingelt. Der Duft von Zeder und Zimt erfüllt den ganzen Laden.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Ich beobachte die Bewegungen des Mannes, als er auf den Tresen vor mir zugeht.

„Sie sind die Hexe, die dem North Ridge Rudel geholfen hat, nicht wahr?“

Ich hebe eine Augenbraue und lächle, um ihm zu zeigen, dass er Recht hat. Er weiß genau, wer ich bin, aber Wölfe lieben ihre Spielchen.

„Und was führt Sie her?“

Seine Lippen kräuseln sich, während seine Augen mich mustern.

„Wir haben ein Problem, bei dem wir Hilfe brauchen. Wenn Sie Erfolg haben, werden Sie gut bezahlt.“

Ich lehne mich gegen den hinteren Tresen und verschränke die Arme vor der Brust. Vielleicht ist das so vorgesehen. Das könnte meine Chance sein, mit dem Weglaufen aufzuhören, wenn die Bezahlung hoch genug ist. Aber ich bleibe cool. „Wenn Sie mit Alpha Reynolds gesprochen haben, dann wissen Sie, dass ich im Voraus bezahlt werden muss.“

Er greift in die Innentasche seines Anzugs und zieht einen Umschlag heraus, den er auf den Tresen legt.

„Das sind 50.000 Dollar. Wenn Sie Ihre Aufgabe erfolgreich erledigen, zahlen wir Ihnen weitere 50.000 Dollar.“

Ich lasse das sacken. „Sie sagen also 100.000 Dollar, wenn ich Erfolg habe... Erfolg womit?“

Er richtet sich auf. Das lässt seine ohnehin schon sehr große Statur noch einschüchternder wirken.

„Mein Alpha braucht einen Gefährten, um ein Kind zu bekommen. Sein Vater hat die Ehe arrangiert. Wir brauchen Ihre Hilfe, um eine falsche Verbindung zu erschaffen. Sie muss stark genug sein, damit sie in Hitze kommt, sobald sie sich paaren.“

Das wird nicht einfach sein. Aber ich kann es schaffen.

„Also gut, 100.000 Dollar für eine falsche Verbindung?“

Er nickt und schiebt den Umschlag näher zu mir. „Wir kümmern uns auch um Reise, Unterkunft und Verpflegung. Wir brauchen Sie bei uns, wenn das in Ordnung ist. Und wir brauchen Sie, um darüber zu schweigen. Besonders gegenüber dem Hexenzirkel.“

„Kein Problem.“ Ich greife nach dem Umschlag und lege ihn auf den Tresen hinter mir. Es ist viel zu viel Geld für diese Art von Job, aber ein Teil davon ist für mein Schweigen. Damit kann ich leben.

Ich denke bereits darüber nach, wie ich mit einem Teil dieses Geldes Darius anheuern könnte, um mir bei der Suche nach Luca zu helfen. Ich mag es nicht, bei den Wölfen zu bleiben, aber ich verstehe, dass man eine Hexe in der Nähe haben will, bis die Arbeit erledigt ist, wenn man sie engagiert.

„Wie schnell muss die Verbindung hergestellt werden?“ Ich kann den zufriedenen Blick in seinen Augen sehen, als er merkt, dass ich zustimme, das zu tun, worum er gebeten hat.

„Fünf Wochen. Wann können Sie anfangen?“

„Lassen Sie mich ein paar Sachen holen, dann können wir los.“ Es dauert weniger als zehn Minuten, um die notwendigen Dinge in meine Tasche zu werfen, mein Zauberbuch zu schnappen und in den vorderen Teil des Ladens zurückzukehren, wo der Wolf mit einem seltsamen Gesichtsausdruck steht.

„Führen Sie den Weg.“

Er tut so, als wolle er etwas sagen, schüttelt dann aber nur den Kopf.

Ich achte darauf, beim Verlassen abzuschließen. Er steht neben einem schwarzen Luxuswagen und hält mir die Tür auf.

„Wir werden fahren, also wird es etwa einen Tag dauern, bis wir dort sind.“

Ich steige in das Auto, und er gleitet neben mir hinein, setzt sich so nah wie möglich an die Tür. Das Auto fährt los, und ich atme tief durch, bevor ich mich in meinen Sitz setze und mich mental auf die lange Fahrt vorbereite.

Wenn ich diesen Job erledigen kann, werde ich genug Geld haben, um mich mindestens ein paar Jahre zu verstecken. Ich brauche diesen Job, damit er klappt.