
Die Ultimate-Serie Buch 1: Feral
Daylin soll sterben – und es stört sie nicht im Geringsten. Schließlich hat sie den Strick verdient. Doch ein charmanter, machthungriger Fremder sieht in ihr mehr als nur eine Leiche. Er bietet ihr ein neues Schicksal an: Hilf ihm, die Herrscher der Welt niederzubrennen, und er schenkt ihr im Gegenzug das Leben. Klingt fair.
Jetzt ist sie frei. Zumindest irgendwie. Gebunden nur an ihren Ehrgeiz und einen Pakt mit einem Mann, der einen Thron will, ist Daylin kein Bauernopfer – sie ist der Joker. Sie ist chaotisch, reuelos und beängstigend gut in Rache. Während er das lange Spiel spielt, hat sie ihre eigenen Regeln. Zusammen sind sie nicht nur gefährlich.
Sie sind unaufhaltsam.
Wo alles endet
Buch 1: Feral
Nichts schien lauter als die Stille. Sie ließ die Stimmen in meinem Kopf wie wild toben.
Ich wusste nicht, woher sie kamen. Waren es meine dunkelsten Gelüste oder nur ein weiterer Fluch, den Myrin mir auferlegt hatte?
So oder so würde ich ihnen nicht mehr lange zuhören müssen. Mit jedem schweren Atemzug kam ich meinem Ende näher.
Es war stockfinster in meiner eisernen Kiste, eng und drückend. Trotzdem war es besser als der Knast, in dem ich monatelang gequält worden war.
Die eiskalten Metallketten umschlangen meinen Körper und hielten meine Arme fest an meinen Seiten. Meine Fußgelenke steckten in Metallfesseln mit einer dünnen Kette dazwischen, während ein schwerer Drahtkorb mein Gesicht bedeckte.
Er passte nicht richtig und die Riemen schnitten in meine Wangen. Trotzdem ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr.
Ausnahmsweise war das Gift in meinen Adern ruhig. Ich fing an, leise vor mich hin zu summen, was die Stimmen in meinem Kopf verstummen ließ.
Einige von ihnen stimmten mit ein. Andere wurden mucksmäuschenstill.
„Sie singt schon wieder.“
Ich spitzte meine Ohren. Das klang zu echt, um eine der Stimmen in meinem Kopf zu sein.
Sie waren gekommen, um mich zu retten. Schlussendlich.
„Verdammtes gruseliges Miststück.“
Es waren zwei Stimmen. Ja, es war so weit. Sie hatten Leute geschickt, um mich zu holen.
Die Tür öffnete sich mit einem lauten Quietschen, Metall auf Metall, wie Nägel auf Knochen. Oder waren es Zähne?
Meine eiserne Kiste öffnete sich und drei Steinwände begrüßten mich. Ich blinzelte, um mich an die dunkle, feuchte Zelle zu gewöhnen.
Meine nackten Füße berührten den Zementboden, als ich aus der Eisenkiste trat. Die Ketten an meinen Fußgelenken klirrten auf dem Boden. Mein Blut hatte den Boden mit der Zeit pechschwarz gefärbt.
Hier und da glänzten silberne Flecken. Die Ketten, die von der Decke hingen, schwangen noch immer sanft hin und her, waren nun aber leer.
Doch die Erinnerungen daran hatten sich wie Phantomschmerzen in meine Haut eingebrannt. Meine Kämpfe waren dauerhaft in meine Handgelenke eingraviert, von den vielen Malen, als sie bei seinen Grausamkeiten in meine Haut geschnitten hatten.
Es war laut gewesen, zwischen diesen vier Wänden. Schreie. Immerzu Schreie. Aber jetzt war da nichts mehr. Nur noch Stille.
Ich hatte hier geblutet. Geheult. War gebrochen worden. Wie langweilig.
Ich konnte die Angst nicht mehr verstehen, die mich einst in ihren Klauen gehalten hatte. Vielleicht waren mit meinem Verstand auch meine Gefühle verloren gegangen.
Ich spürte nicht einmal mehr Wut, obwohl sie jahrelang meine beste Freundin gewesen war. Das Einzige, was in mir übrig geblieben war, war gähnende Leere.
Vor mir standen drei Zeta-Agenten, schwarz wie die Nacht, in voller Montur. Schutzwesten, Helme mit dunklen Visieren und Bein- und Armschienen bedeckten ihre riesigen Körper.
Sie gingen bei mir auf Nummer sicher. Ihre Waffen – eine Mischung aus Betäubungsgewehren und Elektroschockern – waren an ihren Hüften und ihren Rücken befestigt.
Hinter ihnen stand Samson mit verschränkten Armen und beobachtete die Szene. Er war zum Chef des High Lake Gebiets aufgestiegen, aber ich wusste nur, dass er früher Myrins rechte Hand gewesen war.
Sein Blick blieb an den hässlichen Narben hängen, die wie gezackte Buchstaben in meinen Bauch geritzt waren.
Seine Augen klebten förmlich daran, unfähig wegzusehen. Als würden die Narben sich bewegen, lebendig werden und versuchen, ihn zu verschlingen. Fast hätte ich gelacht.
Dann blickte er auf und bemerkte, wie ich ihn anstarrte. Ich sah, wie er erschauderte. Weichei. Genau wie die anderen.
Sie waren allesamt Waschlappen. Man konnte es förmlich riechen – es war ein scharfer, bitterer Geruch, der mit Angst vermischt war. Köstlich.
„Bringt sie in den Wagen“, sagte Samson mit einer Stimme, die angespannter klang, als er beabsichtigte. „Drei Wachen müssen immerzu bei ihr sein. Sie darf nicht unterschätzt werden.“
Die Zeta-Agenten bewegten sich flink und überprüften, ob die Ketten an meinem Körper fest genug saßen. Dann führten sie mich durch die Gänge von Myrins Haus – welches nun das von Samson war.
Ich hatte ihren Anführer umgebracht, genau hier auf diesem Boden. Myrin, dieser verrückte Wissenschaftler, hatte einen viel zu leichten Tod gefunden.
Ich hätte ihn Stück für Stück über Monate hinweg auseinandernehmen sollen, so wie er es mit mir getan hatte. Sein Tod spielte sich in meinem Kopf immer wieder ab.
Sein Blut bedeckte noch immer meine Hände, wenn auch längst getrocknet und hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf meiner Haut, das ich nur zu gern weggekratzt hätte. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie es frisch von meiner Hand getropft und auf den weiß-goldenen Boden gespritzt war.
Eine Pfütze klebrig-roter Flüssigkeit hatte sich von Myrins Hals aus ausgebreitet und den Boden mit ihrer dunklen Schönheit bedeckt. Sein Körper hatte unter meinen Füßen gelegen, während ich auf seiner Brust gesessen hatte.
Meine Zehen hatten sich in die Haut unter seinen Schlüsselbeinen eingegraben und mein ungleichmäßig geschnittener Pony hatte meine Wimpern berührt, von deren Spitze Blut getropft war.
Ich atmete zufrieden aus und genoss die Erinnerung, während ich aus dem Haus gebracht wurde.
„Sie ist verdammt ekelhaft ... hat immer noch Teile von ihm an sich ...“, murmelte ein Zeta-Agent, als er mich in das gepanzerte Fahrzeug hievte.
Ein anderer Agent im Inneren zog mich hoch.
„Halt die Klappe“, zischte er. „Wir werden sie vor der Verhandlung mit Wasser abspritzen.“
Myrins Fleisch, das noch immer unter meinen Nägeln klebte, war schon seit einiger Zeit dort. Abgesehen von dem beißenden Geruch des Urins, der meine zerrissene Kleidung durchtränkte, war das wahrscheinlich der Grund, warum ich so übel roch.
Gut so. Ich würde es verrotten lassen. Er hatte es verdient, unter meinen Nägeln zu verwesen.
Ich wurde in eine sitzende Position gezwungen und mit den an den Wänden des Fahrzeugs befestigten Fesseln zusätzlich fixiert. Ich starrte sie durch den Drahtkorb auf meinem Gesicht an, meine Augen wanderten langsam von einem Agenten zum nächsten, beobachtend. Starrend.
Sie schienen sich mächtig unbehaglich zu fühlen, ihre Anspannung zeigte sich in jeder ruckartigen Bewegung. Als die gepanzerten Türen hinter mir zuschlugen und mich einschlossen, stimmte ich leise das Lied von vorhin an.
Ich konnte spüren, wie sich das Unbehagen durch die Wachen zog, auch ohne ihre Gesichter zu sehen. Sie wussten, dass es besser war, keine Angst zu zeigen.
Aber ich musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie da war. Ich konnte sie riechen – dick, sauer und erstickend.
Keiner von ihnen sprach ein Wort, aber die Stimmen in meinem Kopf unterhielten sich gern mit mir.
Spielte es überhaupt eine Rolle? Ich würde ohnehin bald sterben. Warum musste ich das also entscheiden?
Einfach.
Der Tod war einfach. Wenn ich einfach aufhörte zu existieren, würde all das verschwinden. Würde mir jemals so etwas gewährt werden?
Ich hatte im Laufe meines Lebens mehrfach den Tod verdient, doch er war mir verwehrt geblieben. Es war, als wäre mir die Leichtigkeit und der Frieden des Todes nicht gestattet.
Was bedeutete das dann für mich? Wenn ich nicht sterben sollte, was blieb mir dann noch? Ich konnte keinen weiteren Myrin ertragen.
Ich würde das kein zweites Mal überleben. Selbst wenn der Tod nicht das Ende wäre, wären es mein kaputter Verstand, mein gebrochener Wille und meine leere Seele. Die Person, die ich war, würde einfach verschwinden.
Ich wäre gezwungen, jemand anderes zu werden, etwas anderes. Das an sich war bereits eine Art Tod, vermutete ich.
Die Stimmen hörten nicht auf, mich mit weiteren dummen Fragen zu nerven, bis ich in einen leichten Schlaf fiel. Nur Sekunden später zuckten mein Körper und meine Muskeln, als Reaktion auf den starken Stromschlag.
Ich riss meinen Kopf zur Seite, die Oberlippe kräuselte sich zu einem animalischen Knurren, um den Mistkerl zu warnen, der den Elektroschocker auf mich gerichtet hatte. Er zuckte zurück. Als er sich jedoch daran erinnerte, dass er eigentlich derjenige sein sollte, der Angst einflößen sollte, hob er seinen Stab erneut.
„Beweg dich“, bellte er und versuchte dabei, hart zu klingen. Seine Stimme zitterte nur ein wenig.
Nicht genug, um mich zufriedenzustellen, aber genug, um es zu bemerken. Ich grinste höhnisch, meine sehr scharfen Zähne wurden vom Gesichtsschutz zurückgehalten.
Die Ketten klirrten, schwer an meinen Handgelenken, Fußgelenken und meinem Hals. Die Metallglieder waren wie ein Teil meines Körpers geworden, immer da, immer kontrollierend, immer daran erinnernd, wo mein Platz war. Zumindest versuchten sie es.
Ich ging langsam vorwärts und ließ mich wie einen Hund mitziehen. Sie brachten mich die breiten, nicht enden wollenden Steinstufen hinauf.
Ich blinzelte gegen den hellen Himmel und kniff die Augen zusammen, als ich das riesige Gebäude vor mir sah. Gewaltige Säulen, weiß und makellos, ragten in den Himmel.
Der Baustil war kalt und einschüchternd, als könnte er dich zermalmen, wenn du zu lange hinschaust. Er sollte Angst einflößen. Ha. Nichts konnte mir noch Angst machen.
Überall wimmelte es von Zeta-Agenten, die wie Ameisen umherwuselten. Alle in Schwarz, alle bewaffnet, alle bereit, mich oder die aufgebrachte Menge aufzuhalten.
Absperrungen säumten die Stufen und bildeten einen Abstand zwischen mir und dem wütenden Meer aus Körpern. Sie riefen Beleidigungen und hasserfüllte Worte; sie forderten meinen Tod und buhten mich aus.
Sie warfen mit Steinen, Müll, allem, was sie in die Hände bekamen. Verfaultes Essen landete neben meinen Füßen, ein Stein traf meine Schulter. Ich summte weiter und die Stimmen summten mit mir.
Es übertönte die Menge. Übertönte die Welt, während Dinge an mir vorbeiflogen – wie verdorbenes Obst und Erdklumpen.
Ein Wächter versteifte sich, als ihn etwas traf, aber ich hielt nicht an. Es war nicht wichtig. Nichts davon war es.
Wir erreichten die oberste Stufe und kaum schlossen sich die Türen hinter uns, verstummte das Gebrüll der Menge. Ich konnte sie nur noch wie Insekten summen hören.
Ich konzentrierte mich auf das Geräusch meiner Ketten, die über den glänzenden Marmorboden schleiften. Sauber. Zu sauber.
Sie wollten alles so ordentlich, so zivilisiert, so richtig erscheinen lassen. Aber alles daran war so verdammt falsch.
Sie führten mich durch gewundene Gänge, vorbei an weißen Wänden und hohen Decken. Dann durch einen Hinterraum, eine kleine Treppe hinunter bis in eine Arrestzelle.
Sie war klein, aber sauber. Weiches Licht fiel von oben herein, ganz anders als die schmutzigen Löcher, in die Myrin mich gesteckt hatte. Ich trat ein und die Tür schlug klirrend hinter mir zu.
Einen Moment lang stand ich da und starrte auf den sauberen Boden und die unberührten Wände. Ich war schon einmal in so einem Raum gewesen. Hier hatte alles angefangen.
Hier hatte Myrin mich gefunden. Genau hier hatte alles begonnen. Das Quälen. Das Zerbrechen. Der Wahnsinn.
Ich spürte ein leichtes Zucken in meinem Mundwinkel. Kein Lächeln. Einfach etwas anderes.
Meine erste Paarungssaison lag neun Jahre zurück, neun Jahre, in denen ich meinem Gefährten aus dem Weg gegangen war. Ich hatte achtzehn Saisons ohne Bindung überstanden und damit einen beeindruckenden Rekord aufgestellt, der wohl nie gebrochen werden würde.
Die meisten Weibchen gingen in der dritten Saison eine Bindung ein, spätestens in der fünften, wegen des Gesetzes, das besagte, dass jedes Weibchen, das bis zur vierten Saison nicht gebunden war, auf die Suche gehen musste. Mein Ungehorsam hatte Konsequenzen nach sich gezogen.
Zeta hatte mich deswegen gejagt, und ich war nach sieben Jahren auf der Flucht gefangen und in eine Arrestzelle wie diese gesteckt worden. Sie hatten auch einen Schlauch wie den hinter dem Zeta-Agenten.
Ich hatte mich mit Bärenkot eingeschmiert, um Zeta von meiner Fährte abzubringen, als ich in den Wäldern lebte, und es hatte ziemlich gut funktioniert. Jetzt war ich mit Urin und den Überresten von Myrin bedeckt.
Aber jetzt fühlte ich mich noch schmutziger. Der Mann drehte den Hahn auf und Wasser traf mich mit großer Wucht.
Ein anderer Zeta-Agent attackierte mich mit einer rauen Scheuerbürste. Er schrubbte mich sauber, so gut es mit den Ketten um meinen Körper ging. Während er die Reinigung vornahm, blieb ich regungslos.
Er packte meine Haare, riss sie mit einem Ruck nach oben und schnitt sie mir mit der Schere ab, was mir einen furchtbaren Kurzhaarschnitt bescherte. Eine cremefarbene Leinenhose wurde mir über die Beine gezogen, die Schnüre fest um meine Taille gebunden.
Wegen der Ketten konnte nichts gegen das zerrissene T-Shirt getan werden. Ich war ein bisschen froh zu wissen, dass sie nicht alles verbergen konnten.
„Vielleicht hätten wir sie dort lassen sollen“, murmelte der Zeta-Agent und steckte die Schere in seine Tasche. „Sie sieht gar nicht mehr so sehr wie ein Monster aus. Sie sieht eher erbärmlich aus. Hat der Typ ihr je zu essen gegeben? Sie ist praktisch ein wandelndes Skelett.“
Der andere kam an meine Seite, um mich zu betrachten. „Es ist, was der Rat bestimmt hat.“
„Sie wirkt nicht wild. Sie hat sich überhaupt nicht gewehrt.“
„Keine Ahnung“, brummte der Mann und zog an einem der Riemen meines Gesichtsschutzes, der sich gelockert hatte. Er war zu nah, so nah, dass sich unsere Blicke trafen, als er zurückwich.
Sein Gesicht verkrampfte sich für einen Sekundenbruchteil. Die Leere meines Blicks machte ihn unruhig. Er schluckte und versuchte, seine Hände ruhig zu halten, so zu tun, als würde es ihn nicht stören.
„Sie muss gefährlich sein, wenn sie in der Lage ist, einen Anführer zu töten“, murmelte er und mied weiterhin meinen toten Blick. Seine Stimme wurde leise, als spräche er mehr zu sich selbst als zu jemand anderem.
„Wie du schon sagtest, ein leichter Wind könnte sie umwerfen, und trotzdem hat sie einen Mann bezwungen, der doppelt so groß war wie sie. Sie hat auch ihre Krallen und Reißzähne ausgefahren. Normale Weibchen tun das nicht.“
Jeder hatte einziehbare Krallen und Zähne, aber ich behielt meine oft draußen, zusammen mit meinen scharfen Vorderzähnen. Bei Weibchen galt es als unanständig, Zähne und Krallen zu zeigen, angeblich machte es uns unattraktiv.
Aber es war nicht ungewöhnlich, einen Mann zu sehen, der sie zeigte.
„Stimmt schon. Ich erinnere mich, was sie bei der letzten Suche mit ihrem Gefährten gemacht hat. Hat ihn aufgeschlitzt wie ein verdammtes Schwein.“
Leider hatten unsere schnell heilenden Körper und das rasche Eingreifen der Zeta-Agenten das Leben meines Gefährten gerettet. Ich hatte nur zehn Sekunden gebraucht, um zu entscheiden, dass ich ohne ihn besser dran war, und ich hatte meine Krallen in seinen Bauch gerammt, um seine Eingeweide herauszureißen.
Mein Gefährte hatte verkündet, ich sei wild, damit alle es hören konnten. Ich sollte in dieser Nacht getötet werden, falls mich niemand im Paarungsbecken für sich beanspruchte, wo die verwitweten oder ungebundenen Weibchen eine zweite Chance bekamen.
Ich hätte den Tod Myrin vorgezogen, aber jetzt ließ sich daran nichts mehr ändern. Durch eine seltsame Verkettung von Ereignissen war ich wieder hier gelandet, und nun gab es nichts mehr, was meine Hinrichtung aufhalten konnte.
Der Weltrat konnte es nicht zulassen. Mein Urteil sollte öffentlich gefällt und im Fernsehen übertragen werden. Sie mussten ein Zeichen setzen, nur damit mein Ungehorsam anderen Weibchen keinen Anlass zu ähnlichen Ideen geben würde.
Wilde waren selten und berechtigte Fälle noch seltener. Es brauchte viel, damit jemand den Verstand verlor und sich in ein blutrünstiges Monster verwandelte, das kein anderes Ziel hatte als zu töten.
Sie konnten nicht sprechen, keine Emotionen empfinden, und vor allem gab es keine Möglichkeit, sie zu heilen.
Viele sogenannte Wilde waren einfach nur willensstarke Weibchen, die sich weigerten, ihren Gefährten zu gehorchen. Ein Weibchen als wild zu bezeichnen, war ein einfacher Weg, um diejenigen loszuwerden, die Widerstand leisteten.
Aber ein Gefährte musste sein Weibchen als wild erklären, damit sie getötet werden konnte. Wenn man keinen Gefährten hatte und für wild gehalten wurde, musste der Gefährte gefunden und vorgeführt werden, um die Entscheidung zu treffen.
Der Weltrat musste sich dank meiner Tat bei der Suche damit nicht aufhalten. Ehrlich gesagt war es eine Erleichterung zu wissen, dass heute mein letzter Tag sein würde.
Ich war müde von dem, was das Leben mir zu bieten hatte.
Der Raum öffnete sich zu einem riesigen Theater, die Wände wölbten sich in einem weiten Bogen und stiegen in Ebenen auf. Zu meiner Linken und Rechten befanden sich abgestufte Tribünen, gefüllt mit ranghohen Männern, wobei jeder Platz besetzt war – von Anführern und ihren Stellvertretern.
Alle Aufmerksamkeit war auf mich gerichtet, beobachtend. Urteilend.
Die Luft war schwer von ihrer Erwartung, ihrer unausgesprochenen Abscheu. Über ihnen markierten Flaggen die Territorien, ihre Symbole kühn und leuchtend wie Kampfbanner, die die Macht kennzeichneten, die jeder Mann für sich beanspruchte.
Es war ein Raum, der für Kontrolle und Macht gebaut war. Die Sitze waren so angeordnet, dass sie über das Zentrum – über mich – hinwegblickten, wie eine Arena für Raubtiere, und ich war die zur Schau gestellte Beute.
Der ganze Raum war darauf ausgelegt, mich unter ihnen klein und unbedeutend fühlen zu lassen.
Ich wurde auf einem Podest vor einer erhöhten Plattform platziert. Neun Männer saßen an dem geschwungenen Tisch und starrten auf mich herab. Neun Männer, zwei aus jeder der vier Achsen und einer, der vom alten Rat zum Vorsitzenden gewählt worden war.
Flinke Finger berührten meine Wange und machten sich daran, die Riemen meines Gesichtsschutzes zu lösen. Der Zeta-Agent beobachtete mich aufmerksam und wartete darauf, dass ich mich entschied, ein paar seiner Finger als kleinen Snack zu mir zu nehmen.
Es war verlockend. Aber ich war umzingelt und Waffen, gefüllt mit Betäubungspfeilen, waren auf mich gerichtet.
Ich wollte nicht, dass ich in meinen letzten Augenblicken als Haufen auf dem Boden landete.
Hier würden die Dinge enden. Oder vielleicht von Neuem beginnen.











































