
Königreich der Tiere Serie 1: Animal Kingdom
Zwei Welten prallen unter drei leuchtenden Monden aufeinander, wo Magie in der Luft vibriert und Wesen mit Macht und Stolz herrschen. Mia glaubte einst, ihre erste Begegnung sei nur ein seltsamer Kindheitstraum gewesen – doch das Schicksal vergisst nicht. Jahre später lodert der Funke, der in jener Nacht entstand, heller denn je und zieht sie in ein Land hinein, das so atemberaubend wie gefährlich ist. Jeder Schritt enthüllt Geheimnisse, jeder Blick birgt eine Frage, und jeder Herzschlag erinnert sie daran, dass sie nicht mehr sicher ist. In einem Königreich, in dem Schönheit Zähne verbirgt und Monster keine Gnade kennen, muss Mia entscheiden: Verfolgt sie die Liebe … oder läuft sie direkt in die Fänge von etwas weit Gefährlicherem?
Nach Mitternacht
Mia Burch schreckte plötzlich in ihrem schmalen Bett hoch und blickte zum Fenster.
Der Regen prasselte gegen die Scheibe und ein Blitz erhellte das Zimmer.
Kurz darauf grollte der Donner in der Ferne wie eine düstere Drohung.
Sie wünschte, ihre Eltern wären da. Aber da war niemand, dem sie vertraute und an den sie sich wenden konnte.
Sie drückte ihr Stoffhäschen fest an sich. Die Achtjährige liebte es und nahm es bei jedem Gewitter immer mit ins Bett, um sich sicherer zu fühlen.
Sie versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Wenn sie lange genug hier liegen bleiben würde, würde sie sicher bald wieder einschlafen. Vielleicht könnte sie einfach die Augen schließen und so tun als ob.
Das Donnergrollen des Sturms machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Es war eine schreckliche Nacht.
Sie beobachtete die flauschige schwarze Katze auf ihrer Kommode, die sich unbeeindruckt vom Unwetter draußen die Pfoten putzte.
Etwas außerhalb ihres Zimmers beunruhigte die Katze. Sie spitzte die Ohren und blickte zur Tür, bevor sie von der Kommode sprang und aus dem lila Zimmer huschte.
Das laute Scheppern fallender Töpfe ließ Mia aufhorchen und zur offenen Tür blicken.
Das zusätzliche Geräusch von verrückten Möbeln machte Mia zunehmend neugierig. Sie fragte sich, ob Cindy, ihre Babysitterin, es ebenfalls gehört hatte.
Sie blinzelte ein paar Mal und hoffte, ihr Vater würde nachsehen. Doch dann fiel ihr ein, dass ihre Eltern wegen des Sturms erst am Morgen zurückkommen würden.
In ihrem rosa Wolkenpyjama kletterte sie aus dem Bett und nahm ihr Häschen zur Sicherheit mit.
Sie ging zur Tür, um hinauszuschauen und um nachzusehen, was im Flur vor sich ging.
Das vorangegangene Klappern der Töpfe hatte sie erschreckt, denn sie wusste, dass ihre Babysitterin nie in die Küche ging. Vor allem fasste sie nie das Kochgeschirr an.
Sie spähte durch den Türspalt bis zum Ende des Flurs und sah einen Schatten am flackernden Licht des Fernsehers im Wohnzimmer vorbeihuschen.
Es handelte sich nicht um Cindys große Gestalt, sondern um eine kleine, schlanke Erscheinung, die schnell vorbeiging, begleitet vom Geräusch eines über den Holzboden geschobenen Tisches.
Verängstigt rannte Mia zu ihrem Bett, als ein Donner das Haus erschütterte. Jemand anderes war hier ...
Hatte der Einbrecher Cindy etwas angetan? Wenngleich sie nicht nett zu Mia war, war sie freundlich zu ihren Eltern.
Es mochte geheuchelte Freundlichkeit sein, aber niemand hatte es verdient, zu Schaden zu kommen.
Ein weiteres Geräusch ertönte. Dann das Fauchen ihrer Katze.
„Midnight!“
Sie blickte über die Bettkante und ihr Herz raste vor Sorge um ihre Katze, die sie mit Zustimmung ihres Vaters aus dem Tierheim gerettet hatte. Sie hatte ihre seltsame Katze, die überhaupt nicht wasserscheu war, gefüttert, verhätschelt und gebadet.
Deshalb wollte sie nicht, dass ihr etwas zustieß.
Langsam kroch sie aus ihrem sicheren Bett und rief erneut nach ihrer Katze, in der Hoffnung, sie würde wie immer in ihre Arme laufen, damit sie die Tür abschließen konnte. Aber sie kam nicht.
Sie verließ die Sicherheit ihres Zimmers, um nach ihr zu suchen, rief ihren Namen, spähte zur Tür hinaus und trat dann in den dunklen Flur.
Ohne das Licht des Fernsehers, das Schatten warf, fühlte sie sich sicherer, als sie ins Wohnzimmer ging.
Als ihre kleinen Füße über den Holzboden tapsten, blickte sie sich im Wohnzimmer um.
Cindy lag auf der Couch, mit einer offenen Tüte Chips auf dem Tisch, doch das war nicht das, was dem jungen Mädchen auffiel.
Ein frischer, glänzender dunkelroter Handabdruck zog sich von der Küche kommend die Wand hinunter bis zum Boden. Ein weiterer Abdruck befand sich auf dem Tisch, der leicht von der Couch weggeschoben war.
Mia blinzelte und legte den Kopf schief angesichts der Szene. Jemand war hier gewesen, aber sie verstand nicht, warum dieser jemand eine solche Unordnung anrichten würde.
Aus dem dunklen Keller, in den die roten Handabdrücke führten, war das Knurren einer Katze zu hören. Ihr stockte der Atem. Mit ihrem Häschen im Arm rannte sie in das Schlafzimmer ihrer Eltern, um die Taschenlampe ihres Vaters zu holen.
Sie mochte dunkle Orte nicht, besonders nicht den Keller, aber hier ging es um Midnight. Sie liebte diese Katze und wusste, dass sie dort unten war.
Aber wer war noch da?
Vorsichtig näherte sie sich der offenen Kellertür, mit der Taschenlampe in der Hand und dem Häschen im Arm.
Das Licht flackerte, als sie es auf die Treppe richtete. Langsam stieg sie Stufe für Stufe hinab und hoffte, dass ihre Katze hier unten war.
Sie hielt inne, als sie mehr rote Farbe auf den Stufen unter sich sah.
„Midni … oh!“
Die große Taschenlampe fiel aus ihren kleinen Händen, polterte die Treppe hinunter und blieb auf dem Boden liegen.
Ein Geräusch im Keller ließ sie erstarren. Der Blitz zuckte hell, aber lautlos.
Sollte sie jetzt umkehren oder die Taschenlampe ihres Vaters aufheben?
Sie hörte ihre Katze fauchen, ein Beweis, dass sie hier unten war. Sie musste sichergehen, dass es ihr gut ging.
Langsam ging sie die Stufen hinunter, ihr Herz raste, als sie nach der Taschenlampe griff.
Als sie sie aufgehoben hatte, sah sie sich um. Hohe Stapel von Kisten verbargen den Rest des dunklen Kellers.
Mia bemerkte mehr rote Spuren, die zu einem versteckten Bereich und ihrer Katze führten.
„Midnight!“
Die Katze machte einen Buckel und fauchte in die Richtung der roten Farbe.
Mia stand auf, die Taschenlampe in der Hand, und trat vor.
Midnights Fauchen wurde von einem Knurren übertönt, das die Katze an ihr vorbeirennen ließ. Mia erstarrte überrascht.
Sie hatte noch nie ein solches Knurren gehört.
Dem Knurren folgte ein schmerzerfülltes Stöhnen, das ihre Neugier weckte. Sie ging näher und wollte herausfinden, ob jemand verletzt war.
Die Taschenlampe flog aus ihrer Hand, als das Licht erlosch und einen größeren, bedrohlicheren Schatten vor ihr enthüllte.
Als er wie eine große Katze knurrte, erstarrte sie, ihre braunen Augen weit aufgerissen angesichts der leuchtenden Augen vor ihr.
Sie drückte ihr Häschen fester an die Brust. Gelb. Da waren gelbe, hell leuchtende Augen, die sie nicht losließen.
Vor allem, weil die Augen nicht menschlich wirkten. Sie waren eher wie die ... einer Katze.
Der größere Schatten knurrte erneut, diesmal heftiger, in dem Versuch, sie zu verscheuchen, damit er verschwinden konnte.
Doch sein bedrohliches Knurren verwandelte sich in leises Schmerzenzischen, als seine Arme seinen Bauch und Brust umklammerten und er sich vorbeugte. Seine Wunde schmerzte offensichtlich zu sehr.
Der Schatten fiel um und riss das kleinere Mädchen mit sich zu Boden. Der Fremde krümmte sich vor Schmerz.
Mia ließ ihr Häschen auf dem Boden zurück, um die Taschenlampe zu holen und ihn anzuleuchten.
Sie verstand nicht ganz, was sie da vor sich sah. Zunächst dachte sie, es sei ein verletzter Junge, der sich schmerzgeplagt am Boden wand.
Er sah nämlich aus wie ein älteres Kind, aber da war noch etwas anderes an ihm.
Der Junge hatte die Ohren und den Schwanz einer Katze. Zwei spitze Ohren saßen auf seinem Kopf. Sein Schwanz war lang und zuckte vor Schmerz hin und her. Seine Kleidung war ebenfalls seltsam; er trug nur eine schwarze Hose, die handgemacht aussah.
Sein Körper war ihr zugewandt, die Augen fest zusammengekniffen.
Seine nackte, schmale Brust schien verletzt zu sein. Blaue Flecken, Schnitte, Schmutz und Blut bedeckten seine geschundene Haut.
Mia begann zu zittern, doch als sie den Jungen in diesem schrecklichen Zustand sah, verflog ihre Angst. Er war verletzt.
Sie setzte sich auf und rückte näher, doch schon das kleinste Geräusch ließ seine Augen sich weiten.
Seine Pupillen waren zunächst zu schmalen Schlitzen verengt, als er sie warnend mit seinen gelben Augen anstarrte. Aber als er sie jedoch musterte, wurde er ruhig.
Mia beobachtete, wie sich seine Pupillen zu weiten Kreisen dehnten, während sein Körper erschlaffte, ohne den Kopf zu senken. Er blinzelte ein paar Mal, öfter als sie, und atmete aus, nachdem er eine Weile den Atem angehalten hatte.
Das kleine Mädchen wusste nicht, was vor sich ging, aber sie wusste, dass sie ihm helfen musste. Obwohl sie ganz in seiner Nähe war, blieb er ruhig und starrte sie an.
Besorgt sagte sie: „I-ich weiß nicht, wie man das in Ordnung bringt, aber vielleicht solltest du deine Wunde säubern.“
Seine großen Pupillen ließen ihn normal wirken, doch sein verwirrter Gesichtsausdruck zeigte, dass er sie nicht verstand. Er blinzelte sie mehrmals an und blieb stumm, als sie seinen verletzten Arm berührte.
Seine Schmerzen verstärkten sich, als sie ihn ermutigte, aufzustehen. Er stöhnte auf. Er wollte sich einfach nur eine Weile irgendwo hinlegen.
„Meine Babysitterin schläft“, flüsterte sie ihm zu und half ihm zur Treppe.
Er sah sehr müde und verletzt aus. Sie musste ihm helfen.
„Sie bekommt nichts mit, wenn sie schläft, aber sei trotzdem leise, okay?“, sagte sie.
Er starrte sie nur an.
Sie half dem erschöpften Jungen die Treppe hinauf, was angesichts seines schmerzenden Körpers schwierig war. Er war größer und schwerer als sie, lehnte sich zur Unterstützung an die Wand und kämpfte sich Stufe für Stufe hoch.
Leise folgte er ihr durch das Wohnzimmer und den Flur. Ganz am Ende, direkt neben ihrem Zimmer, war ein Badezimmer, in das sie ihn brachte.
Zu diesem Zeitpunkt war er zu erschöpft zum Stehen und geriet ins Straucheln, wobei er sich leicht am Duschvorhang festhielt, um nicht zu stürzen. Doch sie konnte nicht verhindern, dass er in die Wanne fiel.
Sein Kopf rollte zurück und sein Schwanz hing zur Hälfte aus der Wanne. Seine Ohren waren gesenkt, die Augen geschlossen.
Er war ohnmächtig geworden.
Sie griff nach dem Duschkopf, stellte sich auf einen nahestehenden Hocker, um ihn bequem erreichen zu können, und drehte das Wasser auf. Sie achtete darauf, dass es warm war, damit sie den armen Jungen säubern konnte.
Obwohl sie wusste, dass er ein seltsamer Fremder war, konnte sie konnte ihn nicht so schmutzig lassen. Sie wusch sein Gesicht und seine Brust und legte dabei fragend den Kopf schief, als sie ihn betrachtete.
Er sah nicht aus wie ein normaler Zwölfjähriger. Seine Haare waren etwas länger, was für einen Jungen in dieser Stadt ungewöhnlich war, und er hatte einen schmächtigen Körper – ein Zeichen dafür, dass er noch jung war.
Wer war er nur?
Während er in der Wanne lag, wischte sie das Blut von der Wand und überall sonst, wo sie es sah und erreichen konnte, in der Hoffnung, Cindy davor zu bewahren, dafür verantwortlich gemacht zu werden. Sie wollte den Jungen zwar nicht im Badezimmer lassen, aber sie war nicht stark genug, um ihn zu tragen.
Als sie ins Badezimmer zurückkam, war er wach und sein Schwanz kringelte sich langsam. Er spürte ihre Anwesenheit, drehte den Kopf, die Augen halb geschlossen, und atmete schwer.
„I-ich habe dich ein bisschen sauber gemacht“, sagte sie und verschränkte nervös die Finger. „Es tut mir leid, dass ich dich dort gelassen habe, ich bin nur ... Na ja, zu schwach, um dich hochzuheben.“
Sie dachte, er würde sprechen, aber er lag einfach nur still da, nass und zufrieden. Das warme, herabfallende Wasser war angenehm, und die Spitze seines Schwanzes kräuselte sich.
Sie wollte ihm ein paar Fragen stellen, tat es aber nicht.
„Brauchst du einen Verbandskasten dafür?“, fragte sie mir zitternder Stimme.
Sie war selten mit anderen Kindern zusammen, da ihre Mutter sie zu Hause unterrichtete und war nicht gut darin, mit Menschen zu kommunizieren.
Er starrte sie immer noch an.
Diesmal wich sie seinem Blick aus. Die Sache mit dem Blickkontakt war ihr neu, vor allem mit einem Fremden. Besonders mit einem Fremden. Einem seltsamen Fremden.
Sie ging, um den Verbandskasten zu holen, und kam zurück, um ihn immer noch dort vorzufinden. Sie wusste nicht, wie man das Verbandszeug benutzte, aber es schien eine gute Idee zu sein, es zu holen.
Als sie den Kasten neben der Wanne abstellte, packte er blitzschnell ihr Handgelenk, während sie unachtsam war. Sie begann, sich zu wehren.
„Nein“, sagte er.
Allein dieses eine Wort bereitete Mia noch mehr Angst. Seine Stimme klang zu ernst für einen Jugendlichen.
Er zog ihr Handgelenk zu sich und für einen Moment sah sie seine langen Vorderzähne aufblitzen.
Seine Zähne bohrten sich in ihr Handgelenk, während er ihr mit der anderen Hand den Mund zuhielt, um ihren panischen Schrei zu unterdrücken, und drückte sie über den Rand der Wanne, weit weg vom Wasser. Er nahm kleine Schlucke, und ihr Körper wurde vor lauter Angst schlaff.
Sie sah ihn verwirrt an. Ihre Augen weiteten sich, als sie sah, dass seine Augenlider ganz locker geschlossen waren, um sich zu konzentrieren. Ihre Schreie verstummten, als sie merkte, dass es nicht wehtat.
Ihr Handgelenk war taub, obwohl seine Fangzähne darin steckten. Der Anblick machte sie immer noch nervös.
Als er losließ, zog sie sich schnell zurück und untersuchte ihr Handgelenk, wo nun zwei kleine Löcher und Blutstropfen zu sehen waren. Sie warf ihm einen verängstigten Blick zu und blieb auf Abstand.
Ihr stockte der Atem, als sie sah, dass alle seine Wunden verheilt waren, bis auf eine seltsame weiße Linie unter der linken Seite seiner Brust. Sie hielt ihr blutendes Handgelenk, während er es anstarrte.
„G-geht es dir jetzt besser?“ Die Erfahrung war seltsam, schien ihm aber geholfen zu haben, doch ihr Herz raste immer noch. Ihr kleiner Körper zitterte vor Angst.
Zum ersten Mal antwortete er mit einem Nicken.
„Im Keller ist es warm“, sagte sie schließlich, während sie nach den richtigen Worten suchte. „Ähm ... äh ... D-du kannst dort schlafen ... Ich glaube, es gibt dort eine Unterlage, auf der du dich ausruhen kannst.“











































