Melanie Gomez
TRICORA
Wir saßen einfach da und unterhielten uns eine gefühlte Ewigkeit. Er war mindestens 1,85 m groß, hatte tiefschwarzes Haar und so dunkle Augen, dass ich mir sicher war, dass sie schwarz waren.
Außerdem hatte er sehr breite Schultern und war unglaublich muskulös. Wenn ich doch nur seinen Duft riechen könnte … er war sicher göttlich. Da ich ein Mensch war und mich nicht mit den anderen verwandeln und mit ihnen laufen konnte, wollte er mich jetzt schon markieren. Damit wollte er mich vor Alpha Stern schützen, denn wenn dieser mich zuerst markierte, konnte Theo nichts mehr tun. Dann würde er mich gehen lassen müssen. So gerne ich auch vor meinem Gefährten gejagt worden wäre, so konnte ich seine Bedenken doch verstehen.
Wir beschlossen, dass es am besten war, einen abgelegenen Platz im Freien aufzusuchen, während seine Männer Wache hielten, nur für den Fall, dass etwas passieren würde. Wir würden unsere Paarung später vollziehen, aber für den Moment würde er mich einfach markieren. Er und seine Männer dachten, dass dies meine Wölfin zum Vorschein bringen könnte, da er der Alphakönig war, aber ich war trotzdem nervös. Was würde passieren, wenn es nicht funktionierte? Was, wenn ich einfach immer ein Mensch bleiben würde?
„Es ist mir vollkommen egal, ob du eine Wölfin bist oder nicht! Du bist meine Gefährtin, Ende der Geschichte!“
Ich starrte ihn einfach nur an, während mir die Tränen über das Gesicht liefen. Beruhigend legte er seine Hände an meine Wangen, damit ich ihn ansah, und gab mir einen Kuss. Da er so viele Emotionen in diesen einen Kuss legte wusste ich, dass er es ernst meinte.
Wir verließen sein Zimmer und das Hotel und gingen hinaus in den Wald. Seine Männer folgten uns und gemeinsam suchten wir uns einen abgelegenen Platz, weit weg von all dem Lärm. Ich beobachtete ihn, als er sich auf dem Boden an einem Baum niederließ und seine Arme hob, damit ich mich vor ihn setzen konnte.
So nervös ich auch war, ich war mir gleichzeitig auch noch nie so sicher gewesen. Dieser Mann akzeptierte mich, egal wer oder was ich war. Vielleicht spürte er, dass ich nervös war, denn er flüsterte mir einfach ins Ohr, was er an mir liebte, was mich sofort zum Lächeln brachte.
Ich spürte, wie sich etwas in mir regte, wie es sich losreißen wollte, aber etwas hielt es zurück. Ich spürte, wie sich Theos Arme um mich schlossen, als er sein Gesicht in meinen Nacken schmiegte und mich küsste, bis er genau die richtige Stelle gefunden hatte.
Ich spürte, wie er meinen Hals entlangleckte und stöhnte. Er lächelte. Seine Zähne an meinem Hals brachten mich dazu, meinen Rücken zu wölben. Dann hörte ich, wie er mir mit sanfter Stimme etwas zuflüsterte. „Denk daran, egal was passiert, ich werde dich immer lieben.“
Gerade als er seine Eckzähne in mein Fleisch vergrub, fing ich an zu schreien.
ALPHA STERN
Ich beobachtete, wie sie aus dem Hotel kamen und in den Wald gingen. Ich versuchte, so leise wie möglich zu sein und meinen Geruch zu verbergen. Ich musste nur nah genug herankommen, um sie zu markieren.
Als ich sah, wie er ihr in den Hals biss und sie schreien hörte, wusste ich, dass ich zu spät war. Wie sollte ich sie mir jetzt noch zurückholen? Schnell sprang ich auf und rannte auf die beiden zu, als seine Männer mich einholten.
„Neeeeeein!“
Schreiend ließ ich mich auf die Knie fallen, während ich sie beobachtete. Kurz darauf verwandelte sich Tricoras Schrei langsam in ein Knurren. Ich hörte Knochen brechen und wusste, dass sie dabei war, sich zu verwandeln.
Ich hätte nie gedacht, dass sie wirklich eine Wölfin in sich hatte. Zumindest nicht, bis ich herausgefunden hatte, wer sie wirklich war und eins und eins zusammengezählt hatte. Vermutlich hätten ihre Eltern sie sonst gar nicht erst bei sich aufgenommen.
Ich ließ meinen Kopf zu Boden sinken, bis ich erneut ein Knurren hörte. Offenbar war die Verwandlung abgeschlossen. Als ich aufblickte, sah ich eine unglaubliche Kreatur vor mir stehen. Eine schneeweiße Wölfin. Sie war größer als jede andere Wölfin, die ich je gesehen hatte, und starrte mich aus ihren eisblauen Augen an.
Sie hatte Markierungen an ihren Vorderbeinen und ein Brandzeichen in ihrem Fell.
Ich stand langsam auf und war beinahe erschrocken, weil sie fast so groß war wie ich. Natürlich nahm ich es der Wölfin nicht übel, als sie mich anknurrte. Ich war ein kompletter Arsch gewesen, und jetzt würde ich dafür bezahlen.
Da sie ihn noch nicht markiert hatte, war noch genug Zeit, um die Markierung abzuwenden. Ich stand immer noch wie erstarrt da, als Canton, Darren und Brianna angerannt kamen. Schnell verband ich mich in Gedanken mit meinen Männern, damit sie sich zwischen sie und den Alphakönig stellten. Als ich sie dann endlich markieren wollte, wich sie jedoch zurück.
Sobald sie sich zurückverwandelt hatte, stürzte ich mich auf sie. In diesem Moment wurde ich von meinen eigenen Männern gepackt. Was zum Teufel taten sie da?
Ich zuckte zusammen, als ich sah, wie mein Mädchen daraufhin auf den Alphakönig zuging, ihn zu sich herunterzog und die richtige Stelle an seinem Hals fand, um ihre Zähne darin zu versenken, während sie knurrte. „Du gehörst mir!“
Ich stand einfach nur mit gesenktem Kopf da. Es war so dumm von mir gewesen, dass ich ihr noch nicht einmal eine Chance gegeben hatte. Was hatte ich meinem Rudel damit nur angetan?!
ALPHAKÖNIG THEO
Als ich sah, wie sie sich verwandelte, brach es mir fast das Herz, auch wenn ich wusste, dass der Schmerz nur vorübergehend war. Als die Verwandlung abgeschlossen war und ich endlich ihre Wölfin sah, war ich völlig überwältigt. Sie war so riesig. Es war klar, dass Alphablut durch ihre Adern floss.
So eine Wölfin wie sie, mit Tätowierungen und Brandzeichen im Fell, hatte ich noch nie gesehen. Ich musste dringend ihre Familie kennenlernen, um mehr über sie und ihre Herkunft herauszufinden.
Wie ein Idiot beobachtete ich jede ihrer Bewegungen, als wäre sie eine Halluzination, die jeden Moment wieder verschwinden könnte. Ich war so in den Moment vertieft, dass sie sich zurückverwandelte, bevor ich reagieren konnte, auf mich zuging und ihre Zähne in meinem Hals versenkte.
Ich sank auf die Knie, denn das Gefühl in meinem Nacken war etwas, das ich noch nie zuvor erlebt hatte. Ich schlang meine Arme um sie und hielt mich an ihr fest.
Irgendetwas an ihr war anders, da war ich mir ganz sicher. Aber ich hatte keine Ahnung, was es war. Zum Glück konnte ich nun den Rest meines Lebens damit verbringen, ihr zu helfen, das herauszufinden. Als sie ihre Zähne wieder aus mir herauszog, ließ ich mich völlig erschöpft gegen den Baum fallen.
Sie sah Alpha Stern an, knurrte und fletschte die Zähne. Ich beobachtete, wie sie den Kopf drehte und einen Schritt auf Brianna zuging. Ich befahl meinen Männern, sie zu packen, bevor sie jemanden tötete, da ich vermutete, dass sie ihre Wölfin noch nicht gut kontrollieren konnte.
Nach einer Weile hatte ich genug Energie gesammelt, um langsam aufzustehen und sie an mich zu ziehen. Sie drückte sich eng an meine Brust, weinte und atmete meinen Geruch ein. Nun waren ihre Augen wieder vollkommen grün.
Wir atmeten gemeinsam tief durch und beschlossen, wieder ins Hotel zu gehen, um uns zu auszuruhen. Als wir uns auf den Weg machten, kam ihre Freundin Tara angerannt und sagte, dass sie sich in Gedanken mit Tricoras Vater verbunden hatte und er bereits auf dem Weg zu uns war.
Da ihre Wölfin, Jenna, nicht wollte, dass Tara wieder ging, begleitete sie uns in Richtung Hotel.
Kurz darauf betraten wir mein Zimmer. Ich ließ mich auf einen Sessel plumpsen, bevor Tricora auf meinen Schoß kroch. Ihre Wölfin war verängstigt und verstand nicht, was vor sich ging, und ich konnte es ihr nicht verdenken.
Wenn man so lange eingesperrt gewesen war, war das nur verständlich. Ich hoffte nur, dass ihre Eltern vielleicht ein paar Informationen für uns hätten.
Als Tara sich neben uns setzte, streckte mein kleines Kätzchen direkt ihre Hand aus, um die ihrer Freundin zu halten.
TARA
Ich war gerade in eine Unterhaltung vertieft, als ich einen Schrei hörte und ihn als den von Cora erkannte. Meine Wölfin Ava flippte aus, weil wir beide keine Ahnung hatten, was passiert war. Sofort rannte ich in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, und als ich näherkam, sah ich eine riesige weiße Wölfin. Ava wusste sofort, wer das war.
Schnell verband ich mich in Gedanken mit Coras Vater und schickte ihm zusätzlich noch ein Bild der Wölfin. Er antwortete bereits ein paar Sekunden später, dass sie auf dem Weg seien, und trennte die Gedankenverbindung. Sie würden in etwa zwanzig Minuten hier sein. Zum Glück fand die Veranstaltung dieses Jahr in der Nähe unseres Rudels statt.
Ich wollte gerade zu ihnen gehen, als sie sich auf den Weg zurück zum Hotel machten. Gemeinsam gingen wir in das Zimmer des Alphakönigs, und ich setzte mich neben sie und hielt ihre Hand. Ich konnte spüren, dass ihre Wölfin wie versteinert war. Normalerweise verwandelten wir uns mit etwa achtzehn Jahren. Bei diesem Ritual hatte man Personen um sich, die man kannte und es wurde auch immer dafür gesorgt, dass die Umgebung einem vertraut war. Cora hatte ihren Gefährten gerade erst kennengelernt, kannte sich hier nicht aus, und war fast vierundzwanzig Jahre alt.
Wir warteten etwa zwanzig Minuten lang, bis die Tür aufflog und ein lautes Knurren ertönte.
„Es ist alles okay! Es ist alles okay! Das sind nur ihre Eltern und Brüder! Ich habe sie per Gedankenübertragung herbeigeholt!“
Als Tricora ihre Familie sah, sprang sie auf, rannte zu ihrem Vater und warf sich in seine Arme. Der arme Theo versuchte ebenfalls aufzustehen, aber seine Männer mussten ihn stützen, weil er offenbar keine Kraft mehr hatte und vollkommen erschöpft war. Alpha Cannon übergab sie an ihre Brüder, als er zum Alphakönig hinüberging.
„Was genau ist hier los?“ Cannon sah sich fragend um.
„Sie hat mich markiert, und es ist, als hätte ich dadurch jegliche Energie verloren!“, antwortete Theo. „Das verstehe ich nicht. Sie ist meine Gefährtin und ich habe noch nie gehört, dass so etwas passiert!“
„Sie ist keine normale Wölfin. In ihren Adern fließt Alphablut und sie hat eisblaue Augen. Außerdem haben sich ihre Tattoos in ihr Wolfsfell übertragen. Weißt du etwas darüber?“
„Nein, nein ... im Waisenhaus hat man uns nichts gesagt, aber wir hatten schon das Gefühl, dass es etwas gibt, was sie uns nicht sagen. Ich muss zugeben, dass ich auch etwas ratlos bin“, antwortete Cannon.
„Das Waisenhaus hat uns gebeten, sie zu adoptieren. Wir waren auf der Suche nach einer Tochter, die wir adoptieren konnten, und das Waisenhaus wollte unbedingt, dass wir sie nehmen.“
Nachdem sie von ihrer Mutter und ihren Brüdern umarmt worden war, ging sie zurück zu Theo und kroch wieder auf seinen Schoß, um einzuschlafen. Er legte seinen Arm um sie und versuchte, sich ebenfalls auszuruhen, um wieder zu Kräften zu kommen.
Ihre Brüder telefonierten und bestellten etwas zu essen für alle, vor allem für Theo, der dringend wieder zu Kräften kommen musste.
Wir mussten dringen dem Waisenhaus einen Besuch abstatten. Irgendjemand sollte besser anfangen zu reden, und zwar schnell!