
Fremdes Gebiet
Alexina ist einundzwanzig Jahre alt und die zukünftige Alpha des Shadow Pack - bis ein unerwarteter Angriff sie zwingt, um ihr Leben zu rennen, direkt in das Territorium eines anderen Wolfs. Allein, erschöpft und nachdem sie alles verloren hat, schläft sie ein in der Erwartung, nie wieder aufzuwachen, öffnet dann aber ihre Augen und stellt fest, dass sie sehr lebendig ist. Während sie sich mit der Schwester des Alphas anfreundet, beginnt Alexina ein neues Leben - und vielleicht sogar Liebe - vor sich im Mystic Pack zu sehen.
Altersfreigabe: 16+.
Der Alpha-Befehl
Alexina
Ich schloss meine Augen und genoss die warme Sonne. Die Geräusche von raschelnden Blättern, zwitschernden Vögeln und lachenden Kindern ließen mich zur Ruhe kommen. Gemütlich lag ich auf meinem Handtuch im Gras.
„Na, Schwesterherz“, rief Nico plötzlich und ließ mich zusammenzucken. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören.
„Nico, untersteh dich!“, rief ich, als er mich hochhob. Ich klammerte mich an seinen Hals, wohl wissend, dass er mich ins Wasser werfen würde. Aber wenn ich reinging, würde er mitkommen.
Ich hielt die Luft an, als Nico ins kühle Nass sprang. Das kalte Wasser ließ mich mich an Nico pressen. Es prickelte auf meiner aufgeheizten Haut, war aber auch erfrischend.
„Mensch, Nico!“, schimpfte ich und schwamm von ihm weg, als wir auftauchten.
„Ach komm schon, Lex, sei nicht sauer. Du sahst aus, als könntest du eine Abkühlung vertragen“, neckte er und schwamm davon, bevor ich ihn erwischen konnte.
„Na warte, wenn ich dich in die Finger kriege“, rief ich, aber er war schon aus dem Pool und rannte weg.
„Hab dich lieb, Lex“, rief er zurück und ließ mich schwer atmend am Beckenrand zurück.
Ich hätte ihm nachjagen können, war aber zu erschöpft. Eigentlich war ich hergekommen, um mich in der Sonne zu entspannen, aber Nico hatte andere Pläne gehabt.
Ich stieg aus dem Pool, trocknete mich ab und ging ins Haus, um mich umzuziehen. Zwar war ich genervt von Nico, weil er meine Ruhe gestört hatte, aber ich wusste, dass ich ihm verzeihen würde, sobald ich ihn wiedersah - vielleicht nachdem ich ihm ein paarmal auf den Arm geboxt hatte.
Meine Eltern hatten Nico adoptiert, als er zwei war, noch bevor ich geboren wurde. Wilde Wölfe hatten seine Eltern getötet, und da Nicos Vater unser Beta gewesen war, nahm unsere Familie ihn bei uns auf.
Wir hatten einen anderen Beta, bis Nico alt genug war. Vor fünf Jahren, mit achtzehn, wurde er dann unser Beta.
Als einziges Kind des Alphas werde ich eines Tages unser Rudel führen. Ich habe es nicht eilig damit, aber ich weiß, dass ich bereit sein werde, wenn es soweit ist.
Schon von klein auf lerne ich, was es heißt, ein Alpha zu sein. Meine Familie ist sehr stark, und ich muss beweisen, dass ich diese Stärke gut einsetzen kann.
Mein Vater trainiert mich hart, seit ich zehn bin. Außer ihm und Nico bin ich die beste Kämpferin in unserem Rudel.
Das mag überraschend sein, weil ich nur 1,62 m groß bin, was klein für einen zukünftigen Alpha ist. Aber mein Wolf hat normale Größe für ein Weibchen, und klein zu sein hilft mir beim Kämpfen. Ich kann Schlägen leichter ausweichen und bin schwerer zu treffen.
Nachdem ich trockene Kleidung angezogen und meine langen braunen Haare geföhnt hatte, wollte ich gerade die Treppe hinuntergehen, als ich draußen einen Wolf heulen hörte.
Ich rannte die Stufen hinunter und sah meinen Vater besorgt aus seinem Arbeitszimmer kommen.
„Angriff... Angriff... Wir werden angegriffen!“, schrien unsere Rudelmitglieder in unseren Köpfen.
Im Rudelhaus herrschte plötzlich hektische Betriebsamkeit, alle sahen zu meinem Vater, was zu tun sei. Er gab Anweisungen, während die Leute umherliefen, aber ich konnte mich nicht rühren und dachte nur an das Wort „Angriff“.
Es fühlte sich an, als würde sich alles drehen. Ich konnte nur meinen Vater sehen, der ängstlich aussah - etwas, das ich noch nie bei ihm gesehen hatte.
Ich versuchte zu begreifen, was hier gerade geschah. Wer griff uns an? Und warum?
Der Raum leerte sich allmählich. Meine Mutter trat hinter mich und legte ihre Hand auf meine Schulter. Ihre Augen waren rot vom Weinen, aber sie versuchte zu lächeln.
Die nächsten Geräusche ließen mich mich an meine Mutter klammern. Sie versuchte, meine Ohren zu bedecken, aber ich konnte die Schreie und das Heulen trotzdem deutlich hören.
„In den Hinterhof, sofort!“, befahl mein Vater, und wir folgten ihm nach draußen.
„Verwandelt euch“, wies er an, zog sich aus und verwandelte sich in einen großen weißen Wolf. Meine Mutter und ich taten es ihm gleich.
„Sie werden bald hier sein. Hört mir gut zu“, sagte mein Vater in unseren Köpfen. Ich nickte.
„Wir können diesen Kampf nicht gewinnen, Zena. Wenn du bleibst, werden sie dich töten“, sagte er leise.
„Was meinst du mit, wenn ich bleibe?“, fragte ich laut. Ich konnte nicht daran denken zu gehen. Das war meine Familie. Selbst wenn Bleiben den Tod bedeutete, konnte ich sie nicht im Stich lassen.
„Du musst gehen, Zena. Ich kann nicht mit ansehen, wie meine Tochter stirbt. Ich liebe dich, aber du musst jetzt gehen“, sagte mein Vater mit zitternder Stimme.
„Lauf nach Süden. Hör nicht auf zu laufen, bis du nicht mehr kannst“, fügte er hinzu und versuchte, ruhig zu klingen. Aber ich konnte die Angst in seiner Stimme hören.
„Nein! Ich werde euch nicht verlassen!“, sagte ich entschlossen. Ich drehte mich zum Geräusch der herannahenden Wölfe, bereit zu kämpfen.
„Alexina Torelli, als dein Alpha befehle ich dir, diese Länder zu verlassen und nie zurückzukehren. Du wirst laufen, bis du nicht mehr kannst. Das ist ein Befehl!“, sagte mein Vater zornig.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Mein Vater hatte mir noch nie einen direkten Befehl gegeben. Mein Wolf begann sich zurückzuziehen und folgte dem Befehl. Aber ich versuchte, mich zu wehren. Ich konnte meine Familie nicht im Stich lassen.
„Bitte, Papa, tu das nicht“, flehte ich, während mein Wolf mich weiter wegzog. Ich konnte die feindlichen Wölfe näher kommen sehen.
„Ich liebe dich, Zena“, flüsterte mein Vater und wandte sich der Gefahr zu. Der Wolf meiner Mutter heulte traurig und sagte leise: „Ich liebe dich auch.“
„Ich liebe euch beide“, weinte ich, als mein Wolf mich in den Wald zog.
„Ich liebe dich, Lex“, sagte Nico und klang, als würde er kämpfen.
„Ich liebe dich auch, Bruder. Ich komme zurück für dich“, versprach ich, als ich aufhörte, Widerstand zu leisten, und mein Wolf die Kontrolle übernahm.
Wir rannten nach Süden, der Wald flog an uns vorbei. Dann hörte ich Schritte hinter uns. Ich sah einen schwarz-braunen Wolf, der uns verfolgte. Er gehörte nicht zu unserem Rudel.
Als er auf mich zusprang, wich ich aus, und er stürzte. Ich wollte ihn bekämpfen, aber mein Wolf folgte immer noch dem Befehl des Alphas und lief weiter.
Ein weiterer Wolf holte auf und versuchte, mich anzugreifen. Ich wich aus, und mein Wolf hielt endlich an, damit ich kämpfen konnte.
Ich umkreiste ihn und wartete, bis er bereit war. Ich glaube an einen fairen Kampf. Als er soweit war, rannte er mit gefletschten Zähnen auf mich zu. Er war kein guter Kämpfer, und ich konnte vorhersehen, was er tun würde. Ich wich leicht aus und kratzte seine Seite.
Er versuchte, in mein Gesicht zu beißen, verfehlte aber. Das gab mir die Gelegenheit, seinen Hals anzugreifen. Ich biss in seine Kehle und schüttelte meinen Kopf heftig. Sein Körper erschlaffte, und ich ließ ihn zu Boden fallen. Mein Wolf setzte sich wieder in Bewegung.
Ich hatte vorher Kämpfe geübt, aber dies war mein erster echter Kampf. Mein erster Gegner, den ich getötet hatte. Das ließ mich darüber nachdenken, wofür ich kämpfte. Dieser Wolf hatte versucht, meinem Rudel, meiner Familie zu schaden. Denen, die ich zurückgelassen hatte.
Ich fühlte mich schrecklich. Wie konnte ich mir selbst vergeben, dass ich meine Familie verlassen hatte? Warum hatte mein Vater mich weggeschickt? Was würde das Rudel denken, wenn ich zurückkäme? Würde überhaupt noch jemand am Leben sein?
Ich hatte mein Rudel, meine Familie, zum Sterben zurückgelassen. Ich hatte sie im Stich gelassen. Was für ein zukünftiger Alpha verlässt sein Rudel?
Ich wusste, dass mein Vater mir einen Alpha-Befehl gegeben hatte, aber ich wünschte, ich wäre stark genug gewesen, ihm nicht zu folgen. Ich fühlte mich schwach und nutzlos. Ich verdiente es nicht zu leben. Ich hätte bleiben und im Kampf sterben sollen.
Wir rannten stundenlang, mindestens vierhundert Kilometer. Meine Pfoten schmerzten, meine Kehle war ausgetrocknet, ich keuchte, und mein Herz raste. Schließlich brach mein Wolf erschöpft zusammen.
Ich lag da mit geschlossenen Augen und wartete darauf, dass der Tod mich holte.
Nico
Der Tag zog sich wie Kaugummi. Es war erst halb eins, aber es fühlte sich an, als wäre es schon fast fünf. Normalerweise fand ich immer etwas zu tun, doch heute wollte mir einfach nichts einfallen.
Meine Patrouillenschicht begann um eins, also beschloss ich, früher loszugehen. Als ich aus dem Rudelhaus trat, sah ich Lex am Pool in der Sonne liegen. Ich hatte sie schon länger nicht mehr aufgezogen, und jetzt bot sich die perfekte Gelegenheit dafür.
Ich grinste in mich hinein. Das würde ein Spaß werden.
„Na, Schwesterherz“, sagte ich und erschreckte sie. Sie musste tief in Gedanken versunken gewesen sein, um mich nicht kommen zu hören.
Sie musterte mich ein paar Sekunden lang und versuchte herauszufinden, was ich im Schilde führte. Mein Blick wanderte von ihr zum Wasser und wieder zurück.
„Nico, wag es ja nicht!“, schrie sie, als ich sie hochhob.
Sie klammerte sich an meinen Hals und verhinderte so, dass ich sie wie geplant ins Wasser werfen konnte. Aber das spielte keine Rolle. Sie würde nass werden, selbst wenn ich es auch wurde.
Ich stieß mich kräftig vom Boden ab und wir landeten beide im kühlen Nass. Ich spürte, wie sich ihr Körper an meinen presste, als das kalte Wasser unsere Haut berührte.
Als wir auftauchten, stieß sie mich weg, bereit mich anzufahren.
„Verdammt nochmal, Nico!“, fluchte sie wütend.
„Ach komm schon, Lex. Sei nicht sauer“, sagte ich und schwamm schnell zur anderen Seite des Pools, um ihrem Zorn zu entgehen. Ich dachte schon, sie würde versuchen, mich zu ertränken – so sauer war sie.
„Außerdem sahst du aus, als könntest du eine Abkühlung vertragen“, scherzte ich.
„Na warte, wenn ich dich in die Finger kriege“, drohte sie erneut und schwamm nun auf mich zu.
„Hab dich lieb, Lex“, rief ich zurück, zog mich aus dem Pool und rannte in den Wald.
Ich dachte, ich würde sie hinter mir herjagen hören, aber als ich tief im Wald war und zurückblickte, sah ich sie nur, wie sie sich hastig mit einem Handtuch abtrocknete. Ich musste lachen – sie war so sauer auf mich. Heute Abend würde ich bestimmt Ärger bekommen, wenn ich nach Hause käme.
Ich zog meine klatschnasse Shorts aus und hängte sie über einen nahen Ast. Sie würden eiskalt sein, wenn meine Schicht vorbei war, und ich mochte den Gedanken nicht, sie wieder anziehen zu müssen. Ich überlegte kurz, zum Haus zurückzugehen und eine trockene anzuziehen, entschied mich aber dagegen. Die nasse Shorts war immer noch besser, als zu riskieren, einer wütenden Lex über den Weg zu laufen.
Ich verwandelte mich in meine Wolfsgestalt und lief los in Richtung meiner Patrouillenstrecke. Nach wenigen Minuten erreichte ich den Pfad und begann meine übliche Routine.
Ich war erst etwa zehn Minuten unterwegs, als ich das Heulen hörte und der Alarm ausgelöst wurde.
„ANGRIFF... ANGRIFF... WIR WERDEN ANGEGRIFFEN!“ Angsterfüllte Rufe anderer Wölfe drangen durch unsere Geistige Verbindung.
Kaum waren die Worte durch die Verbindung gekommen, hörte ich auch schon Kampfgeräusche aus dem Wald. Ich rannte sofort in Richtung des nächstgelegenen Gefechts.
Meine Augen weiteten sich, als ich sah, was los war. Ich konnte nur etwa zehn Mitglieder meines eigenen Rudels erkennen, die gegen zwanzig oder mehr Wölfe eines fremden Rudels kämpften.
Ich ließ meinen Wolf noch schneller laufen, als ich die Schreie meiner Rudelmitglieder und der anderen Wölfe hörte, während der Kampf eskalierte.
Ich war nur noch wenige Meter entfernt, als mich etwas Hartes von der Seite traf und zu Boden warf. Ich rappelte mich auf und sah einen braun-schwarzen Wolf vor mir.
Wütend fletschte ich die Zähne, bevor ich auf seine Kehle zusprang. Er hatte keine Zeit zu reagieren, bevor ich fest zubiss und ein Stück Haut herausriss.
Der Wolf fiel zu Boden und rang nach Luft. Das Loch in seinem Hals machte es ihm unmöglich, richtig zu atmen.
Ich ließ den Wolf zum Sterben zurück und rannte zu meinen anderen Rudelmitgliedern. Ich sprang auf den Rücken eines Wolfs, der meine Freundin Terri zu Boden gedrückt hatte.
Nachdem ich ihn von Terri heruntergezogen hatte, stürzte ich mich wieder ins Getümmel, bereit, jemand anderem zu helfen.
Ich kämpfte gerade mit einem anderen großen braunen Wolf, als ich Alpha Rynes Befehl hörte, der Lex befahl zu fliehen.
„Ich liebe dich, Lex“, sagte ich und versuchte, meine Stimme ruhig zu halten. Nicht nur, dass ich gegen diesen Wolf kämpfte, auch der Gedanke, Lex nie wiederzusehen, erfüllte mich mit tiefer Trauer.
„Ich liebe dich auch, Bruder. Ich komme zurück und hole dich“, hörte ich sie sagen, bevor sie ihre Geistige Verbindung abschaltete und verschwand.
Der Kampf tobte noch eine weitere Stunde, bis ich spürte, wie die Verbindung zwischen Alpha Ryne und mir zerbrach. Kurz darauf drang eine neue Stimme in meinen Kopf.
„Ich, Alpha Garrett vom Knight-Rudel, habe Alpha Ryne getötet. Das Shadow-Rudel steht nun unter meiner Kontrolle“, verkündete er mit ruhiger Stimme, als ob ihn die grauenvolle Szene um ihn herum überhaupt nicht berührte.
Er befahl allen, den Kampf einzustellen, und alle noch lebenden Wölfe des Shadow-Rudels sollten sich sofort zum Rudelhaus begeben.
Ich spürte, wie sich neue Verbindungen zwischen meinem Wolf und Alpha Garrett zu bilden begannen, während ich zum Haus ging. Mein Wolf knurrte wütend – es gab keine Möglichkeit, die Entstehung der Verbindungen zu verhindern.
Ich wollte nicht an diesen neuen Alpha gebunden sein. Ich würde ihm niemals dienen. Lieber würde ich sterben, als mich einem solchen Rudel anzuschließen.
Das Knight-Rudel war dafür bekannt, ein äußerst grausames Rudel ohne jegliche Moral zu sein. Auf keinen Fall würde ich zulassen, dass mein Name mit diesem Rudel in Verbindung gebracht wurde.
Ich erreichte die offene Fläche hinter dem Rudelhaus und sah viele meiner Rudelmitglieder bereits dort versammelt. Die meisten von ihnen wirkten verängstigt oder trauerten um verlorene Angehörige.
„Gut, jetzt, da ihr alle hier seid, können wir beginnen“, sagte Alpha Garrett, der auf der hinteren Veranda des Rudelhauses stand. „Alle Mitglieder des Shadow-Rudels haben zwei Möglichkeiten.
„Die erste Option ist, dass ihr dieses Land sofort verlasst und nie wieder zurückkommt. Ihr geht nur mit dem, was ihr bei euch habt.
„Die zweite Option ist, dass ihr bleibt und euer normales Leben als Teil des Knight-Rudels fortsetzt. Das sind die einzigen beiden Möglichkeiten, die ihr habt, und ihr müsst euch jetzt sofort entscheiden.
„Eure Entscheidung ist endgültig, und jeder, der in fünf Minuten noch hier ist, wird getötet“, schloss Garrett und winkte mit der Hand, um zu zeigen, dass unsere Zeit jetzt begann.
Ich drehte mich um und ging zum hinteren Teil des Grundstücks. Es war mir egal, wenn ich mit nichts gehen musste – es war besser, als hier zu bleiben.
Ich beobachtete die Gesichter meiner Rudelmitglieder, als sie zu ihren Häusern zurückkehrten. Die meisten von ihnen wirkten beschämt, dass sie sich entschieden hatten zu bleiben.
Ich konnte es ihnen allerdings nicht wirklich übel nehmen. Die meisten von ihnen hatten Familien, für die sie sorgen mussten. Sie konnten nicht einfach ohne Nahrung, Geld oder Kleidung gehen.
„Nicht du, Nico!“, dröhnte Garretts Stimme durch die Bäume vor mir und ließ mich zu ihm umdrehen.
Er stand immer noch auf der Veranda und winkte mich zu sich. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen.
Ich ging zurück zum Rudelhaus und fühlte mich sehr unsicher. Ich fand mich vor der Veranda wieder und wartete darauf, dass Garrett mir sagte, warum er mich zurückgerufen hatte. Er hatte uns doch bereits die Wahl gelassen zu gehen, warum also rief er mich zurück?
„Wo ist Alpha Rynes Tochter?“, fragte er mit ruhiger Stimme, aber ich konnte den unterschwelligen Zorn spüren.
„Woher zum Teufel soll ich das wissen?“, gab ich wütend zurück. Selbst wenn ich wüsste, wo Lex war, würde ich eher sterben, als es ihm zu verraten.
„Findet sie!“, befahl er seinen Männern scharf, nun offen seinen Ärger zeigend.
„Ich weiß, dass sie zurückkommen wird, um dich zu holen, wenn sie noch am Leben ist“, sagte Garrett mit einem leichten Lächeln, während er seinen Zorn wieder unterdrückte.
„Toll, denn ich werde nicht hier sein“, erwiderte ich und drehte mich zum Gehen. Hatte er mich wirklich nur zurückgerufen, um eine Frage zu stellen, von der er wusste, dass ich sie nicht beantworten würde?
„Du hast keine Erlaubnis zu gehen, Nico. Ich kann dich noch gebrauchen“, sagte er und setzte sich in einen der Stühle auf der Veranda.
„Ich werde dir niemals dienen“, knurrte ich, und auch mein Wolf knurrte.
„Entweder du bleibst und dienst unter mir, oder ich befehle die Tötung jedes einzelnen noch lebenden Mitglieds dieses Rudels“, drohte er und stand von seinem Stuhl auf.
„Wie lautet deine Entscheidung jetzt?“ Sein Lächeln war beängstigend.
Am liebsten hätte ich ihm gleich hier auf der Veranda das Herz herausgerissen – es herausgerissen und darauf herumgetrampelt, bis es nur noch eine blutige Masse war. Wie konnte er nur so kalt sein, so gefühllos, so unberührt von dem Tod um ihn herum?
Mein Rudel bestand aus unschuldigen Menschen, jetzt hauptsächlich Frauen und Kindern. Ich konnte sie nicht grundlos dem Tod überlassen. Ich wusste, ich musste bleiben.
„Na gut“, sagte ich völlig niedergeschlagen.
„Schön zu hören. Ich wusste, du würdest zustimmen“, sagte Garrett und wandte sich zum Gehen in Richtung Rudelhaus.
Ich war zutiefst erschüttert von dem, was ich gerade zugestimmt hatte, aber ich hatte keine andere Wahl. Wenn ich Garretts Rudel nicht beigetreten wäre, hätte er jedes einzelne Mitglied meines Rudels getötet.
Ich versuchte, die Last meiner Entscheidung aus meinen Gedanken zu verdrängen und an etwas – irgendetwas – anderes zu denken.
Meine Gedanken wanderten zu Lex. Ich fragte mich, ob sie es lebend herausgeschafft hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sie irgendwo in Sicherheit war. Meine einzige Hoffnung war, dass ich eines Tages meine Schwester wiedersehen würde.













































