Schatten des Feuers - Buchumschlag

Schatten des Feuers

Daphne Anders

Kapitel 4

CERION

Der Thronsaal war stickig heiß, und ich spürte, wie sich ein Feuer in mir aufbaute.

Ich musste dringend Dampf ablassen. Kurz überlegte ich, mir einen Diener für ein Schäferstündchen zu suchen oder zu schauen, welche Prinzessin sich mir anbieten würde, verwarf den Gedanken aber wieder.

Am besten konnte ich meinen Frust im Trainingsring abbauen. Es fanden sich immer ein paar Leute, die bereit waren, gegen mich anzutreten. Schließlich war ich ihr König.

Ich zog bequeme, eng anliegende Trainingskleidung an. Allein das Gefühl des Stoffs, der meine kräftigen Muskeln umschmeichelte, besserte meine Laune schon etwas.

Das war eine gute Idee gewesen.

Auf dem Weg zum Trainingsraum hellte sich meine Stimmung weiter auf. Ich freute mich schon darauf, gleich Leute zu Boden zu werfen und mit meinen Fäusten zu bearbeiten.

Auch Celen lechzte danach, etwas Wut abzulassen.

Der Trainingsraum sah genauso aus, wie ich ihn mir wünschte. Die Steinwände waren in einem sehr dunklen Grau gehalten, fast schwarz. Die gedämpfte Beleuchtung sorgte für eine entspannte Atmosphäre. Zu beiden Seiten des Eingangs standen große eiserne Drachenstatuen.

Voller Vorfreude steuerte ich auf den Eingang zu.

Doch meine Euphorie schlug binnen Sekunden in Genervtheit um, als ich drei Augenpaare sah, die mich beobachteten.

Und rate mal, wem sie gehörten?

Theodora, Anya und Helen. Sie mussten ihre Diener angewiesen haben, nach mir Ausschau zu halten.

Ich suchte nach einem vierten Augenpaar, während Celen ungeduldig in mir rumorte. Anscheinend war er ebenso enttäuscht wie ich, dass Kira nicht da war.

Ich versuchte, mir meine Enttäuschung über Kiras Abwesenheit nicht anmerken zu lassen.

Warum geht mir das so nahe? Seit wann interessiere ich mich für eine Frau, die mich nicht will? Was ist es nur an Kira, das mich so fesselt?

Ich konnte es mir nicht erklären.

Und ich wusste, dass ich es so schnell auch nicht verstehen würde.

Ich ignorierte die Prinzessinnen, die mich beobachteten, und stellte mich in die Mitte des Raumes, um meinen ersten Gegner herauszufordern.

Er war mir neu, aber das war nicht ungewöhnlich. Mein Reich wuchs stetig durch meine vielen Eroberungen, sodass ich oft neue Diener und Krieger hatte.

Ich sah ihm in die Augen. Darin lag Furcht, und unter seiner Haut war die Anspannung förmlich zu spüren. Er war nervös.

Verdammt, ich wäre wohl auch verflucht nervös, wenn ich gegen den Drachen des Ruins antreten müsste.

Seine Beine zitterten, als er versuchte, fest auf der Matte zu stehen.

Allein sein Anblick verriet mir, dass dieser Mann kein würdiger Gegner sein würde. Er war viel zu nervös, und die Augen spiegelten stets die Angst eines Mannes wider. Die Furcht war in seinem ganzen Wesen zu erkennen, als er meinem Blick standzuhalten versuchte.

Erneut stieg Genervtheit in mir auf, und ich konnte sogar spüren, wie Celen sich stumm ärgerte.

Trotzdem sprang ich nach vorne. Ich wusste, ich musste diesen Kampf schnell beenden.

Der erste Schlag war ein Kinderspiel. Ich spürte meine Hand auf seiner kalten, unberührten Haut. Ich wusste, das würde nicht lange so bleiben. Bald würde sie von unserem Kampf mit blauen Flecken übersät und gezeichnet sein.

Von den Prinzessinnen kamen mehrere hohe Laute. Sie waren aufgeregt, beeindruckt, erregt – oder was auch immer.

Es brauchte nur noch einen Schlag und der Mann ging zu Boden.

Ich war schon gelangweilt.

Ich musste etwas anderes tun, um nicht an sie zu denken …

Ein Flug sollte sowohl Celen als auch mir guttun.

„Geht euch fürs Abendessen fertig machen, meine Damen“, wies ich sie an.

Ich sah zu, wie alle drei übereifrigen Prinzessinnen fast aus dem Trainingsraum stürmten.

Ich mochte es, wenn man mir gehorchte. Tatsächlich genoss ich es sehr. Es gab nichts Besseres, als zu bekommen, was man wollte. Aber Kira war nicht gehorsam, und das wusste ich. Ihr offensichtlicher Ungehorsam erregte mich. Ich mochte auch ihre Widerspenstigkeit.

***

Ich stand vor dem Dracheneingang, dem Ort, an dem ich mich immer verwandelte und von dem aus ich flog. Es war der älteste Teil des Schlosses und hatte für unsere Familie und unsere Drachen eine besondere Bedeutung.

Meine Knochen knackten und ich spürte, wie Celen hervorkam. Meine Hände wurden zu seinen langen Klauen. Meine Arme wurden zu seinen Flügeln. Meine Haut wurde zu seinen Schuppen. Meine Haare wurden zu seinen Hörnern. Mein Körper wurde zu seinem. Wir waren eins. Ich sprang in die Luft und bewegte meine Flügel.

Ich flog durch den Himmel, wollte meinen Ärger loswerden und hoch und weit fliegen, über Berge, Grasland, Hügel, sogar höher als die Vögel. Es war jetzt Frühling und die Luft war noch etwas kühl.

Der Himmel gehörte mir, ebenso wie alle Länder darunter. Die Dani-Dynastie erstreckte sich über Hunderte von Meilen durch die Lande von Drakoria. Mein Urgroßvater hatte es vor langer Zeit so benannt – nachdem er sein erstes Dorf erobert hatte. Es war Tradition in unserer Familie zu erobern.

Nachdem andere Dynastien die Fähigkeit verloren hatten, sich in Drachen zu verwandeln, hatte mein Urgroßvater erkannt, dass wir einen Vorteil hatten. Er hatte ihre Schwäche gesehen und sie ausgenutzt - ihre Länder zu seinen eigenen gemacht. So gehörten viele der kleinen umliegenden Königreiche nun uns.

Unser Land wuchs und damit auch unsere Macht. Es gab Leute, die unsere Herrschaft nicht mochten, aber sie konnten wenig dagegen tun, vor allem, da ihre Drachenlinie ausgestorben war. Sie lebten unter unserer Herrschaft, weil sie keine Wahl hatten.

Wir waren auch aus anderen Gründen Eroberer, weil wir unser Königreich schützen mussten. Oft kamen Barbaren und Plünderer in unsere Länder. Zum Glück hatte ich den Vorteil meines Drachen und meiner Erdmagie, die mir halfen, die Barbaren aufzuhalten, bevor sie meine Länder plündern, zerstören und ruinieren konnten.

Diesmal flog ich höher in den Himmel und erreichte eine neue Höhe, während meine Flügel sich bewegten. Große alte Eichen säumten die grünen, sanften Hügel unter mir, während Wildblumen im Wind wogten. Die Drachensicht war erstaunlich - es war, als wäre ich nah am Boden, statt hunderte Meter in der Luft.

Ich flog stundenlang, bis die Sonne tief am Himmel stand und es Abend wurde. Leuchtend rote, gelbe und orange Farben wirbelten am Horizont, während ich flog und den Wind an meinen Schuppen und die Freiheit in meinem Geist genoss.

Ich war jetzt meilenweit vom Schloss entfernt und flog über meine neu eröffnete Mine.

Als ich über den Eingang der neuen Mine flog, sah ich kleine Gestalten, die in die Mine hinein- und herausgingen, sowie mindestens zwölf größere Gestalten, die Kisten trugen. Immerhin hatte der Rat beschlossen, genug Arbeiter einzustellen.

Die Sonne ging weiter unter und der Tag verwandelte sich in die Nacht, als ich landete und mich zurück in meine menschliche Gestalt verwandelte.

Ich wusste, dass ich das Unvermeidliche hinauszögerte – das Abendessen mit Kira.

Ich hatte die Sitzordnung für heute Abend sorgfältig geplant. Ich brauchte ihre aufregende Präsenz neben mir, die mich mit ihrer Unschuld, ihrem Desinteresse und ihrer Schönheit anzog. Sie machte mich verrückt und weckte jedes seltsame Gefühl in mir.

Anya war ganz anders als Kira, aber ich hatte beschlossen, sie auf meine andere Seite zu setzen. Es würde Anya wichtig erscheinen lassen, aber ich konnte sie besser handhaben als Theodora oder Helen.

Ich zog einen weiteren perfekt sitzenden schwarzen Anzug an, mit unserem Familiensymbol in leuchtendem Rot auf den Manschetten meiner Jacke. Der Anzug passte wie angegossen.

Als ich den Raum betrat, ertappte ich mich dabei, wie ich wieder nach ihr Ausschau hielt, während Celen sich eifrig in mir bewegte.

Warum interessiert er sich so für sie? Warum interessiere ich mich für sie?

Sie war schöner als alle anderen. Sie war sanft, aber auch zäh. Sie war stur und ungehorsam, aber irgendetwas an ihr faszinierte mich. Etwas an ihr ließ mich sie auf eine Weise begehren, der die anderen drei Frauen nicht einmal nahe kamen.

Ich war wie erstarrt und unfähig mich zu bewegen, als sich die Türen öffneten.

Meine Augen waren auf den Eingang fixiert.

Die Türen öffneten sich und es war, als würde mein Herz stillstehen, als sie hereinkam.

Celen bewegte sich heftig in mir.

Ich konnte nicht atmen, als ich sie völlig fasziniert anstarrte.

Sie sah unglaublich aus, stolzer und selbstbewusster als zuvor. Ihr Vater hielt fest ihr Handgelenk und führte sie auf mich zu.

Am liebsten hätte ich diesem Bastard die Hand abgerissen, weil er ihre Haut verletzte und Spuren hinterließ.

Trotzdem hatte Kira eine starke Präsenz und zeigte, dass sie sich von ihm nicht aus der Ruhe bringen ließ.

Ihr Kleid war schlicht, aber sie brauchte kein aufwendiges Kleid, so wie sie darin aussah. Sie konnte alles tragen und es großartig aussehen lassen. Das leuchtende Rot des Kleides stand in starkem Kontrast zu ihrer blassen weißen Haut. Der eng anliegende Stoff des Kleides umschmeichelte jede Kurve ihres Körpers und betonte ihre vollen Brüste, ihre schmale Taille und ihren runden Po.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden, und Celen auch nicht.

Der Raum bebte, als Erdmagie aus meinem Körper strömte. Ich grub meine Fingernägel in meine Handflächen – meine Drachenkrallen versuchten, aus meinen Fingernägeln hervorzukommen. Ich verlor die Kontrolle – mein Drache kam hervor, nur weil ich sie sah. Hitze drohte mein Inneres zu erfüllen. Ich spürte, wie Feuer in mir aufstieg.

Die Menschen um mich herum keuchten auf, als der Raum bebte. Ich ignorierte die verängstigten Gäste und konzentrierte mich auf sie, als wäre sie die einzige Person im Raum. Meine Erdmagie bewegte sich in mir und verstärkte meine Sinne.

Prinzessin Kira betrat den Raum ohne zu zögern. Ihr Gesicht war ruhig und sie hielt den Kopf hoch. Mit meinen Drachensinnen konnte ich ihr Herz schlagen hören, als sie sich mir näherte. Ihr Herzschlag war gleichmäßig, nicht aufgeregt. Sie war nicht schockiert wie die anderen.

Als sie an mir vorbeiging, trafen sich unsere Blicke und für einen Moment entspannte sich Celen in mir. Aber innerhalb von Sekunden war ich wieder aufgewühlt – gestört von der Tatsache, dass sie so viele Gefühle in mir auslöste. Ich drehte mich um und ging zu Anya, um das Gefühl zu beruhigen, das in mir wuchs.

Kira war anders als die anderen – tatsächlich würden sie ihr nie das Wasser reichen können. Selbst Celen wusste das.

Aber die Frage blieb: Wie konnte Prinzessin Kira von Valon, ein neunzehnjähriges Mädchen, das keine Königin sein wollte, den Drachen des Ruins sowohl beruhigen als auch erregen?

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