Melissa Nicole
CHANCE
„Yo, Chance! In fünf Minuten geht’s los!“, ruft einer meiner Brüder vom Lager aus. Wir machen uns auf den Weg nach Woodridge, etwa eine halbe Stunde Motorradfahrt entfernt wenn wir uns an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.
Wir treffen uns mit einem neuen Lieferanten. Mit den alten gab’s Ärger, konnte man sagen. Die Arschlöcher wollten unsere Ware klauen und haben dabei einen von uns angeschossen. Natürlich habe ich sie dafür bezahlen lassen. Alle vier von ihnen. Verdammte Arschlöcher. Ich mag keine Ratten oder Lügner.
Eigentlich mag ich Menschen generell nicht besonders.
Außer meine Crew, die Hell Razors. Ich bin der Vize, wie mein Vater es war. Das ist das einzige Leben, das ich kenne. Und ich komme damit klar. Wer mir dumm kommt, dem komme ich noch mehr dümmer. Wer sich mit meiner Familie anlegt, wird in Stück gerissen.
Ich reiße mir für den Club den Arsch auf, schlafe mit Clubhuren und feiere die ganze verdammte Zeit. Der Club ist meine Familie. Eine richtige hab ich nicht mehr, aber diese Jungs sind Brüder fürs Leben für mich.
Wir fahren los und in weniger als einer halben Stunde sind wir in Woodridge. Heute reden wir nur mit den Lieferanten, kaufen noch nichts. Ich vertraue nicht schnell. Fünf Minuten außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite, halten wir neben diesem großen Geschäft, unsere Reifen knirschen auf dem Kiesplatz.
Ein paar Typen machen das Tor auf und wir fahren rein. Fünf Kerle mit Kutten von den Twisted Reapers, kommen aus dem Lager heraus und auf uns zu.
Die sind 'ne Kleinstadt-Gang, die versucht, mit größeren Clubs aus den Städten ins Geschäft zu kommen. Sie bieten uns 'nen verdammt guten Deal für Stoff an, also dachte ich, es kann nicht schaden zu hören, was sie zu sagen haben.
Ich steige mit zehn meiner Leuten vom Club vom Motorrad und gehe auf die fünf nervös wirkenden Typen zu. „Also, ich hab’ gehört, ihr habt ein Angebot, das wir nicht ablehnen können“, sage ich zu ihrem Vize, Trigger.
„Ja, Sir. Wir treffen uns hier alle paar Wochen hier und geben euch gutes Koks zum halben Preis“, erklärt er mir.
Ich werfe meinen Kopf lachend zurück. „Zum halben Preis? Wo ist der Haken?“ Ich packe ihn an der Kehle, woraufhin seine Männer ihre kleinen Waffen ziehen. Meine Leute ziehen ihre größeren und die Twisted Reapers halten sich klugerweise zurück.
Ich drücke Triggers Hals fester zu und blicke ihm direkt in die Augen. „Warum macht ihr das? Ich lass mich nicht verarschen!“, brülle ich ihn an.
„Ich verarsche dich nicht, Mann!“ Er ringt nach Luft und versucht, meine Finger von seinem Hals zu lösen.
Ich lasse ihn los, neugierig darauf, was er zu sagen hat.
„Wir haben früher mit 'nem Club in der Nähe von Chicago zusammengearbeitet, aber die sind plötzlich ausgestiegen. Wir machen kaum noch Gewinn. Unser Club zerfällt“, sagt er hustend und fasst sich an den Hals. „Wir haben die Bullen in dieser Stadt geschmiert. Niemand wird Fragen stellen, wenn ihr ab und zu hier durchkommt.“
Er hat einen Punkt. Aber wenn der Stoff so gut ist, wie er sagt, sollte er eigentlich kein Problem haben, ihn verkaufen zu können. Entweder stimmt was mit den Drogen nicht oder er ist einfach schlecht im Verkaufen. Ich tippe auf Letzteres.
„Zeig mir den Stoff“, fordere ich. Trigger nickt und gibt mir einen kleinen Beutel.
„Was zum Teufel soll das sein?“, frage ich.
„Ich dachte, du wolltest nur 'ne Probe“, jammert er und sieht aus, als hätte er die Hosen voll.
„Siehst du, wie viele Männer ich dabei hab? Wir müssen alle den Stoff testen, bevor wir überhaupt drüber nachdenken, bei euch zu kaufen.“
Er nickt und gibt mir drei weitere Beutel. Ich klopfe ihm auf die Schulter. „Ich meld mich“, sage ich ihm, bevor ich wieder auf mein Motorrad steige.
Auf dem Weg aus der Stadt halten wir an einer kleinen Bar. Wir wollen alle den Stoff ausprobieren und ich hab Bock auf 'nen Drink. Is ja schließlich Silvester.
Die Bar heißt Suzy’s. Die Leute drinnen werden wahrscheinlich große Augen machen, so viele Biker – verdammt, Leute – ~auf einmal zu sehen. Sieht nicht nach 'nem belebten Laden aus.
Die Twisted Reapers haben insgesamt etwa zwanzig Mitglieder, verteilt über ganz Illinois. Ich glaub nicht, dass die Leute in dieser Stadt sie oft zu Gesicht bekommen. Meine Gruppe, die Hell Razors, hat allein in Chicago etwa 120 Mitglieder und wir sind im ganzen Bundesstaat vertreten. Es ist nicht ungewöhnlich, überall ein oder zwei Mitglieder zu sehen.
Wir betreten die Bar und alle schauen etwas eingeschüchtert aus, als wir reinkommen. Ich hab alle meine härtesten Typen mitgebracht. Ich wollte die neuen Lieferanten ein bisschen einschüchtern.
Ich geh aufs Klo und nehm was von dem Koks. Mein Hals und meine Nase fühlen sich taub an und meine Augen tränen. Uff, das ist starker Scheiß. Ich ziehe noch eine Line, um ein gutes Gefühl dafür zu kriegen. Es scheint guter Stoff zu sein, aber ich werd sehen, was die anderen davon halten.
Ich geh aus der inzwischen lauten Bar, um den Präsidenten unseres Clubs, Rage, anzurufen. Er war der beste Kumpel meines Vaters. Sie sind zusammen im Club aufgewachsen. Seit mein Vater tot ist, passt Rage auf mich auf und sorgt dafür, dass ich Sex habe, ihm Kohle einbringe und seinen Club zufriedenstelle.
Ich gehe zur Seite des Gebäudes, wo mich keiner sehen kann. „Wie ist das Zeug?“, fragt er am Telefon.
„Ziemlich gut. Ich bring dir in ein paar Stunden 'ne Probe mit.“ Er grunzt und legt dann auf. Ich geh um das Gebäude rum und die Treppe zum Eingang hoch.
Eine kleine Frau mit braunen Haaren und einem engen roten Shirt blockiert die Tür. Sie ist winzig im Vergleich zu meinen eins dreiundneunzig. Sie ist im Vergleich zu jedem winzig.
Das Einzige, was an ihr groß ist, ist ihr Hintern. Verdammt, ich stell mir vor, was ich alles mit diesem Hintern anstellen würde! Von hinten sieht sie verdammt heiß aus.
Sie tritt einen Schritt zurück und stößt gegen mich, fällt fast hin, fängt sich aber. Dann dreht sie sich um und sieht mit den reinsten, blauesten Augen, die ich je gesehen habe, zu mir auf.
Das ist allerdings keine verdammte Frau. Ich glaube nicht, dass dieses Mädchen überhaupt schon achtzehn ist! Was zur Hölle macht sie so spät in dieser Bar? Also frage ich sie. Sie starrt mich einfach nur an, als wäre ich das Interessanteste, was sie je gesehen hat.
Dieses Mädchen sieht viel zu unschuldig aus, um hier zu sein. Ich werfe ihr vor, dass ich sie für zu jung halte, und plötzlich wird sie mutig, widerspricht mir und geht weg. Aber nicht, bevor ich sie warne.
„Ich bin kein Kind“, sagt sie, ihre Stimme bebt vor Wut. „Und ich hab keine Angst vor dir.“
Ich grinse, als ich lautes Gelächter und klirrende Gläser höre. Wenn dieses Mädchen weiterhin in ihrem Alter in Bars geht, wird sie in Ärger geraten. „Noch nicht“, sage ich warnend. „Aber das solltest du. Denn sobald du diese Welt betrittst, gibt’s kein Zurück mehr.“
Sie versucht, etwas Schlagfertiges zu erwidern, schafft es aber nicht. Sie schnaubt frustriert und geht weg. Sie bettelt mich quasi an, dass ich ihren Hintern anstarre, so gut sitzen ihre Jeans.. Und verdammt, habe ich ihre Titten erwähnt? Perfekt verdammt noch mal.
Sie hat auch Lippen, die zum Anbeißen aussehen. Ich möchte in ihre Unterlippe beißen und sie leise stöhnen hören.
Ich beobachte, wie sie sich an die Bar setzt, und die ältere Frau, die dort arbeitet, lächelt sie an. Es sieht aus, als würden sie sich kennen.
Ich setz mich 'ne Weile zu meinen Kumpels, aber irgendwie kann ich nicht aufhören, dieses Mädchen anzusehen. Sie wirkt verloren und verdammt zerbrechlich, sitzt aber selbstbewusst in einer Bar voller Biker und alter Männer, als wäre sie ein Victoria’s Secret-Model.
Auch wenn sie sehr jung aussieht, könnte ich es zumindest versuchen, sie anzusprechen. Vielleicht sieht sie einfach nur jung aus für ihr Alter, und ich bin ja nicht alt. Ich bin erst einundzwanzig.
Während ich sie betrachte, fällt mir auf, dass sie nicht einmal Make-up trägt. Sie braucht es auch nicht. Ihre blasse Haut ist makellos und ihre Wimpern sind so dunkel und dicht, dass sie überhaupt kein Augen-Make-up braucht.
Ich gehe zu ihr rüber. Sie hat dunkle, volle Augenbrauen, um die andere Mädchen sie sicher beneiden. Sie runzelt die Stirn, als sie mich sieht. „Wie heißt du?“, frage ich sie, ernster klingend als beabsichtigt.
Ihre Augen weiten sich und sie sieht sich um, als wolle sie sich vergewissern, dass ich wirklich mit ihr rede. „Zwei Whiskey“, sage ich zum Barkeeper.
Ich seh wieder zu dem Mädchen, das mich anstarrt, aber sie wirkt nicht verängstigt. Sie wirkt fasziniert. „Ich bin Kyra“, flüstert sie, als der Barkeeper unsere Drinks bringt.
„Ich bin Chance“, sage ich ihr.
Sie lächelt mich mit perfekten weißen Zähnen an. Sie hat eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen, aber das macht sie nur zehnmal attraktiver.
„Das ist ein cooler Name.“
Ich geb ihr einen der Drinks und wir stoßen an. Sie kippt ihn wie ein Profi runter. Das gefällt mir richtig gut und anscheinend auch meinem Schwanz
Gerade als ich dieses wunderschöne Mädchen nach ihrem Alter fragen will, öffnet sich die Eingangstür und Kyras Gesicht wird kreidebleich. Sie sieht aus, als würde sie gleich umkippen. Plötzlich springt sie in meine Arme und flüstert: „Versteck mich!“