Es sind nun zwei Wochen her, seit Scholtz' erster Termin in einem heftigen Streit endete.
Ich dachte, ich hätte ihn mit meiner schroffen Art bezüglich seiner Verletzung verscheucht, aber Julie erzählte mir vor einer Woche, dass er seinen nächsten Termin bei mir gebucht hat.
Eigentlich wollte ich heute gar nicht zur Arbeit kommen, aber hier bin ich nun. „Hey Julie, tut mir leid für die Verspätung. Luna ist gestern Abend an eine Tasse heiße Schokolade geraten.“
„Ach du meine Güte“, sagt sie mit betrübter Miene. „Na ja, dein Patient ist schon da, er wartet im Behandlungszimmer.“
„Scholtz?“, frage ich mit einem mulmigen Gefühl.
„Ja, und du solltest dich besser von deiner besten Seite zeigen“, ermahnt sie mich.
Ich hänge meinen Mantel auf und stelle meine Tasche in mein Büro, bevor ich langsam zu seinem Behandlungszimmer schlendere. Mir ist klar, dass die Stimmung dort angespannt sein wird. Ich nehme all meinen Mut zusammen und öffne die Tür.
„Herr Scholtz, Sie sind wieder da.“
„Hallo... Ich-“
„Hören Sie“, unterbreche ich ihn. „Bevor Sie etwas sagen, wir sind letztes Mal schlecht gestartet und ich sollte mich für mein Verhalten entschuldigen.“
„Ich muss mich auch entschuldigen“, sagt er aufrichtig.
„Ich weiß nicht, warum Sie zurückgekommen sind“, sage ich und meide seinen Blick. Er schweigt eine Weile, also schaue ich auf. Er hat ein freundliches Lächeln und zu meiner Überraschung wärmt es mich innerlich.
„Wie gesagt, mir wurde empfohlen, Sie seien die Beste in der Gegend. Ein Freund von mir hat Sie mir ans Herz gelegt.“ Ich vermute, es war Ashton. Es wäre nicht das erste Mal, dass Ashton Leute zu mir schickt; ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm dafür dankbar oder böse sein soll.
„Also, Frieden?“, sagt Scholtz und streckt seine Hand aus.
„Frieden.“ Wir schütteln uns die Hände und ich spüre ein Kribbeln von meinen Fingerspitzen bis zum Rücken.
„Ähm, okay, fangen wir an!“ Ich ziehe meine Hand von seiner weg und trete einen Schritt zurück. Noch etwas verwirrt setze ich mich auf meinen Stuhl am Schreibtisch, wo ich für gewöhnlich bei diesen Terminen sitze.
„Wie haben Sie sich in den letzten zwei Wochen gefühlt?“
„Ganz okay“, sagt er. „Vielleicht ein bisschen wund.“
„Haben Sie Ihren Fuß geschont?“ Ich sehe ihn prüfend an. „Und bitte die Wahrheit!“, füge ich hinzu und deute auf sein Gesicht.
„Ja. Ganz wie Sie es gesagt haben“, antwortet er mit erhobenen Händen.
„Gut.“ Ich lache leise. „Also, ich habe mir Ihr MRT angesehen-“
„Oh, d-das machen Sie?“, fragt er überrascht.
„Natürlich.“ Ich schalte das Licht aus und die Lampe über der Arbeitsplatte an, die das MRT seiner Achillessehne zeigt.
„Ich dachte, nur Ärzte lesen MRTs.“
„Nun, ich habe einen Doktortitel in Physiotherapie“, sage ich nicht ohne Stolz. „Also bin ich Ärztin!“ Ich schaue zurück und schmunzle über seine Überraschung.
„Also, hier ist Ihre Achillessehne.“ Ich wende mich wieder seinem Scan auf dem Leuchtkasten zu.
„Die Sehne verbindet den Wadenmuskel mit dem Fersenbein. Diese Verbindung ermöglicht es den Wadenmuskeln, den Fuß auf und ab zu bewegen.“
Ich schaue zurück zu Scholtz, der interessiert, aber etwas überfordert von der Wissenschaft seines Fußes aussieht. Ich lächle und wende mich wieder dem MRT zu.
„Die Sehne besteht aus Strängen von Kollagenfasern. Wenn die Sehne reißt, lösen sich diese Stränge vom Wadenmuskel und müssen operativ wieder befestigt werden.“
Ich schalte den Leuchtkasten aus und das Raumlicht ein, drehe meinen Stuhl, um ihm auf der Untersuchungsliege gegenüberzusitzen.
„Die meisten Profispieler bekommen Achillessehnenprobleme mit 27. Sie haben Glück, dass Sie bisher keine Fersenschmerzen hatten, bei 30 Jahren und einer lebenslangen Fußballkarriere.“
„Woher wissen Sie, dass ich mein ganzes Leben lang spiele?“, fragt er.
Ich erstarre. Ich weiß sehr gut, wer Scholtz ist. Vielleicht zu gut. Ich habe ihn gegoogelt, als er Johns Platz einnahm, und seitdem immer wieder sein Privatleben und seine Fußballstatistiken überprüft.
Oft fühlte es sich an, als würde Scholtz mir bei Google folgen, immer präsent, wenn ich nachschaute.
Eines ist sicher: Ich werde ihm nichts von John erzählen. Jeder weiß, dass John Scholtz nicht ausstehen kann, und ich habe diese Beziehung schon genug vermasselt.
„Ich - nun, ich kenne Fußballspieler wie Sie mein ganzes Leben lang, also bin ich davon ausgegangen, dass Sie Ihr ganzes Leben lang spielen...“, versuche ich zu vertuschen, aber ich bin keine gute Lügnerin.
Seine Lippe verzieht sich zu einem Lächeln und ich hoffe, er durchschaut meine Notlüge nicht.
„Ähm, jedenfalls.“ Ich räuspere mich und versuche, mich zu konzentrieren. „Keine direkte Berührung der Operationsstelle für mindestens vier Wochen nach der OP. Wie waren die Schmerzen? Auf einer Skala von eins bis zehn, wobei zehn das Schlimmste ist?“, frage ich.
„Und seien Sie ehrlich“, füge ich mit einem Lächeln hinzu und zeige wieder auf ihn.
„Vielleicht vier oder fünf, manchmal sechs, wenn ich zu lange darauf bin“, antwortet er. Ich habe mit genug Flunkerern gearbeitet, um zu erkennen, dass er wahrscheinlich die Wahrheit sagt.
„Okay, das ist nicht zu schlimm. Zur Schmerz- und Schwellungskontrolle können wir hier Weichteilbehandlungen, Kältetherapie oder sogar elektrische Stimulation durchführen, wenn die Schmerzen schlimmer werden.“
Ich tippe seine Antworten in seine Akte auf meinem Laptop, bevor ich ihn schließe und ihn wieder ansehe. „Okay, Herr Scholtz-“
„Sie können mich Colin nennen“, sagt er mit einem Lächeln. Ich kann nicht anders als zu erröten und zurückzulächeln.
„Okay... Colin.“ Ich benutze seinen Vornamen. Sein Lächeln ist warm und ansteckend, und mein Herz beginnt in meiner Brust zu flattern.
„Sind Sie bereit, eine Ballerina zu sein?“, frage ich lächelnd, als sich sein Lächeln in Verwirrung verwandelt.
„Wie bitte?“
Ich kann nicht anders als zu lachen, als ich die Tür öffne. Er folgt mir hinaus in den offenen Übungsraum. Es ist eine sehr schöne Einrichtung, in der Mitte des Gebäudes zwischen meinem Büro und der Rezeption.
„Dieser Ort ist wie ein schickes Fitnessstudio“, sagt Colin und blickt auf all die tollen Geräte. Ich lächle, fühle mich aber schlecht, weil ich weiß, dass es noch lange dauern wird, bis er die meisten Geräte benutzen kann.
„Okay, setzen Sie sich auf die Bank und ziehen Sie Ihren Stiefel aus“, sage ich ihm. „Und... nehmen Sie es sich nicht zu Herzen wegen all der Geräte hier.“ Ich sage es vorsichtig. „Sie werden die nächsten drei Wochen hauptsächlich hier sitzen.“
Ich verziehe das Gesicht, weil ich denke, er könnte widersprechen, aber er nickt nur und akzeptiert, was ich gesagt habe.
„Wir beginnen mit einfachen Übungen wie Zehenkrümmen und -spreizen, Knöchelkreisen, Beinheben mit gestrecktem Bein sowie Kniebeugen und -strecken.“ Ich setze mich auf den Boden, wo ich seinen Fuß besser halten kann, und zeige ihm jede Übung, während ich spreche.
Er nickt wieder. Ich fahre fort: „Ich werde Ihnen einige leichte Kraftübungen und sanfte Fußbewegungen in Ihrem Stiefel zeigen, die Sie zu Hause machen können.“
Ich sehe ihn kurz an. „Es ist wichtig, den Fuß so oft wie möglich über dem Herzen zu halten, um Schwellungen zu reduzieren.“
Ich sehe ihn ernst an und zeige auf ihn. „Und keine Belastung! Nur weil Sie denken, Sie könnten mehr machen und sich pushen, tun Sie es nicht.
„Zu viel Stress könnte eine erneute Verletzung verursachen, und dann müssten Sie sich wieder unters Messer legen, um es zu beheben.“
„Okay, okay, Doktor.“ Colin hebt die Arme wie ein trauriger kleiner Junge, der zurechtgewiesen wird.
„Tut mir leid.“ Mir wird klar, wie sehr ich ihn belehre - und jetzt fühle ich mich hochnäsig, weil er mich Doktor nennt. „Und Sie können mich Brooke nennen.“
Wir unterhalten uns die nächste halbe Stunde locker, während ich ihn durch seine Übungen führe. Ich bin überrascht, dass ich das Gespräch mit ihm tatsächlich genieße.
„Okay, das war's für Ihre erste Sitzung“, sage ich von meinem Platz auf dem Boden vor ihm aus. Colin steht vorsichtig von der Bank auf und reicht mir dann die Hand. Ich nehme sie und er zieht mich auf die Füße. „Danke. Wie fühlen Sie sich?“
„Großartig. Ich kann es kaum erwarten bis nächste Woche“, sagt er mit einem leichten Lächeln. Ich bin sicher, dass er sich nicht großartig fühlt; niemand fühlt sich nach seiner ersten Physiotherapie-Sitzung großartig, wenn all diese heilenden Sehnen auf neue und schmerzhafte Weise beansprucht werden.
Aber es ist gut, dass er eine positive Einstellung dazu hat.
„Bitte versprechen Sie mir, dass Sie es ruhig angehen lassen. Machen Sie die Übungen, die ich Ihnen gezeigt habe, zu Hause, aber nicht öfter als dreimal am Tag.“
„Ja, Doktor. Keine Sorge, ich verspreche, Ihre strengen Regeln zu befolgen!“, sagt er scherzhaft, und ich schlage leicht gegen seine Brust, wobei ich versuche, nicht auf seine harten Muskeln zu reagieren. Dann begleite ich ihn zur Rezeption, wo Julie bereit ist, seinen nächsten Termin zu vereinbaren.
„Hier“, sage ich und nehme meine Visitenkarte vom Empfangstresen. Ich schreibe meine Handynummer auf die Rückseite und gebe sie ihm. „Falls Sie Fragen haben, bin ich immer erreichbar.“
„Toll, danke.“ Er steckt sie in seine Tasche.
„Sollen wir Ihren Termin für nächste Woche planen, Herr Scholtz?“, sagt Julie und lässt ihn von mir wegschauen.
„Gerne“, antwortet er und tritt vor, um auf ihren Bildschirm zu schauen.
„Bis nächste Woche, Colin“, sage ich und drehe mich um, um zurück in mein Büro zu gehen.
„Ich freue mich darauf, Brooke.“ Ich kann nicht anders, als mich in meiner Bürotür umzudrehen und zuzusehen, wie er mit Julie einen Termin auswählt und das Zentrum mit einer Krücke verlässt. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. Ich kann es kaum glauben. Ich freue mich auch darauf, ihn nächste Woche zu sehen!
