Raven Wimberley
DAMIEN
Ich heiße Damien. Mit 36 Jahren bin ich der Enforcer des Hell’s Fire MC. Im Gegensatz zu meinen Brüdern stehe ich auf Frauen mit mehr Kurven. Bei meinen 2,01 Metern und 113 Kilo Muskelmasse fühlen sich zierlichere Frauen für mich einfach zu zerbrechlich an.
Als Adoptivkind sehe ich meinen Eltern nicht ähnlich. Während meine Eltern beide blond sind und braune und blaue Augen haben, habe ich schwarzes Haar und leuchtend grüne Augen. Meine gebräunte Haut betont sie noch mehr.
„Dozzer, fährst du mit mir? Ich gehe in den Buchladen, um neuen Lesestoff zu kaufen.“
„Klar, warum nicht? Ich verstehe nur nicht, wie du so viel lesen und trotzdem die ganze Arbeit im Tattoo-Studio schaffen kannst.“
„Ich schalte gerne mal ab. Ich lese, wenn’s im Studio ruhig ist und kurz vor dem Schlafengehen. Das hilft mir, runterzukommen.“
Dozzer macht sich nicht über mich lustig, weil ich lese, wie es einige andere Brüder tun. Man sollte meinen, dass die klischeehafte Vorstellung eines Enforcers, der nur auf körperliche Stärke setzt, aber für vieles andere zu dumm ist, schon längst überholt ist.
Offensichtlich nicht. Es ist nur traurig, dass einige der gleichen Leute, die von der Abschaffung des Stereotyps profitieren könnten, es am Leben erhalten.
Nachdem wir im Stadtbuchladen mein Buch nicht gefunden haben, schicken sie uns zum neuen Laden. Wir fahren hin und ich bin überrascht, dass ich ihn bisher übersehen habe.
Das große Gebäude beherbergt zwei Läden. Eine Seite hat abgedunkelte Scheiben, durch die man nicht reingucken kann. Die andere Seite zeigt Bücher in den Schaufenstern, um Kunden anzulocken.
Als ich von meinem Motorrad steige, bemerke ich kaum, dass eine Mutter die Hand ihrer Tochter packt und sie wegzieht.
Dozzer funkelt sie an und ich verlangsame meine Schritte, damit sie nicht denken, ich würde ihnen folgen. Eigentlich sollte es mir egal sein. Meine Brüder waren immer für mich da, aber es nervt, dass die Leute nicht über die Motorräder und Aufnäher hinaus sehen.
Sie eilen zum Eingang und verschwinden in den Buchladen. Wir sind nicht weit hinter ihnen, aber als wir reinkommen, sind sie wie vom Erdboden verschluckt. Ich atme erleichtert aus und meine Schultern entspannen sich.
Man weiß nie, was passieren kann, wenn Menschen sich unwohl fühlen, und das Letzte, was ich brauche, ist, dass jemand denkt, ich würde sie verfolgen, statt nach einem Buch zu suchen.
Gerade als ich einen Mitarbeiter um Hilfe bitten will, sehe ich sie.
Sie ist nicht mein üblicher Typ. Normalerweise stehe ich auf Blondinen mit gebräunter Haut, nicht auf Brünette mit Porzellanteint. Aber zu sehen, wie sie ihre Brille hochschiebt und ihr Haar hinters Ohr streicht, zieht mich in ihren Bann. Sie sieht auf und unsere Blicke treffen sich. Sie hat wunderschöne Augen. Augen, in die ich ewig starren könnte.
Als sich unsere Blicke kreuzen, meine ich für einen Moment Interesse in ihren Augen zu sehen. Doch dann wendet sie sich ab und vertieft sich wieder in ihr Buch. Ich beschließe, sie anzusprechen und was kann da besser sein, als nach meinem Buch zu fragen.
„Entschuldigung, Süße. Weißt du, wo ich die Abteilung für Mythologie finde?“
Ich höre Dozzer prusten und werfe ihm einen genervten Blick zu. Normalerweise ist er ein guter Kerl, aber manchmal kann er ein echtes Arschloch sein. Er sieht mich unschuldig an und wendet sich dann den Büchern im Regal zu.
Glücklicherweise hat sie weder meine Frage noch Dozzers Prusten gehört, also versuche ich es erneut.
„Das muss ja ein verdammt gutes Buch sein, wenn du nicht mal hörst, dass jemand mit dir spricht“, sage ich und hebe ihr Buch leicht an.
Sie sieht mich an und plötzlich kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich will ihre Stimme hören, aber ich bin so auf ihre haselnussbraunen Augen fixiert, dass ich befürchte, ihre Worte zu überhören.
„Ist das nicht ein bisschen zu kompliziert für dich, Mädchen?“, fragt Dozzer verwirrt.
Seine Worte zerstören den Bann. Ich blinzle und bemerke, dass ihr seine Frage und die Anrede „Mädchen“ nicht gefallen. Sie schließt die Augen und ihr Kiefer spannt sich an, aber sie bleibt ruhig, als sie Dozzer antwortet.
„Eigentlich nicht. Mein Nachbar hat ein neues Elektroauto gekauft, also lerne ich, wie der Motor im Vergleich zu seinem alten Auto funktioniert. Ich möchte ihn als Kunden in meiner Werkstatt behalten. Es gibt Wechselstrommotoren, Gleichstrommotoren und Spezialmotoren, die …“
„Süße“, unterbricht Dozzer sie herablassend. „Ich glaube kaum, dass du weißt, wie man an einem Motor schraubt.“
Ihre Augen verengen sich leicht, aber sie bleibt gelassen. „Tja, das hängt davon ab, an welchem Motor gearbeitet werden muss“, sagt sie. „Es gibt Benzin- und Dieselmotoren.“
Ich verberge ein Grinsen hinter meiner Hand. Es ist offensichtlich, dass sie etwas vorhat. Ihre Stimme hat eine kindliche Note angenommen, aber Dozzer tappt voll in die Falle. Er verschränkt die Arme, bereit, sie zu belehren.
Dozzer hasst es, wenn eine Frau mehr weiß als er – besonders wenn es um Fahrzeuge geht.
„Sie wissen sicher, welchen Typ ich meine?“, fragt sie unsicher klingend.
Dozzer nickt und grinst. Er beugt sich vor, kurz davor, etwas Peinliches zu sagen, als sie ihm direkt in die Augen sieht. „Die sind ein Kinderspiel. Ich arbeite schon seit Jahren an normalen Benzinmotoren.“
Ich lache und klopfe Dozzer auf den Rücken. Aber sie ist noch nicht fertig mit ihm.
„Bei einem Elektromotor, wo man normalerweise den Motorblock und andere Teile eines Benzinmotors sehen würde …“
Sie redet weiter, aber ich höre nicht mehr auf ihre Worte. Sie weiß, wovon sie spricht. Sie strahlt Selbstbewusstsein aus und ich finde das verdammt sexy. Ich beobachte ihre Lippen, während sie spricht, und stelle mir vor, wie sie sich um meinen Schwanz anfühlen würden.
Sie lehnt sich näher zu Dozzer, als würde sie ihm ein Geheimnis verraten, aber ich erhasche einen Blick auf ihre blassen Brüste und muss mich beruhigen und mich zurechtrücken. Ich schaue zu Dozzer, und es genügt, um meinen Schwanz zu beruhigen.
Sie beendet ihre Erklärung und er steht da und öffnet und schließt seinen Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich gluckse leise, bevor sie sich mir zuwendet.
„Ach ja, und die Abteilung, nach der du suchst, ist an der Rückwand ganz links. Einen schönen Tag noch, meine Herren.“ Sie öffnet ihr Buch wieder und ignoriert uns wie lästige Fliegen.
Dozzer geht wütend weg, aber ich bleibe stehen in der Hoffnung, dass sie wieder aufblickt. Das tut sie.
„Brauchst du noch etwas?“
„Ich würde gerne deinen Namen wissen“, sage ich.
„Wozu? Du wirst mich sowieso nicht wiedersehen.“
„Ich heiße Damien. Ich möchte einfach den Namen einer hübschen jungen Frau erfahren.“
„Ach, bitte, als ob ich das glauben würde. Geh und such deinen Freund, Damien. Ich bin sicher, er schmollt irgendwo.“ Sie bückt sich, um ein paar Bücher aufzuheben, und ich wünschte, ich wäre das Bücherregal und könnte ihren Hintern besser sehen. Ohne sich umzudrehen, geht sie nach vorn zur Kasse.
Verdammt. Das war echt heiß. Ich beobachte, wie sie eine Kundenkarte vorzeigt. So stalkerisch es auch klingt, doch nachdem sie gegangen ist, gehe ich zu der Kassiererin
„Entschuldigung, können Sie mir den Namen des Mädchens verraten, das gerade ein Buch gekauft hat?“
„Oh, du meinst Ruby? Die ist ständig hier. Heute war sie in der Autoabteilung, aber vor zwei Tagen war sie in der Mythologie-Abteilung. Dieses Mädchen hört nie auf zu lesen.“ Die junge Kassiererin, die etwa 17 zu sein scheint, wirft ihre Haare zurück und lächelt mich an.
Ich wende mich ab und gehe zum hinteren Teil des Ladens. So wusste sie also, wo das Mythologie-Buch sein würde, das ich suchte. Schlaues Füchslein. Ich finde das Buch, bezahle es, suche Dozzer und wir verlassen den Laden.
„Mann, hättest du nicht weniger ein Arschloch wegen der Motoren sein können?“, frage ich, als wir draußen sind.
„Warum interessiert dich das?“, fragt er stirnrunzelnd, während er darüber nachdenkt, wie sie ihn ausgetrickst hat. „Außerdem ist sie sowieso nur eine fette Schlampe.“
Ich schlage Dozzer auf den Kiefer. „Sprich verdammt nochmal nicht so über sie. Du kennst sie nicht einmal.“
Er verzieht sein Gesicht als er es berührt. „Scheiße, Mann. Das hat verflucht wehgetan! Was ist los mit dir? Du kennst sie doch auch nicht“, sagt er, während er sich das Gesicht reibt.
„Ehrlich gesagt“, sage ich und sehe mich auf dem Parkplatz nach ihr um, „würde ich das gerne ändern.“