Undercover beim MC  - Buchumschlag

Undercover beim MC

M. Wolf

Kapitel 1: Eine Herausforderung

VANESSA

Ich schaue mich vorsichtig auf der Straße um und ziehe die Kapuze tiefer ins Gesicht. Die Luft ist rein. Nach einem letzten Blick über die Schulter eile ich mit gesenktem Kopf und einer Tüte voller Leckereien zur Polizeiwache.

Es ist eine Weile her, dass ich zuletzt hier war. Als ich Mary am Empfang sehe, zieht ein Lächeln über mein Gesicht. Sie blickt von ihrem Computer auf, als ich eintrete, dann schnellt sie von ihrem Stuhl hoch und umarmt mich.

„Schön, dich zu wiederzusehen! Wie geht’s denn so?“, fragt sie. Ich greife in meine Tasche und hole einen Behälter heraus.

„Alles ruhig, also Zeit für einen Besuch. Hier – frische Zimtschnecken, gerade erst heute Morgen gebacken, damit sie noch warm sind.“ Ich reiche ihr den Behälter und sie strahlt. Zimtschnecken sind ihr Lieblingsgebäck, das weiß ich.

„Du bist ein Schatz! Viel Glück“, sagt sie zum Abschied.

Ich gehe zügig zum hinteren Teil des Gebäudes, wo meine Abteilung ist. Tiefe Stimmen dringen an mein Ohr und ich folge dem Geräusch zum Besprechungsraum.

Unser Team besteht aus Zivilpolizisten. Wir arbeiten hauptsächlich verdeckt. Jack Hall ist unser Chef. Wir haben verschiedene Aufgaben, aber mein wichtigster Auftrag derzeit: mich in einen örtlichen Motorradclub namens Red Devils einzuschleusen.

„Vanessa! Oh, ich liebe es, wenn du Leckereien mitbringst“, ruft jemand, als ich eintrete. Ich lache und schüttle den Kopf, während ich die Backwaren auf den Tisch stelle.

„Ich hab dich auch vermisst, Mick“, sage ich, und er zieht mich in eine feste Umarmung.

Mick ist mein Partner. Er und Jack sind meine Hauptansprechpartner für meine Arbeit. Mick bearbeitet den Red Devils-Fall vom Büro aus, erledigt aber auch andere Polizeiarbeit.

Mick ist ein großer Mann, vor allem um die Mitte herum. Seine Frau Alice ist nicht sehr begeistert von meinen Backwaren, weil sie Mick angeblich jede Woche neue, größere Klamotten kaufen muss. Ihre Worte, nicht meine. Es ist nicht meine Schuld, dass er so viel isst. Er muss einfach lernen, sich zu beherrschen.

„Sie war wieder fleißig!“, ruft Jack von der anderen Seite des Raums.

Jack Hall ist unser Vorgesetzter und mein Freund. Er ist fünfundfünfzig, sieht aber aus wie dreißig.

Wir setzen uns mit Kaffee und meinen mitgebrachten Leckereien an den Tisch. Es ist heute nur eine kleine Runde, da es in diesem Meeting nur um den Motorradclub geht.

„Also gut, kommen wir zum Red Devils-Fall“, sagt Jack, während er in seinen Notizen blättert und sich die Stirn reibt.

„Wie läuft’s mit den Unruhestiftern, Nessie?“, fragt Brady, ein Kollege mit einer Vorliebe für schlechte Spitznamen.

Ich werfe ihm einen genervten Blick zu und er hebt abwehrend die Hände.

„Es ist ruhig“, sage ich. „Zu ruhig. Wie lange bin ich jetzt schon dort? Vier Monate? Und es gibt immer noch nichts zu berichten.

Ich bin Morgan nähergekommen, Hammers Frau, dem Präsidenten. Sie hat mir kürzlich verraten, dass der MC früher in nicht ganz legale Geschäfte verwickelt war. Aber seit Hammer die Leitung von seinem Vater übernommen hat, läuft angeblich alles legal und sauber.“

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück.

Jack prustet neben mir ungläubigund schüttelt den Kopf. Er reibt sich weiter die Stirn und sieht genervt aus.

„Du willst mir doch nicht wirklich weismachen, dass da nichts Krummes läuft“, sagt er stirnrunzelnd. „Meine Informationen besagen, dass sie tief in illegale Geschäfte verwickelt sind.“

Ich zucke mit den Schultern. „Du hast mir nie gesagt, woher diese Informationen stammen, Jack. Aber ich sage dir – bisher ist es ruhig. Ich komme Navy näher, vielleicht kann ich von ihm etwas Brauchbares erfahren. Er ist der jüngere Bruder des Vizepräsidenten Steel, da reden die beiden doch bestimmt miteinander über Dinge.“

Jack und Brady nicken zustimmend, aber Mick sieht mich nachdenklich an.

„Versuch, dem Vize näherzukommen“, sagt er. „Er ist doch schon länger im MC als sein Bruder, oder?“

Ich schüttle den Kopf. Steel näherkommen? Allein der Gedanke jagt mir einen Schauer über den Rücken. Diese eisblauen Augen …

Ich erinnere mich an den Tag, als ich ihn kennenlernte – ein großer, muskulöser Typ mit einem Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Sie interviewten mich für den Küchenjob und der Vize musterte mich, als wäre ich ein lästiges Insekt.

Während ich draußen vor dem Büro auf ihre Entscheidung gewartet hatte, hatte ich gehört, wie er dem Präsidenten gesagt hatte, er hielte mich nicht für geeignet.

„Sieht eher aus wie ein Mädchen für die Devils als eine Arbeiterin“, hatte er gesagt. „Die Jungs werden alle mit ihr schlafen wollen. Ich wäre überrascht, wenn sie überhaupt eine Kartoffel schälen kann.“

Jetzt, wann immer er mich sieht, wendet er sich ab, als könne er meinen Anblick nicht ertragen.

„Tut mir leid, Mick“, sage ich. „Das wird nicht passieren. Navy ist umgänglich, der fröhliche Typ. Sein Bruder, der Vize? Völlig anders. Er ist sehr verschlossen und distanziert mir gegenüber. Er ist einfach nicht zugänglich.“

Manchmal denke ich, der Vize spürt, dass ich nicht wirklich aus den Gründen im MC bin, die ich angegeben hatte. Ich hätte auch Angst, zu viel Zeit in seiner Nähe zu verbringen – er scheint der Typ zu sein, der nicht leicht vertraut.

„Klingt, als müsstest du dich bei dem Kerl mehr ins Zeug legen, Vanessa“, sagt Brady. „Jeder Mann hat seine Schwachstellen. Finde heraus, was er mag. Vielleicht kannst du deinen Charme spielen lassen und ihn um den Finger wickeln.“ Er grinst anzüglich und ich verdrehe die Augen.

„Ich werde micht nicht prostituieren, um an Informationen zu kommen, Brady. Das überlasse ich dir“, sage ich spöttisch, und er hebt wieder abwehrend die Hände.

„Zumindest scheint Ink’s Tattoo Shop sauber zu sein“, sagt Mick und lenkt das Thema von Bradys nervigem Verhalten ab. „Ich glaube nicht, dass wir dort etwas finden werden. Ich habe ein paar Steuerunterlagen durchgesehen und alles sieht legal aus. Außerdem scheint der Laden wie ein normales Tattoostudio zu laufen.“

Ich werfe Mick einen dankbaren Blick zu und er zwinkert mir kurz zu.

„Okay, danke für die Info, Mick“, sagt Jack. „Ich muss in diesem Fall Fortschritte sehen, also schlage ich vor, du gräbst tiefer, Vanessa. Sieh zu, was du herausfinden kannst. Ich bin sicher, da ist etwas.“

Ich nicke. Wenn es etwas zu finden gibt, werde ich es finden. Ich hasse Drogendealer, weil ich in meinem Job schon zu viele Menschen an Drogen habe sterben sehen.

Wir besprechen noch ein paar Kleinigkeiten und das Meeting endet. Brady und Jack verlassen den Raum, aber Mick schnappt sich noch eine Zimtschnecke und ich schüttle den Kopf.

„Was?“, fragt er mit vollem Mund und ich fange an zu lachen.

„Du weißt, dass ich wieder einen wütenden Anruf von Alice bekomme, wenn du so weiterfrisst.“

Er verdreht die Augen – aber sein Lächeln ist ansteckend. „Alice macht sich zu viele Sorgen“, sagt er kauend. „Sie musste mir nur ein- oder zweimal neue Hosen kaufen. Sag ihr nicht, dass ich den ersten Teil gesagt habe.“

Ich schüttle lachend den Kopf. Dann frage ich: „War Jack in letzter Zeit sehr beschäftigt?“

Er sieht überrascht aus. „Jack ist doch immer beschäftigt, oder? Der Mann lebt fast hier.“

Ich nicke. „Stimmt, aber er sah müde aus und rieb sich ständig den Kopf, als hätte er Kopfschmerzen.“

Mick blickt nachdenklich aus dem Fenster. „Dieser Fall macht Jack wohl sehr zu schaffen“, sagt er. „Er redet ständig davon. Er will unbedingt, dass es klappt. Außerdem hat er wohl wieder Ärger mit seinem Sohn.“

Das ergibt Sinn. Jacks Sohn ist zwar erwachsen, scheint seinem Vater aber immer noch Sorgen zu bereiten. Manchmal kommt er zur Wache, die beiden verschwinden für eine Weile in Jacks Büro und dann stürmt der junge Mann schmollend wieder hinaus.

„Ja, also … wenn Jack so weitermacht, wird er noch krank vor Stress. Ich glaube wirklich nicht, dass es im MC etwas Illegales zu finden gibt, aber ich werde mein Bestes tun, um es herauszufinden.“ Ich stehe auf, um zu gehen.

„Sei vorsichtig, Vanessa. Ich will, dass du in einem Stück zurückkommst“, sagt Mick.

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