
Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um, um die Tür zu meiner Wohnung zu öffnen, die ich mir mit Ellis teilte.
Als die Tür aufgeschlossen war, nahm ich mir eine Minute Zeit, um mir alles genau anzusehen und mich zu vergewissern, dass alles so war, wie ich es verlassen hatte.
Nachdem ich kontrolliert hatte, dass die Couch nicht bewegt worden war und die Bilderrahmen nicht schief hingen, atmete ich tief durch, trat ein und drehte mich sofort um, um die Tür hinter mir abzuschließen.
Es gab so viel Böses in der Welt. Ich musste meine Türen abschließen, um mich zu schützen.
Ich legte meine Handtasche auf den Küchentisch, zog schnell meinen Mantel aus und hängte ihn an den Haken, bevor ich meine Schuhe auszog und sie direkt unter meinen Mantel stellte.
Wie immer beunruhigte mich die Stille. Ich hasste es, allein in meiner Wohnung zu sein; die kleinsten Geräusche brachten mich zum Ausrasten.
Aber im Moment war Ellis mit Ivan unterwegs, also hatte ich keine andere Wahl, als mich zusammenzureißen und zu hoffen, dass mir nichts Schlimmes passiert, während Ellis weg war.
Als mein Magen zu knurren begann, ging ich in die Küche. Vorher schaltete ich allerdings noch schnell den Fernseher ein; sinnloser Lärm war besser als kein Lärm.
In der Küche sah ich mich nach etwas Essbarem um und fand die Reste unserer Bestellung vom Chinesen vom gestrigen Abend.
Ich war mir ziemlich sicher, dass Ellis mit Ivan auswärts essen würde, aber ich hob ihr trotzdem etwas auf, nur für den Fall. Als ich mein Essen aufgewärmt hatte, ging ich zurück ins Wohnzimmer, setzte mich auf die Couch und begann zu essen.
Eigentlich wollte ich mich auf den Fernseher konzentrieren, aber alles, worauf ich mich konzentrieren konnte, war Kieran Maslow. Ich konnte nicht glauben, dass ein Mann wie Kieran mich um ein Date gebeten hatte. Und die Tatsache, dass er nicht um den heißen Brei herumredete, bewunderte ich.
Männer waren mir gegenüber selten direkt, sie erfanden immer Ausreden mit dem Hintergedanken, mich später um ein Date zu bitten. Diese Männer machten mir falsche Hoffnungen, und das hasste ich.
Aber Kieran war reich, zumindest hat Ellis das gesagt. Er hatte eine schwarze Kreditkarte, die hatten doch nur reiche Leute, oder?
Warum wollte er nur mit mir ausgehen? Vermutlich könnte er zehn Freundinnen auf einmal haben, wenn er wollte.
Meine Gedanken waren so sehr mit Kieran und seinem hübschen Lächeln beschäftigt, dass ich einen Moment brauchte, um zu realisieren, was ich im Fernsehen sah.
Oh Gott, nein, das konnte doch nicht wahr sein. Sie konnten nicht hier sein. Nein, nein, sie sollten in Nordirland sein, nicht hier. Oh Gott, nein.
Panik ergriff mich und machte es mir schwer zu atmen, während ich die Monster anstarrte, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mein Leben zu ruinieren.
Vor mir auf dem Fernseher konnte ich meinen Stiefvater und meinen Stiefbruder sehne, die vor einem hohen Gebäude standen und mit einer Dame sprachen. Beide hatten ihr charmantestes Lächeln aufgesetzt und trugen die teuersten Anzüge.
Sie versuchten immer, alle zu beeindrucken.
Aber ich wusste es besser. Ich kannte die Monster, die hinter diesen kalten, dunklen Augen lauerten, besser als jeder andere, denn ich war ein Opfer dieser Monster.
Ich vergaß mein Abendessen, vergaß Kieran, vergaß alles außer den beiden Männern, die gerade in die Kamera lächelten. Und ich wurde sechs Jahre zurückversetzt.
Ich hörte das Geräusch von Peitschen in der Luft, bevor sie mir auf den Rücken schlugen und konnte beinahe die Seile, mit denen ich an den Handgelenken gefesselt war, spüren.
Genauso wie Blut, das an meinen nackten Armen herunterlief, als mein Stiefbruder und mein Stiefvater abwechselnd meinen nackten Rücken auspeitschten.
Sie waren hier und sie wollten mich töten. Ich war vor ihnen weggelaufen, und sie waren hier, um sich zu rächen. Sie waren nicht hier, um Geschäftspartner der Maslows zu werden, wie mein Stiefvater vor der Kamera sagte.
Nein, sie waren hier, um mich zu töten, weil ich vor ihnen weggelaufen war. Sie hatten mich eigentlich an meinem Geburtstag umbringen wollen, aber ich war weggelaufen. Und jetzt, nach sechs Jahren, waren sie wieder da.
Ellis. Ich brauchte Ellis, ich brauchte meine beste Freundin, aber sie war nicht hier. Ich war allein, so wie ich es immer gewesen war, so wie sie es vorzogen.
Ich stand so schnell auf, dass ich gar nicht merkte, dass ich meinen Teller mit Essen fallen gelassen hatte. Ohne mich um das Essen auf dem Boden zu kümmern, rannte ich zur Haustür und vergewisserte mich, dass alle Schlösser an ihrem Platz waren.
Ich würde ihn nicht an mich heranlassen. Ich würde keinen von ihnen an mich heranlassen. Ich musste weglaufen, das Land verlassen. Wenn mein Stiefbruder mich erwischte, würde er mir eine Kugel in den Kopf jagen.
Mein Körper zitterte vor Angst, mein Verstand spielte die schrecklichen Erinnerungen ab und ich konnte hören, wie mein Stiefbruder lachte und mich beschimpfte, während er mich folterte.
Ich presste mir die Hände auf die Ohren, um das Lachen meines Bruders auszublenden, und schloss die Augen, um die Bilder in meinem Kopf nicht zu sehen.
Aber es war sinnlos. Nichts half. Die Erinnerungen waren zu real, zu lebendig. Ich schrie und fiel zu Boden, Tränen liefen mir übers Gesicht.
"Mama, Hilfe! Mama, bitte hilf mir. Rette mich!" Ich schrie und flehte meine Mutter an, mir zu helfen. Aber sie war nicht da. Sie hatte mich bei diesen Monstern allein gelassen.
Aber ich hörte nicht auf. Ich rief immer wieder nach meiner Mutter, in der Hoffnung, sie würde zurückkommen und mich beschützen. Sie kam nicht, sie würde nicht kommen. Sie war aus dieser Welt verschwunden und hatte mir jegliches Gefühl von Sicherheit genommen.
"Jenny!" Eine panische Stimme durchbrach den Nebel aus Qual und Verzweiflung, aber ich wagte nicht, meine Augen zu öffnen. Ich wagte nicht zu hoffen, dass jemand hier war, um mich zu retten.
Einen Moment später spürte ich vertraute Arme um mich, die mir halfen, mich aufzusetzen.
"Jenny! Jenny, sieh mich an. Ich bin's, Ellis. Komm schon, Jenny, sieh mich an. Sieh mich an, Jenny. Ich bin hier. Ich bin genau hier."
Die beruhigende Stimme durchbrach die schmerzhaften Bilder, die in meinem Kopf herumschwirrten, und zwang mich, in die Realität zurückzukehren.
"Ellis?" Während sich in meinem Kopf alles zusammensetzte, zwang ich mich, ihren Namen auszusprechen. Ellis war hier, sie war von ihrem Date mit Ivan zurück. Mein Stiefvater und mein Stiefbruder waren hier in England.
"Ja, Jenny, ich bin hier. Es ist alles in Ordnung, du bist in Sicherheit. Niemand kann dir hier etwas tun", sagte sie beruhigend und zog mich in eine feste Umarmung.
"Sie sind hier, Ellis. Mein Stiefvater und mein Stiefbruder. Und sie werden mir wehtun." Ich schluchzte und wünschte mir, mein Leben wäre nicht so ein Albtraum.
"Wovon redest du, Jenny? Wie können sie hier sein? Sie sind doch in Irland, oder?" Ellis begann, mir beruhigend über den Rücken zu streichen, aber meine Angst war zu groß, als dass ich mich von ihr hätte trösten lassen können.
Alles, was ich sah und woran ich denken konnte, war mein Stiefbruder, der mich zu seinem eigenen Vergnügen schlug. Sie waren krank, und doch taten sie so, als wären sie perfekt.
"Sie sind hier. Sieh auf den Fernseher", sagte ich.
Ellis ließ mich nicht los, sondern drehte ihren Kopf, um auf den Fernsehbildschirm zu schauen, wo die beiden Monster mit ihrem giftigen Lächeln und ihren silbernen Zungen weiterhin die Medien verzauberten.
"Oh, Jenny. Mach dir keine Sorgen. Sie mögen zwar hier sein, aber sie werden dir nichts tun. Sie wissen doch gar nicht, dass du auch hier bist", sagte Ellis.
"Sie sind reich und mächtig, sie haben Verbindungen. Es wird nicht lange dauern, bis sie wissen, dass ich hier bin, falls sie es nicht schon wissen. Ich muss von hier verschwinden, Ellis. Ich bin hier nicht mehr sicher. Ich kann nicht zulassen, dass sie mich mitnehmen."
Meine Tränen wollten einfach nicht aufhören zu fließen.
"Also gut, lass uns nichts überstürzen. Wir müssen uns einen Plan überlegen, was wir tun, wenn es brenzlig wird und dein Stiefbruder dich findet", sagte Ellis.
"Fliehen ist im Moment keine Option, Jenny. Es hat lange gedauert, bis wir Stabilität gefunden haben, und ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand das ruiniert, schon gar nicht dieses Arschloch!"
Ellis hielt mich fest, und ihr überzeugter Tonfall beruhigte mich.
"Was sollen wir denn tun?", fragte ich, riss mich von ihr los und wischte mir mit den Händen über das Gesicht.
"Morgen ist Freitag, also beinahe Wochenendes, das gibt uns Zeit zum Nachdenken und Planen. Im Moment sind wir beide müde, also ist es am besten, wenn wir schlafen gehen und das morgen besprechen."
"Ich werde morgen nicht zur Arbeit gehen. Ich kann einfach nicht rausgehen, wenn ich weiß, dass sie hier sind und dass sie mich finden können, wenn sie wollen. Bitte, denk dir morgen eine Ausrede für mich aus. Bitte, Ellis", flehte ich.
"Hey, du musst mich nicht anflehen. Ich verstehe das, und es ist okay. Du kannst dir einen Tag von der Arbeit freinehmen. Ich werde es dem Chef sagen." Ellis schenkte mir ein sanftes Lächeln, woraufhin ich mich sofort entspannte.
Ellis hatte Recht. Wir brauchten nur einen Plan. Fliehen war keine Lösung. Meine Mutter war hier, ich konnte sie nicht verlassen. Ich musste mir einfach etwas einfallen lassen, um mich vor diesen Monstern zu schützen.
Aber konnte ich mich wirklich alleine schützen?
Die Nacht war schrecklich und schien ewig zu dauern. Ich schlief nicht ein und verbrachte die ganze Nacht damit, mich im Bett hin und her zu wälzen.
Der Gedanke, dass mein Stiefvater oder mein Stiefbruder in meine Wohnung einbrechen könnten, zwang mich, meine Augen und Ohren offen zu halten, so dass ich auch auf die unbedeutendsten Geräusche achtete.
Als die Sonne aufging, war ich mehr als bereit, den neuen Tag zu begrüßen, aber gleichzeitig hatte ich auch Angst vor ihm. Ich würde allein in meiner Wohnung sein, während Ellis auf der Arbeit war.
Ich durfte auf keinen Fall nach draußen gehen.
Ellis hatte es eilig zu gehen, weil sie spät aufgewacht war. Als sie weg war, schloss ich die Tür ab und stellte ein paar Stühle vor die Tür, nur für den Fall, dass mir jemand einen Überraschungsbesuch abstatten wollte.
Obwohl ich auch damit nicht zufrieden war, hatte ich keine andere Wahl, als mich damit abzufinden. Ich konnte es mir nicht leisten, eine hochwertige Alarmanlage zu kaufen, also musste ich mit Stühlen und Riegeln auskommen.
Ich putzte die Wohnung, zweimal, denn meine Angst machte es mir unmöglich, still zu sitzen. Ich traute mich nicht, den Fernseher einzuschalten, weil ich Angst hatte, dass ich Mitchell, meinen Stiefbruder, wieder in die Kamera lächeln sehen würde.
Stattdessen beschloss ich, mein Handy an die billigen Lautsprecher anzuschließen, die Ellis letztes Jahr gekauft hatte, und meine Sorgen von der Musik übertönen zu lassen.
Sobald die Sonne unterging und der Dunkelheit Platz machte, freute ich mich darauf, Ellis zu sehen.
Sie würde jeden Moment zurückkommen. Ich konnte nicht glauben, dass ich einen ganzen Tag ohne sie verbracht hatte, ganz allein in dieser Wohnung.
Ich schaute in den Kühlschrank, um sicherzugehen, dass wir noch etwas zu essen hatten, und fluchte, als ich feststellte, dass er fast leer war. Verdammt! Ich würde Ellis Bescheid sagen müssen, dass sie noch einkaufen muss.
Also nahm ich mein Handy und wählte Ellis Nummer.
„Hallo, Ellis?“, fragte ich, als sie nach dem dritten Klingeln abnahm.
"Ja, Jenny, ist alles in Ordnung?" Ihre Stimme klang besorgt und ich dankte Gott, dass ich eine Freundin wie Ellis hatte.
"Es ist alles in Ordnung. Ich wollte dir nur sagen, dass wir nichts essbares mehr im Haus haben, kannst du vielleicht etwas mitbringen?"
"Ja, klar, kein Problem. Obwohl ich nicht glaube, dass es nötig ist", sagte sie kryptisch.
"Nicht nötig? Was meinst du damit?", erkundigte ich mich.
"Das erkläre ich dir, wenn ich da bin", antwortete sie.
"Äh, in Ordnung, komm schnell zurück. Bis gleich." Stirnrunzelnd legte ich auf. Was meinte sie damit, dass das Abendessen nicht nötig sei?
Kopfschüttelnd holte ich ein paar Teller sowie Löffel und Gabeln heraus. Ich warf einen Blick auf die Uhr und sah, dass es bereits acht Uhr war. Mein Magen grummelte und verlangte langsam wirklich nach Essen.
Als es an der Tür klopfte, beeilte ich mich, sie zu öffnen. Ich war am Verhungern und wollte unbedingt meine beste Freundin sehen. Ich riss die Tür auf und erlebte eine Überraschung.
Ellis stand mit einer Tüte Essen vor mir, aber es war der Mann, der neben ihr stand, den ich anstarrte.
"Hey, Jenny, Kieran ist wegen deines Dates hier. Ich habe ihm gesagt, dass er mit mir kommen kann und dich dann dorthin bringt, wo er dich hinbringen will." Ellis lächelte mich an.
Ich starrte Kieran einfach nur an. Der 1,80 m große, muskulöse Mannstand in einem schicken Anzug und mit einem Blumenstrauß in der Hand vor meiner Wohnung.
"Kommt rein." Ich stieß die Tür auf und ließ Ellis und Kieran eintreten.
Ellis und ich würden wirklich ein ernstes Gespräch führen müssen. Ich hatte Kieran abgewiesen, ihm gesagt, dass ich nicht mit ihm ausgehen wollte, und er war trotzdem hier.
"Die sind für dich", sagte Kieran, als wir im Wohnzimmer standen, und reichte mir den Blumenstrauß, der wie der Traum eines jeden Mädchens roch.
"Äh, danke, Kieran. Aber anscheinend hast du vergessen, dass ich kein Date mit dir haben will." Es hatte keinen Sinn, seine Gefühle zu schonen. Er musste verstehen, dass ich nicht interessiert war.
"Eigentlich hast du das nie gesagt", sagte Kieran und schenkte mir ein sanftes Lächeln. Warum lächelte er so oft?
"Doch, das habe ich. Ich habe dir gesagt, dass ich nicht mit dir ausgehen will", erinnerte ich ihn.
"Nein, ich habe dich aufgehalten, bevor du das sagen konntest", antwortete er.
Deshalb sagte er mir, ich solle den Satz nicht beenden. Oh Gott, er hatte mich ausgetrickst. Er war schlau, was bedeutete, dass er gefährlich war, was für mich ein weiterer Grund war, mich von ihm fernzuhalten.
"Es tut mir leid, Kieran, aber ich kann einfach nicht mit dir ausgehen", sagte ich ihm.
"Und warum nicht? Ellis hat gesagt, du kannst. Deshalb hat sie mich gebeten, mit ihr hierher zu kommen, damit ich dich ausführen kann", sagte Kieran.
"Ellis ist verrückt. Sie hat absolut keine Ahnung, was sie sagt", antwortete ich und brachte Ellis in Gedanken bereits um.
"Das ist nicht wahr. Ich weiß genau, was ich gesagt habe. Und wir haben darüber gesprochen, Jenny. Du solltest mit Kieran rausgehen. Du kannst etwas frische Luft gebrauchen."
Diese Frau würde nie Punkte für Subtilität bekommen. Und frische Luft? Immerhin versteckte ich mich hier gerade vor meinem Stiefbruder und sie sagte mir, ich bräuchte frische Luft.
"Komm schon, nur ein paar Stunden. Ich verspreche, dass ich dich um elf zurückbringe", sagte Kieran.
"Jetzt geh schon, Jenny. Ich habe Ivan sowieso zu einem Filmabend eingeladen."
Oh Gott, Filmabend bedeutete Sexabend. Und ich wollte weder das dritte Rad am Wagen sein, noch wollte ich hören, wie sie leidenschaftlich stöhnten. Ellis ließ mir also wirklich keine andere Wahl, als mit Kieran zu gehen.
"Na gut, in Ordnung. Ich gehe mich umziehen. Gib mir fünf Minuten", sagte ich zu Kieran und warf Ellis einen finsteren Blick zu.
"Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst", antwortete Kieran.
Mit einem leichten Lächeln drehte ich mich um und ging in mein Schlafzimmer, um mich für mein Date mit ... Kieran Maslow fertig zu machen.