Blutiger Alpha - Buchumschlag

Blutiger Alpha

Jeay S Raven

Die Gasse Teil II

ALARIC

Ich starre auf das Glas in meiner Hand, als hätte es mich um den Verstand gebracht. Die braune Flüssigkeit schwappt hin und her, während ich das Glas bewege.

In der Bar herrscht ein Heidenlärm – Gelächter, Geschrei und schiefer Gesang. Doch ich nehme es kaum wahr. Mit gerunzelter Stirn schiebe ich das Glas über den abgewetzten Holztresen.

Meine Kumpels sind in der Menge untergetaucht. Ich hocke allein am Ende der Bar mit meinem Drink, der mir nicht schmeckt.

Ein paar mutige Frauen haben versucht, mich anzuquatschen. Aber mein finsterer Blick und mein Knurren haben sie verscheucht, bevor sie auch nur einen Pieps von sich geben konnten.

Ich bin mies drauf und will einfach nur meine Ruhe haben.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Drinks ich heute Abend schon gekippt habe. Aber egal wie viel ich trinke – diese innere Leere bleibt. Als könnte nichts sie je füllen.

Ich kippe den Whiskey in einem Zug runter und knalle das Glas auf den Tresen. Ein paar Leute schauen zu mir rüber, aber keiner traut sich was zu sagen.

So eine Scheiße!

Ich blicke über die Schulter und sehe Marcelo, Jaylen und Jackson, wie sie mit ein paar menschlichen Frauen tanzen. Sie sehen glücklich aus.

Sie haben ihren Spaß und das haben sie auch verdient, nachdem sie meine miese Laune ertragen mussten.

Seit fast drei Jahren sind wir nun unterwegs, besuchen Wolfsrudel überall auf der Welt, schließen Freundschaften und bekämpfen Feinde. Dies ist unser letzter Stopp, bevor wir nach Hause zurückkehren.

Der Barkeeper stellt mir wortlos ein Bier hin und nickt mir respektvoll zu. Ich mag es, dass er nicht quatscht.

Ich greife nach der Flasche und rutsche vom Barhocker. Mein Kopf dreht sich und ich taumele rückwärts, rempel jemanden an.

Die Person sagt etwas, aber bei dem Krach verstehe ich kein Wort.

Wie lange hänge ich schon hier rum? Ich muss mal für kleine Jungs.

Ich bahne mir einen Weg durch die Menge. Dank meiner Größe kann ich die Toiletten sehen, auch wenn mein Blick verschwommen ist.

Verdammt, was für eine Schlange!

Ich dränge mich zum Ausgang durch. Einige Leute wollen meckern, aber als sie mich sehen, vergeht ihnen die Lust dazu.

Ich strahle Autorität aus und sehe aus, als wollte ich Streit. Und das stimmt fast. Bei der falschen Bemerkung könnte ich zuschlagen.

Die Reise hat mich ausgelaugt. Ich bin ständig auf hundertachtzig, ungeduldig und gereizt. Ich weiß gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, Spaß zu haben.

Am Ausgang angekommen, stolpere ich fast. Ich halte mich an der Tür fest. Das Holz ächzt, aber niemand bemerkt es.

Betrunken fällt es mir schwer, meine Kraft zu kontrollieren. Und gerade bin ich stinksauer.

Ich spüre weder mein Gesicht noch meine Gliedmaßen, aber der Schmerz in meinem Inneren ist immer noch da. Nichts kann ihn lindern.

Ich nehme einen großen Schluck Bier und rülpse laut. Die Leute auf der Straße drehen sich nach dem Störenfried um, aber als sie mich sehen, machen sie sich schnell aus dem Staub.

Ja genau, haut bloß ab!

Es schneit und der Wind ist noch kälter geworden. Mir macht das nichts aus. Kälte kann mir nichts anhaben.

Außerdem fühle ich mich dank des ganzen Alkohols in meinem Blut wie ein Ofen. Die kalte Luft tut gut.

Meine Augen flattern. Ich kann keinen Ort zum Pinkeln finden. Zwecklos. Mein Hirn fühlt sich an wie Watte.

Ich schaue nach rechts, aber das verstärkt nur meine Kopfschmerzen. Ich massiere meine Nasenwurzel in der Hoffnung, den Schmerz zu lindern.

Was wollte ich nochmal? Ach ja, pissen!

Ich öffne die Augen wieder und drehe den Kopf zurück.

Ah, eine Gasse, Gott sei Dank! Perfekt!

Ich torkele in die dunkle Ecke und suche nach einem Platz, wo mich nicht die halbe Stadt beim Pinkeln beobachten kann.

Die Dunkelheit und mein Alkoholpegel machen es schwer, das Gleichgewicht zu halten. Alles ist stockfinster und dreht sich.

Egal, mir ist's jetzt scheißegal. Ich muss einfach.

Einhändig öffne ich meine Hose und pinkle in den Schnee. Erleichterung macht sich breit.

Ein Windhauch streift mein Gesicht, sanft wie eine Berührung. So etwas habe ich noch nie gespürt.

Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl. Meine Wut verfliegt.

Ich nehme einen Duft von Äpfeln und süßen Orangen wahr. Mein Herz beginnt zu rasen.

Meine Augen fliegen auf. Ich will unbedingt die Quelle dieses Duftes finden.

Auf wackeligen Beinen taste ich mich tiefer in die Gasse vor und versuche, meine Sinne zu schärfen. Ich will mehr davon. Nein, ich brauche mehr!

Einige Augenblicke vergehen, aber ich kann weder etwas hören noch sehen. Ich atme tief ein und versuche, die Luft zu erschnüffeln.

Nichts. ~Er ist weg. Verdammt!~

Das gute Gefühl ist verflogen und frustriert trete ich gegen eine Mülltonne aus Metall. Der Lärm hallt zwischen den Häuserwänden wider.

Der Alkohol hat meine Sinne benebelt und mein Körper fühlt sich seltsam an. Mein Herz wird schwer und zieht sich in meiner Brust zusammen. Ich drohe umzukippen.

„Scheiße, verdammte Kacke, Arschloch, Fotze!", fluche ich leise vor mich hin. Für einen Moment dachte ich... Aber nein. Der Alkohol spielt mir nur Streiche.

Erneut zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen und raubt mir den Atem. Ich presse die Finger an meine Schläfen und kneife die Augen zu. Ich bin zu besoffen zum Denken.

Ein leises Geräusch am Ende der Gasse lässt mich aufhorchen. Ich erstarre und versuche, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Vergeblich.

Vor Wut zerschmettere ich die Bierflasche an der Wand. Sie zerspringt in tausend Scherben.

Meine Frustration wächst ins Unermessliche. Ich kann mich kaum noch beherrschen. So reglos wie möglich verharre ich in der Dunkelheit und spitze die Ohren.

Ganz leise höre ich einen Herzschlag. Eine Frau. Ich reiße die Augen auf und versuche erneut, etwas zu erkennen.

Wo ist sie? Wer ist sie?

Ich bin völlig verwirrt, alles dreht sich. Keuchend und mit rasendem Herzen versuche ich, ihren Geruch wahrzunehmen.

Nichts! Verdammt nochmal!

Erneut packt mich die Wut. Frustriert stoße ich ein Knurren aus.

„Hey!", rufe ich mit tiefer, rauer Stimme durch die Gasse. Ich versuche, Autorität auszustrahlen, auch wenn ich stockbesoffen bin.

Die Person setzt sich in Bewegung. Es dauert, bis ich begreife, dass sie von mir wegläuft, nicht auf mich zu.

Der Alkohol vom letzten Bier zeigt jetzt erst richtig Wirkung.

Die Gestalt flieht aus der Gasse und ich setze meine wackeligen Beine in Bewegung. Ich will ihr hinterherstürmen, aber ich bin zu betrunken und falle in den Schnee. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn mich bewegen.

Für Werwölfe ist so eine Flucht höchst respektlos, besonders wenn man vor einem Anführer davonläuft.

Seltsamerweise bin ich weniger wütend über den Respektmangel als entschlossen, sie zu finden.

Ich halte inne, als ich wieder Äpfel und süße Orangen rieche. Der Duft ist schwach, aber er treibt mich an. Ich schließe die Augen und atme langsam ein, um meinen Kopf zu klären.

Für einen kurzen Moment lässt der Schmerz in meiner Brust nach, doch dann verfliegt der Duft erneut.

Ich werfe den Kopf in den Nacken und stoße ein ohrenbetäubendes Heulen aus. Ein Heulen voller Wut, Schmerz, Frust, Verlangen und Traurigkeit.

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