Brittany Carter
LUTHER
„Ja, der Vertrag muss festlegen, dass beide Seiten ihn jederzeit kündigen können. Nein, daran lässt sich nichts ändern. Ich zwinge niemanden zu etwas, verstanden? Das ist für uns beide von Vorteil, mehr nicht.“
„Alles klar. Gib mir Bescheid, wenn die Anwälte damit durch sind. Ja, okay. Mach's gut.“
Ich legte mein Handy auf die Theke und rieb mir übers Gesicht. Ich war schon um sechs Uhr morgens aufgewacht, hörte Aaron im Gästezimmer schnarchen und das Meeresrauschen durch die offene Balkontür.
Aaron tappte gegen zehn in die Küche. „Wie lange bist du schon auf den Beinen?“, fragte er und schnappte sich den Orangensaft aus dem Kühlschrank, um direkt aus der Flasche zu trinken.
„Lass das“, meckerte ich genervt.
„Nun mach mal halblang“, murmelte er und suchte nach einem Glas. „Heute gibt's ein Beachvolleyball-Spiel. Lust mitzukommen?“
Ich versuchte, nicht mit den Augen zu rollen. „Siehst du nicht, dass ich arbeite?“
Er verzog das Gesicht, während er Eier und Würstchen aus dem Kühlschrank holte. „Ich mache uns Frühstück.“
Ich widersprach nicht. Der Kaffee zum Frühstück war alle, und langsam knurrte mein Magen.
Lilly kam gerade heraus, als Aaron mit dem Kochen fertig war. Sie trug ein Strandkleid über ihrem Badeanzug und hatte ihre Haare hochgesteckt.
Aaron pfiff anerkennend, und ich spürte, wie sich meine Hände zu Fäusten ballten. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich jedes Mal die Beherrschung verlor, wenn die beiden sich ansahen. Ich hatte mich gestern Abend daneben benommen; da musste ich nicht auch noch eifersüchtig sein.
Ich räusperte mich und nahm einen Teller mit Essen von meinem Bruder entgegen, ohne Lilly anzusehen.
„Ich habe dir auch einen Teller gemacht“, sagte Aaron zu ihr. „Hast du Lust auf Volleyball heute? Du hast doch in der Oberstufe gespielt, oder?“
Lilly biss sich auf die Lippe. „Ja, ein bisschen. Danke.“ Sie nahm den Teller und setzte sich an den Esstisch.
Aaron setzte sich ihr gegenüber. „Also, was meinst du? Bist du dabei?“
Sie lächelte. „Ich weiß nicht. Ist schon eine Weile her.“
Mir behagte der Gedanke nicht, dass sie den Tag mit meinem Bruder verbringen würde. Ich nahm einen großen Bissen von der Wurst und hoffte, sie würde ablehnen.
„Ach komm schon“, drängte Aaron.
Lilly kaute nachdenklich an ihren Eiern. „Warum nicht, könnte Spaß machen. Ja, ich bin dabei.“
Aaron streckte triumphierend die Arme in die Luft. „Klasse!“, rief er. „Luther ist zu sehr damit beschäftigt, erwachsen zu sein, um mitzumachen. Wer hätte gedacht, dass Reichsein so viel Arbeit macht?“
Lilly lachte. „Du magst kein Volleyball?“, fragte sie mich.
„Ich habe nichts dagegen. Bin nur beschäftigt“, sagte ich steif.
„Lilly war ziemlich gut, soweit ich mich erinnere“, sagte Aaron kauend. „Du verpasst was.“
„Er muss nicht mitkommen, wenn er zu viel zu tun hat“, sagte Lilly. „Luther scheint Volleyball nicht besonders zu mögen.“
Aaron grinste mich über sein Essen hinweg an.
Ich fuhr mit der Zunge über meine Zähne. „Ich bin gut in Sport“, erwiderte ich.
„Das bestreite ich ja gar nicht“, meinte sie und trank den Orangensaft, den Aaron ihr gegeben hatte. „Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass du Volleyball besonders magst. Reg dich nicht auf.“
„Ich rege mich nicht auf“, sagte ich leise, ohne sie anzusehen. Ich fühlte mich wie ein Kleinkind. Normalerweise ging es mir nicht so. Plötzlich beschloss ich, meinen Laptop zuzuklappen. „Ich komme mit.“
Aaron sah überrascht aus. „Sieh mal einer an. Sag ihm, er sei nicht gut im Sport, und schon will er mitspielen.“
„Lass den Quatsch“, gab ich zurück.
Aaron lachte, während Lilly mir ein freundliches Lächeln schenkte. Ihr neckischer Blick ließ mich warm werden.
Was auch immer sie gestern Abend traurig gemacht hatte, es schien sie jetzt nicht mehr zu belasten. Sie behandelte mich wie vorher. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich dasselbe tun konnte.
Ich musste ständig an Lillys alten Schwarm denken. Ihre Träume. Die Dinge, die sie wollte, dass ich mit ihr tue. Die Dinge, die ich jetzt tun wollte.
Plötzlich fühlte sich das Haus stickig an. Ich brauchte frische Luft. Ich nahm meinen Teller.
„Es wird hier drin zu heiß. Ich brauche etwas frische Luft.“
Ich spürte ihre Blicke auf mir, als ich auf die Terrasse ging und tief durchatmete.
Ich blickte auf den Ozean. Alles in mir fühlte sich angespannt an. Es war dasselbe Gefühl, das ich hatte, als ich anfing, Savannah zu mögen, und ich war nicht bereit, dass es wieder passierte.
Das würde nicht gut enden. Ich musste mich von Lilly fernhalten und einen klaren Kopf bekommen.
Aber wenn mein Bruder sie anfassen würde, könnte ich ihm vielleicht dieses Grinsen aus dem Gesicht wischen.
LILLY
Wir kamen etwas früher zum Strandturnier, also planschten Aaron und ich eine Weile im Wasser. Wir luden Luther ein mitzumachen, aber er zog es vor, am Ufer zu bleiben und sah nicht gerade begeistert aus.
Aaron spritzte mich mit Wasser an und schien Luthers schlechte Laune nicht zu bemerken, die schon den ganzen Morgen anhielt. Vielleicht war es ihm auch egal.
Ich glaube, ich hatte Luther vorher auf den Schlips getreten, als ich meinte, er sei kein großer Volleyball-Fan. Dabei wusste ich, dass er durchaus sportlich war - ich hatte ihn oben ohne gesehen und wusste, dass er früher mit meinem Bruder Football gespielt hatte. Aber Männer können bei solchen Dingen manchmal ziemlich empfindlich sein.
Ich musste innerlich schmunzeln. Luther benahm sich wie ein Dreikäsehoch, obwohl er normalerweise reifer wirkte als sein Bruder.
Ich spürte Luthers finsteren Blick auf mir, während ich im Wasser planschte.
Vielleicht hätte ich ihm nicht von meinem alten Schwarm erzählen sollen. Vielleicht hatte ich die Stimmung damit vermasselt. Aber eigentlich machte Luther es viel unangenehmer! Warum bohrte er so nach, was ich früher gedacht hatte?
Bald pfiff ein Rettungsschwimmer und rief alle zum Turnier zusammen. Das Mädchen am Anmeldetisch gab Aaron ein Klemmbrett. „Ihr braucht sechs Spieler zum Mitmachen. Wie viele seid ihr?“
Aaron zeigte auf Luther, der abseits stand und Trübsal blies, und sagte: „Wir sind zu dritt. Gibt es noch Spieler, die ein Team suchen?“
Sie wies Aaron auf drei Leute hin, die am Netz standen, zwei Jungs und ein Mädchen. Aaron lief hinüber und tippte einem der Jungs auf die Schulter, wahrscheinlich um sich vorzustellen.
Während ich am Tisch wartete, spürte ich wieder Luthers Blick auf mir. Schließlich sah ich ihn genervt an. „Was ist los?“
Er musterte meinen ganzen Körper. Ich trug einen durchsichtigen, pinken Überwurf über meinem Bikini. Normalerweise war mir schnuppe, was andere dachten, aber plötzlich wurde mir ganz warm.
„... Nichts“, sagte Luther nach einer gefühlten Ewigkeit. Er blickte zu Aaron, der mit unseren neuen Teamkollegen zurückkam.
***
Eine Stunde später waren wir an der Reihe zu spielen. Die Mädels im gegnerischen Team waren deutlich größer als ich. Nicht umsonst nennt man mich Knirps, weil ich so klein bin.
Eine Weile lang spielten hauptsächlich die Jungs. Das störte mich nicht, bis Aaron zu ehrgeizig wurde und anfing, Anweisungen zu geben.
„Luther! Du musst das Netz schützen, Mann! Und Rebecca“ - er sprach das andere Mädchen in unserem Team an - „du hättest diesen Ball blocken müssen.“
„Wer hat dich zum Teamchef ernannt?“, fragte ich. Die Sonne hatte meine Haut aufgewärmt, also zog ich meinen Überwurf aus und warf ihn in den Sand neben dem Netz, als ich mich zum Aufschlag bereit machte.
Beim nächsten Spielzug versuchte ich, nicht darauf zu achten, wie sich Luthers Rückenmuskeln bewegten, als er auf unserer Seite gut spielte. Ich ertappte mich dabei, wie ich fast genauso ins Träumen geriet wie früher in der Schule.
„Lilly!“ Aarons Ruf holte mich ins Spiel zurück, und ich sprang nach dem Ball.
Ich schlug ihn übers Netz, bevor ich hinfiel. Als ich aufstand, klopfte ich mir den Sand vom Körper und beobachtete das Spiel.
Jedes Mal, wenn Aaron meinen Namen rief, sprang ich in Aktion. Ich erinnerte mich langsam an meine Zeit im Schulteam und begann, das Spiel zu genießen.
Das heißt, bis Luther rückwärts ging und mich über den Haufen rannte.
Er drehte sich um, und ich sah seine Überraschung. Er hatte mich kein einziges Mal angesehen, seit das Spiel begonnen hatte, zu beschäftigt damit zu zeigen, was für ein toller Hecht er im Sport war, aber jetzt starrte er auf meine Brust im Bikini-Oberteil.
Er bot nicht einmal an, mir aufzuhelfen, sondern glotzte mich nur an. Ich starrte zurück.
„Luther!“, rief Aaron, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
Der Ball traf Luther am Hinterkopf, und alle lachten. Ich versuchte, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.
Aaron kam, um mir aufzuhelfen. „Mensch, Luther, wir können froh sein, dass wir so weit vorne lagen. Was ist denn in dich gefahren?“
Ich musste mich mehr anstrengen, um mich auf die letzten Punkte zu konzentrieren. Luther bewegte sich kaum. Er hatte aufgehört, dem Spiel Aufmerksamkeit zu schenken; er sah mich nur noch an und ließ mich mich seltsam fühlen.
Sobald das Spiel vorbei war, wartete ich nicht, um dem anderen Team die Hände zu schütteln; ich drehte mich um und ging schnurstracks zurück zum Haus.
***
Nachdem ich den Sand abgewaschen hatte, drehte ich mich um und sah Luther in meiner Schlafzimmertür stehen.
Er war noch verschwitzt vom Spiel und hatte sich nicht abgeduscht, bevor er ins Haus kam, was mein Bruder nicht duldete, wie ich wusste.
„Brauchst du etwas?“, fragte ich.
Luther schloss die Tür mit dem Fuß. „Wir müssen reden“, sagte er leise und ließ mich erstarren.
Die Art, wie er mich ansah, machte mich nervös. Ich zog meinen Bademantel enger, um sicherzugehen, dass ich bedeckt war, und zuckte mit den Schultern.
„Was ist los, Luther? Du benimmst dich den ganzen Tag schon seltsam, und das gefällt mir nicht. Sag mir einfach, was Sache ist-“
Sein Lachen unterbrach mich. Ich musste verstehen, warum er sich so verhielt, denn ich war völlig verwirrt. „Habe ich etwas getan, um dich zu verärgern?“, fragte ich. „Ich wollte dich nicht mit dem Volleyball aufziehen. Ich dachte nur nicht, dass du mitkommen würdest.“
Luther rieb sich mit der Hand übers Gesicht, drehte sich dann um und legte die Hände hinter den Kopf. Ich beobachtete, wie er anscheinend mit sich selbst haderte, leise vor sich hin murmelte und fluchte.
„Luther, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ich muss mich anziehen“, sagte ich und hielt meine Unterwäsche hoch.
Er sah auf die Unterwäsche und lachte diesmal lauter.
Ich war stinksauer. „Was ist bloß los mit dir?“, schrie ich.
Luther kam näher und drängte mich zwischen seinen Körper und die Kommode hinter mir. „Du bist mein Problem“, sagte er.
Ich zeigte auf mich selbst und sah ihn überrascht an. „Ich? Du bist derjenige mit dem Problem, Luther. Ich habe dir nichts getan-“
Luther unterbrach mich, indem er mich küsste, was mein Herz einen Schlag aussetzen ließ.
Ein Mississippi.
Zwei Mississippi.
Drei Mississippi.
Als mein Herz endlich wieder zu schlagen begann, wurden all meine alten Träume wahr. Ich vergrub meine Finger in seinem Haar und erwiderte seinen Kuss.