
Ms. Lucky
Savannah Monroe erwacht in einem Krankenhaus und versucht, die Bruchstücke eines schrecklichen Autounfalls zusammenzusetzen. Ihre Erinnerung ist verschwunden, und die Wahrheit scheint unerreichbar. Während sie sich auf ihre Freunde und einen neuen Mann in ihrem Leben verlässt, um ihr durch diese dunkle Zeit zu helfen, beginnt sie, schockierende Hinweise aufzudecken, die eine unvorstellbare Wahrheit enthüllen - eine, die alles verändern könnte. Als sich das Geheimnis entfaltet, muss Savannah sich ihrer Vergangenheit stellen, den Geheimnissen, die sie aufdeckt, und der Gefahr, die sie mit sich bringen. Wird sie die schockierenden Enthüllungen überleben, die auf sie warten?
Kapitel 1
Ein unerbittlicher Kopfschmerz riss mich aus dem Schlaf und übertönte alle anderen Sinne – bis sich der Gestank von verbranntem Gummi und Plastik in meine Nase schlich. Weitere Gerüche tanzten in der Luft, seltsam süßlich, dann stechend scharf.
Motorflüssigkeiten. Motoröl. Benzin.
Ich zwang meine Augen auf, und meine verschwommene Sicht wurde allmählich klarer.
Das Netz aus Rissen in der Windschutzscheibe war der erste Hinweis, gefolgt von der zerbeulten Motorhaube und dem viel zu nahen Baumstamm dahinter. Ich war zwar keine Detektivin, aber selbst ich konnte mir zusammenreimen, dass ich einen Unfall gehabt hatte.
Mein Kopf schmerzte zu sehr, um einen klaren Gedanken zu fassen. Etwas Warmes rann über meine Stirn. Ich wischte darüber – und als meine Hand voller Blut war, überkam mich Panik.
Adrenalin durchzuckte mich wie eine Schockwelle. Mein Blickfeld verengte sich, und die dumpfen Geräusche um mich herum wurden mit einem Mal scharf – zu laut, zu viel.
Alles vermischte sich, dröhnte durcheinander, als würde jedes Geräusch darum kämpfen, das lauteste zu sein. Summen. Piepen. Tropfen. Klirren.
Meine überforderten Sinne konnten das alles nicht verarbeiten – und begannen stattdessen, komplett zu versagen.
Die Welt verblasste, doch kurz bevor ich das Bewusstsein verlor, zuckten rot-weiße Lichter durch das Innere des Autos. Irgendwo in der Ferne knallte eine Autotür, Schritte kamen näher.
Dann wurde alles schwarz.
Ich versuchte, meinen Arm zu bewegen, aber er war von Schläuchen durchzogen, die mit einem Gerät verbunden waren, das unaufhörlich piepte.Ich hörte mich selbst wimmern, als jemand sanft meinen Arm streichelte.
„Psst, alles wird gut“, sagte eine vertraute Stimme.
Mit kaum mehr als einem Flüstern stotterte ich: „W-was … wa-was ist … pa-passiert …“, doch meine trockene Kehle ließ kaum Worte zu. Ich versuchte mich zu räuspern, aber das machte es nur schlimmer.
Ich öffnete die Augen. Weiße Wände, steriles Licht – ein typisches Krankenhauszimmer. Ich ließ den Blick schweifen: kaum Einrichtung, ein Fernseher in der Ecke, ein Tisch über meinen Füßen. Mein erster Impuls war, mich aufzusetzen. Doch ein stechender Schmerz fuhr mir in den Rücken und zwang mich wieder ins Krankenbett.
Ich hörte jemanden nach Luft schnappen und sagen: „Savvy! Lass das!“
Ich drehte den Kopf und entdeckte die schwarzhaarige Person, die rechts neben meinem Bett saß.
Der Anblick meiner besten Freundin trieb mir fast die Tränen in die Augen. Shelly Jones und ich kannten uns seit unserer Kindheit – wir waren mehr Schwestern als Freundinnen.
„Shelly“, krächzte ich und versuchte erneut, mich aufzurichten.
„Savvy, ernsthaft, lass das“, sagte sie und legte ihre Hand auf meine Schulter, um mich sanft unten zu halten. „Hast du etwa vergessen, dass man diese Betten verstellen kann?“ Sie lächelte, nahm eine große Fernbedienung und drückte einen Knopf. Als ich halb aufrecht saß, fiel mein Blick auf eine Wasserkanne auf dem Tisch. Ich deutete darauf. „Bitte … Wasser“, flüsterte ich heiser.
„Oh, klar.“ Shelly schenkte etwas in den Becher ein und hielt mir den Strohhalm an die spröden Lippen. „Trink langsam. Anweisung vom Arzt.“
Dankbar nahm ich einen Schluck.. Das kühle Wasser beruhigte meinetrockene Kehle. „Danke“, flüsterte ich immer noch heiser.
Shelly stellte den Becher ab und sah mich an. Ich wollte gerade fragen, was los war, doch die Tränen in ihren Augen verrieten mir alles.
Ich sah vermutlich furchtbar aus. Ich war wohl schon eine Weile bewusstlos. Vielleicht hätte ich sogar sterben können.
„Savvy, ich …“, setzte sie an, doch dann brach der Damm.
Sie fiel mir plötzlich weinend in die Arme.
Ich verzog das Gesicht vor Schmerz, kämpfte aber gegen die Tränen an. Eine von uns musste stark bleiben. „Shelly, mein Rücken … das tut weh.“
Sie ließ sofort los. „Sorry! Ich bin einfach so froh, dass du endlich wach bist. Ich war jeden Tag hier, um nach dir zu sehen. Obwohl—“
„Jeden Tag? Wie lange bin ich schon hier?“
Shelly zappelte unruhig auf ihrem Stuhl herum, was mir ein flaues Gefühl imd Magen bescherte. „Drei Tage.“
„Das ist doch gar nicht so schlimm. Warum siehst du dann so … traurig aus? Und ernst? Abgesehen von Kopf- und Rückenschmerzen und etwas Verwirrtheit fühle ich mich eigentlich ganz gut.“ Ich strich die Decke glatt und wackelte mit meinen Zehen. „Sieht aus, als hätte ich noch alle Körperteile.“
„Was ist mit der Verwirrtheit?“, fragte sie, ihre Stirn weiter besorgt gerunzelt.. „Der Arzt meinte, du hättest dir den Kopf ziemlich heftig gestoßen. Es könnte sein, dass du Gedächtnislücken hast.“
„Ich bin ziemlich benebelt“, sagte ich und verzog das Gesicht, als ich mir an die Stirn fasste.„Au! Ist das ein Schnitt?“ Shelly nickte, und ich fuhr vorsichtig mit den Fingern über den Verband unter meinem blonden Pony. „Na ja, warum testest du mich nicht? Stell mir ein paar Fragen.“
Der Vorschlag hellte Shellys Miene merklich auf. Sie richtete sich auf, lächelte – wahrscheinlich fand sie, dass das Ganze wie ein Spiel wirkte. Shelly traurig zu sehen, war selten, und ich war froh, ihrein wenig von ihrer unbeschwerten Art zurückgeben zu können.
Sie stellte mir einfache Fragen, und ich konnte sie ohne Probleme beantworten.
Ich heiße Savannah Monroe, bin fünfunddreißig Jahre alt und lebe in Montgomery, Alabama. Ich arbeite in der Verwaltung eines Callcenters – der langweiligste Job der Welt – und engagiere mich, wenn ich kann, ehrenamtlich.
Meine Eltern sind tot, ich habe keine Geschwister oder sonstige Verwandte. Ich lebe allein – abgesehen von meinem Kater Chuckles, der gerade bei Shelly untergebracht ist. Ich bin kürzlich in eine neue Wohnung gezogen, weil ich mich von meinem Freund Patrick Majors getrennt habe, mit dem ich fünf Jahre zusammen war.
Erst als sie zu aktuelleren Themen überging, begannen meine Erinnerungen zu schwanken.
„Was ist das Letzte, woran du dich vor dem Unfall erinnerst?“, fragte sie.
Ich schloss die Augen und versuchte nachzudenken. „Wir waren bei mir. Haben uns fertig gemacht, um auszugehen. Und dann …“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. „Nichts. Das war’s.“ Plötzlich überkam mich ein seltsames Unbehagen.
„Okay, das ist gut“, sagte sie. „Das haben wir gemacht. Aber danach—“
Die Tür öffnete sich, und unterbrach sie mitten im Satz.
Unsere Blicke wanderten zu dem großen Mann mit graumeliertem Haar, der das Zimmer betrat.
Er sah Shelly an, zog einen Stift aus seiner Kitteltasche und überflog meine Akte, bevor er mich direkt ansprach. Mit einer kleinen Bewegung rückte er seine Brille zurecht. „Miss Monroe, ich bin Dr. James, Ihr behandelnder Arzt. Wie fühlen Sie sich?“
„Ehrlich gesagt? Ziemlich verwirrt.“
Diese Antwort ließ ihn völlig unbeeindruckt. „Ich meine körperlich. Haben Sie irgendwo Schmerzen?“
„Oh ja. Mein Rücken schmerzt sehr, und ich habe Kopfschmerzen.“
„Das ist zu erwarten.“ Er notierte etwas in der Akte. „Sie haben einen leichten Bruch an der Wirbelsäule und eine Platzwunde an der Stirn, die genäht werden musste. Alles in allem grenzt es an ein Wunder, dass Sie keine schlimmeren Verletzungen haben.“
Meine Verletzungen machten mir weniger Sorgen als die Tatsache, dass ich mich nicht erinnern konnte, wie sie zustande gekommen waren.. „Danke, Dr. James, aber können Sie mir sagen, was genau passiert ist? Ich weiß, dass ich in einem Autounfall war, aber wissen Sie, wie es dazu kam oder wie ich ins Krankenhaus gebracht wurde?“
Er trat näher an mich heran und richtete eine grelle Lampe auf mein Gesicht, der ich instinktiv mit den Augen folgte. Mit einer fließenden Bewegung steckte er die Lampe zurück in die Tasche seines Kittels. „Erzählen Sie mir, woran Sie sich erinnern. Jedes noch so kleine Detail, das Ihnen einfällt.“
Meine Augenlider zuckten, als ich mich im Raum umsah, in der Hoffnung, irgendwo in diesem grell beleuchteten, kalten Krankenhauszimmer eine Antwort zu finden.
Die Panik kehrte zurück, und ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen – doch wie so oft, wenn sie merkte, dass ich aufgelöst war, kam Shelly mir zuvor.
„Doktor“, sie wandte sich ihm zu, „sie kann sich an nichts von diesem Abend erinnern. Ist das normal? Geht es ihr gut? Wird sie diese Erinnerungen zurückbekommen?“
Dr. James antwortete nicht Shelly, sondern mir direkt – in professionellem Tonfall:: „Gedächtnisverlust ist nach einer Kopfverletzung nicht ungewöhnlich. Das liegt höchstwahrscheinlich am Trauma durch den Unfall. Die Scans zeigen eine gewisse Schwellung, aber die wird mit der Zeit zurückgehen.“
„Wie lange wird das dauern? Und wenn sie zurückgeht – kommen dann auch die Erinnerungen zurück?““, hakte Shelly nach. „Es ist nicht dauerhaft, oder?“
Ich konnte Shelly ihre Hartnäckigkeit nicht übelnehmen – Dr. James’ vage Antworten begannen auch mich zu frustrieren.
Er ließ sich von ihrer direkten Art nicht aus der Ruhe bringen und kritzelte in die Akte.. „Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es hängt von der jeweiligen Person ab, von der Art des Traumas und anderen Faktoren. Vielleicht erinnern Sie sich sogar noch heute.“ Er klickte seinen Stift und sah mir in die Augen. „Oder nie.“
Mit einem erschrockenen Keuchen hielt ich mir die Hand vor den Mund – genau wie Shelly. Meine Kehle zog sich zusammen, und ich krächzte: „Entschuldigung, Dr. James, aber sagen Sie damit, es könnte dauerhaft sein?“
„Nein, ich sagte, es könnte so sein. Im Moment ist das nicht absehbar. Alles, was Sie jetzt tun können, ist, sich auszuruhen. Ihr Körper und Ihr Geist brauchen Zeit zur Heilung.“ Er zeigte ein ausdrucksloses Lächeln und schloss die Akte.
„Danke, Doktor. Ich werde versuchen, mich auszuruhen“, sagte ich. „Aber ich … Ich habe so viele Fragen, die—“
Ein übertriebenes Seufzen und seine erhobene Hand schnitten mir das Wort ab. Dann nahm er die Brille ab und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Zum Unfallhergang selbst kann ich nichts sagen – nur zu Ihren Verletzungen.“
Warum auch immer – ein verzweifeltes Bedürfnis, zu wissen, was passiert war, überkam mich.
Dr. James kniff sich in den Nasenrücken und schloss für einen Moment die Augen. „Miss Monroe, Sie müssen jetzt ruhen. Ich darf Ihnen aus rechtlichen Gründen nichts sagen.“
„Rechtlich?“, fuhr ich auf, und ein stechender Schmerz zog sich über meinen Rücken – aber ich ignorierte ihn.. „Was soll das heißen? Wie kann es gesetzlich verboten sein, mir zu sagen, was mit mir passiert ist?“
Seufzend trat der Arzt zur linken Seite meines Bettes. „Sie müssen sich wirklich ausruhen. Diese ganze Bewegung ist nicht gut für Ihre Verletzungen.“ Er drückte einen Knopf an einem Gerät, und ich sah, wie Flüssigkeit in meine Infusion floss. „Ich gebe Ihnen jetzt etwas Morphium. Das wird Ihnen helfen, zu schlafen – und die Schmerzen lindern.“
„Nein, ich will nicht schlafen“, begann ich zu protestieren – doch das Mittel wirkte sofort. Meine Lider wurden schwer.
Bevor er den Raum verließ, sagte Dr. James noch: „Die Polizei wird morgen kommen. Sie können Ihnen Ihre Fragen beantworten – und Sie ihnen.“
„Die Polizei?“, fragte Shelly alarmiert. „Warum sollten die involviert sein? Ist das wirklich nötig?“
Ich war dankbar, dass sie das Gespräch für mich führte, während ich mit aller Kraft versuchte, wach zu bleiben.
Doch als ich den düsteren Ausdruck in Dr. James’ Gesicht sah, gefror mir das Blut in den Adern.
„Fräulein“, begann der Arzt mit kühlem Blick und umklammerte die Akte, „Sie waren in einen Unfall verwickelt. Natürlich wird die Polizei Fragen stellen. Aber es ist auch meine Pflicht, ihnen meine medizinischen Befunde zu melden – wenn ich denke, dass es einen strafrechtlich relevanten Vorfall gegeben haben könnte.“
„Einen strafrechtlichen Vorfall?“, murmelte ich schläfrig. „Welchen Fall? Ich … verstehe nicht …“ Ich begann einzuschlafen, hörte aber noch die letzten Worte des Arztes.
„Ja“, sagte er mit ernster, fast anklagender Stimme. „Ich muss es melden, wenn im Blut eines Fahrers Alkohol nachgewiesen wird.“














































