
Es waren drei Tage vergangen, und Harper ging mir nicht aus dem Kopf. Deshalb trieb ich mich ohne echten Grund im Studio herum. Ich konnte einfach nicht fernbleiben.
Es war wirklich zum Heulen.
Walker Donovan, der einer Frau hinterherlechzte, die er kaum kannte. Normalerweise begehrte ich Frauen nicht auf diese Art.
Ich mochte es nicht, meine Eltern für meine verkorkste Einstellung zu Beziehungen verantwortlich zu machen. Klar, sie trugen ihren Teil dazu bei, aber es konnte nicht alles ihre Schuld sein. Kelli und ich waren im selben Haus aufgewachsen. Sie führte eine glückliche Ehe, also hatten sie sie nicht verdorben.
Mir war klar, dass vieles davon auf Vorurteilen beruhte, die ich mir über die Jahre angeeignet hatte. Die Leute liebten Geld, und jetzt, wo ich es hatte, fiel es mir schwer, jemandem zu vertrauen. Ich hatte gesehen, wozu Menschen für Geld fähig waren.
Ich wollte nicht ausgenutzt werden. Wenn ich niemanden an mich heranließ, konnten sie mich nicht verletzen. Harper schien zwar nicht der Typ dafür zu sein, aber Menschen konnten einen überraschen.
Also tat ich, was ich immer tat.
Ich ging ihr aus dem Weg.
Ich zog durch die Clubs und flirtete mit hübschen Frauen. Ein paar nahm ich sogar mit ins Hotel. Das machte ich mit Absicht. Ich wollte, dass Harper sie sah.
Ich wollte ihr zeigen, wer ich wirklich war, bevor ich sie an mich zog und wieder wegstieß. So tickte ich nun mal, und das hatte sie nicht verdient. Allerdings schlief ich mit keiner von ihnen. Früher hatte ich damit nie Probleme gehabt. Ich konnte die Dinge leicht ausblenden und mich auf die hübsche Frau an meiner Seite konzentrieren, aber jetzt ging es einfach nicht – nicht ohne an Harper zu denken.
Das jagte mir eine Heidenangst ein.
Also beschloss ich, sie aufzusuchen. Vielleicht würde ich aufhören, an sie zu denken, wenn ich sie sah. Möglicherweise bildete ich mir nur ein, sie mehr zu wollen, als es tatsächlich der Fall war. Es würde wahrscheinlich nicht klappen, aber ich redete mir ein, es sei ein guter Plan.
Als ich sah, wie sie sich mit Asher Anderson unterhielt, wurde mir mulmig zumute. Sie schienen zwar nicht zu flirten, aber ich kannte Typen wie Asher. Ich war selbst einer von ihnen. Ihre Unschuld war eines der Dinge, die sie so anziehend machten. Er wollte sie wahrscheinlich verderben, und das konnte ich nicht zulassen. Wenn sie jemand verderben sollte, dann ich.
Ich ging schnurstracks zu ihr, als er wegging. Sie reagierte etwas schnippisch. Ich musste ein Grinsen unterdrücken. Sie war offensichtlich sauer, aber ich fand es unheimlich süß.
Zwischen uns knisterte es gewaltig. Wie ich mich fühlte, als ich sie berührte, verschlug mir die Sprache. Als sie wegging, ließ ich sie also ziehen.
Da ich schon mal da war, beschloss ich, mit Kelli spät zu Mittag zu essen. Oder früh zu Abend, je nachdem, wie man es sieht. Wir holten uns was vom Imbisswagen vor dem Studio und ich fragte sie nach Harper aus.
„Wie läuft's denn so?“, fragte ich und biss in mein Sandwich.
„Warum bist du hier, Walker?“
„Darf ich meine Schwester nicht einfach so besuchen?“
Sie schnaubte verächtlich. „Nö.“
Sie wusste genau, warum ich da war. Schon als Kinder konnte sie immer in meinem Kopf lesen.
„Ich wollte nur sichergehen, dass alles okay ist mit der neuen Autorin. Das ist ja nicht gerade ihr gewohntes Umfeld.“
Sie sah mich schräg an. „Willst du damit sagen, du traust meinem Urteilsvermögen nicht?“
„Was? Nein ...“
„Dass ich nicht weiß, was ich tue, indem ich Harper hierherbringe?“
Ich schüttelte den Kopf. „Das ist nicht –„
Sie fing an zu lachen, und ich schaute wie ein begossener Pudel drein. Sie hatte mich auf den Arm genommen. Ich konnte es nicht fassen. Doch, eigentlich schon, aber ich hatte nicht damit gerechnet.
Ich verdrehte die Augen und nahm einen Schluck Cola. „Bist du jetzt fertig?“
Sie hob abwehrend die Hände. „Tut mir leid, aber du hättest dein Gesicht sehen sollen.“ Als ich nicht antwortete, sagte sie: „Sieht so aus, als hätte Harper dich echt umgehauen, was?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht warum.“
Sie lächelte. „Doch, das weißt du. Sie ist anders als die Tussen, mit denen du dich sonst umgibst. Sie ist nett, fürsorglich, klug, hübsch. Außerdem scheint sie sich von deinen Mätzchen nicht beeindrucken zu lassen.“
„Ich kann einfach nicht aufhören, an sie zu denken, Kel.“
„Wo liegt also das Problem?“
„Du hast es doch selbst gesagt. Ich bin nicht nett. Ich führe keine Beziehungen. Ich wäre ein mieser Freund. Harper verdient jemanden, der sich um sie kümmert.“
Sie musterte mich einen Moment, bevor sie antwortete. „Ja, du kannst wirklich ein Arsch sein. Du kannst egoistisch sein.“
„Aber du warst noch nie mit jemandem zusammen, der dich anständig behandelt hat. Jemand, der nicht nur auf Sex oder Kohle aus war. Ich denke, mit Harper wäre es anders.“
Ich seufzte. „Und wenn ich ihr wehtue?“
„Ich glaube kaum, dass du der erste Kerl bist, der auf sie steht. Harper ist erwachsen. Sie kann selbst entscheiden, ob du dieses Risiko wert bist.“ Sie schnappte sich meine Cola und trank den Rest aus.
„Hey, Kel! Du hast gesagt, du willst keine.“
Sie zuckte mit den Schultern, als sie aufstand. „Ich hab's mir anders überlegt.“
Als sie wegging, hätte ich ihr am liebsten die Zunge rausgestreckt, wie wir es als Kinder getan hatten.
Als ich den Müll vom Essen wegwarf, sah ich Harper vor dem Studio warten. Ich konnte nicht anders, als schelmisch zu grinsen.
Ich schlich mich leise an sie heran. Ihr Körper versteifte sich sofort. Sie wusste, dass ich da war.
„Ich hab mich schon immer was gefragt.“
Sie antwortete, ohne sich umzudrehen. „Was denn?“
Ich beugte mich vor und flüsterte ihr ins Ohr. Ich konnte sehen, wie ihr Körper auf meinen Atem an ihrer Haut reagierte. Ich würde nicht aufhören – das stand fest. „Leute, die Liebesromane schreiben – basieren die auf echten Erlebnissen?“
„Nicht wirklich.“ Sie wurde rot und sagte: „Zumindest bei mir nicht. Das ist alles frei erfunden.“
Asher kam von den Wohnwagen auf uns zu, aber ich musste noch eine Sache loswerden, bevor ich ging.
„Frei erfunden? Oder eher Wunschdenken?“
Sie antwortete nicht und sah mich nicht an. Sie umklammerte ihren Laptop fester, und ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Ich trat vor sie, um ihr Gesicht zu sehen. Es sagte mir stumm genau das, was ich wissen wollte.
Mit einem frechen Lächeln sprach ich, als ich mich zum Gehen wandte. „Dachte ich mir's doch.“
Es hätte mir eigentlich egal sein sollen, dass sie Zeit mit ihm verbringen würde. War es aber nicht, und ich hasste dieses eifersüchtige Gefühl in meiner Magengrube.
Asher Anderson.
Er war ein Weiberheld. Er hatte Geld, Aussehen, Charme und fühlte sich zu allem berechtigt. Normalerweise würde es mich einen Dreck interessieren. Ich würde mich nie in die Pläne eines anderen Kerls einmischen. Aber der Gedanke an seine Griffel an Harper drehte mir den Magen um. Seine Ausrede über das Gespräch über den Charakter war zwar clever, aber gelogen. Ich konnte nicht glauben, dass Harper darauf reinfiel.
Nein. Das wollte ich nicht glauben. Harper war nicht blöd, und sie schlief bestimmt nicht mit jedem x-beliebigen Typen. Nicht, dass wir darüber geredet hätten, aber nach meinen Erfahrungen mit den Frauen, mit denen ich zusammen war, konnte ich das sagen. Sie war so unschuldig. Ich wollte so gern diese süße Fassade durchbrechen und sehen, was sich darunter verbarg.
Das war wahrscheinlich genau das, was Asher dachte. Ich konnte nicht zulassen, dass er das tat. Wenn sie jemand verderben sollte, dann ich.