
Teufelsblut MC: Grim
Es gab Gerüchte über ihn – von den Brüdern und den Club-Mädels –, aber nichts blieb hängen.
Ich sagte nichts zu ihm, dachte, er würde gehen oder mich höchstens anknurren, wenn ich an ihm vorbeiging.
Ich bewegte mich von dem Fleck, an dem ich stand, und drehte ihm den Rücken zu – keine meiner besten Entscheidungen.
Nova erwartete vom Club nicht viel – nur Überleben, keine Liebe. Doch alles ändert sich in der Nacht, als Grim aus dem Schatten tritt und sie mit einem einzigen Wort für sich beansprucht. Er ist Gefahr in Jeans, ein Rätsel im Ledercut, der einzige Mann, der sie jemals wirklich gesehen hat. Doch einen Mann wie ihn zu lieben bedeutet, auf der Schneide zwischen Freiheit und Chaos zu balancieren. Während Nova beginnt, von einem Ausweg zu träumen, zieht sich Grims Welt um sie zusammen. Er sagt, er wird sie nicht gehen lassen. Sie will ihm glauben… aber kann sie dem Versprechen eines Mannes vertrauen, der nie außerhalb des Clubs gelebt hat?
Kapitel 1
NOVA
Die erste Regel, wenn man in einer Bar für einen Motorradclub arbeitet, lautet: Immer den Raum im Auge behalten. Niemals wegschauen, nicht einmal für eine Sekunde.
Ich hatte weiterhin alles im Blick, weil ich wusste, dass sich die Lage schnell ändern konnte. Manchmal reichte schon ein verschüttetes Getränk oder ein böses Wort.
Das Clubhaus der Teufelsblut MC war heute Abend brechend voll.
Der Laden war verqualmt und voller Kerle in Leder, Bandanas und mit Nieten besetzter Kluft. Tattoos, wohin man schaute. Der Boden war rissig und klebte. Es roch nach abgestandenem Bier, Gras, billigem Parfüm und Schweiß.
Ich stellte einige Schnapsgläser auf die Theke. Da ich diesen Job schon so lange machte, arbeiteten meine Hände wie von selbst – einschenken, saubermachen, servieren, lachen, wenn's sein musste.
Dabei fiel mein Blick auf Prez.
Prez war Mitte vierzig und breitschultrig. Gebaut wie ein Schrank. Sein Bart war dicht und grau meliert. Seinen Augen entging nichts. Wenn er jemanden ansah, verstummte derjenige sofort.
Er hob seine leere Bierflasche. „Noch eins.“
Ich wusste genau, was er wollte. Flott holte ich ein Bier aus dem Kühlschrank, machte es auf und reichte es ihm mit einem Lächeln, auch wenn mir nicht danach war.
Prez grinste. Ein neues Mädel, das er angeheuert hatte, saß bei ihm und funkelte mich böse an.
Ich kannte diesen Blick – so hatte ich früher auch dreingeschaut. Auch ich war mal ein Clubgirl gewesen. Ich wusste, wie der Hase läuft. Aber nach der Sache mit Thomas Gellar war alles anders geworden.
Prez hatte mir gesagt, ich solle es ruhig angehen lassen, und übertrug mir andere Aufgaben, anstatt mit den Typen ins Bett zu steigen. Er hatte wahrscheinlich geahnt, was ich getan hatte, um an Gellar ranzukommen, obwohl ich ihm nichts davon erzählt hatte. Wie auch immer, ich war dankbar dafür.
Manchmal dachte ich, er hätte Mitleid mit mir, und wahrscheinlich stimmte das auch – aber er ließ es sich nie anmerken. Er behandelte mich wie eh und je.
„Brauchst du sonst noch was?“, fragte ich und versuchte meine Gedanken zu verbergen, während ich erneut auf die Uhr schielte.
Mit jedem Tag hatte ich weniger Bock, hier aufzukreuzen. Jeden Abend wartete ich nur darauf, dass der letzte Kerl endlich verschwand. Ich sehnte mich nach Ruhe und danach, zu Hause mein Buch weiterzulesen.
Prez grinste. „Ich bin versorgt, Schätzchen. Es sei denn, du willst dich uns anschließen.“
„Ich teile nicht“, fiel ihm die Frau an seiner Seite lautstark ins Wort.
Ich beobachtete, wie Prez ihren Arm wegschob und sie streng ansah.
„Lass den Scheiß“, blaffte er sie an. „Du bist ein Clubgirl – also benimm dich auch so. Wenn du nicht teilen willst, bist du hier fehl am Platz.“
Das Gesicht des Mädchens wechselte die Farbe. Sie würde entweder gleich heulen oder ausrasten – aber ich hoffte auf Letzteres, damit sie rausgeworfen würde.
„Aber du hast gesagt, ich wäre…“, jammerte sie.
Prez rückte mit seinem Stuhl näher und beugte sich zu ihr.
„Wag es ja nicht, diesen Satz zu beenden. Pack deine Sachen und verzieh dich aus meinem Club. Das ist nicht deine erste Warnung; es ist bereits deine zweite, und das an deinem zweiten Tag.“
Clubgirls mussten dort ran, wo sie gebraucht wurden, entweder im Clubhaus oder in einem anderen Laden.
Ihre Hauptaufgabe war es, zur Verfügung zu stehen, wenn ein Kerl Sex wollte. Es spielte keine Rolle, ob die Typen Freundinnen hatten; es war das, worauf wir uns eingelassen hatten.
Prez sah stinksauer aus, als Bullet, einer seiner Kumpel, das Mädchen nach draußen brachte.
Daraufhin seufzte Prez und wandte sich wieder mir zu. „Tut mir leid.“
Er starrte mich an – er hatte diese Art, einen anzusehen, als könnte er in deinen Kopf blicken.
„Es ist jetzt einen Monat her.“
Auf seine Worte hin verkrampfte ich mich, und sein Blick wurde sanfter.
„Wenn du wieder zu dem zurückkehren möchtest, wie es vorher war, sag Bescheid. Soweit es mich betrifft, bist du immer noch tabu.“
Ein Teil von mir war erleichtert, das zu hören, aber ich wusste, dass die anderen Kerle etwas dagegen haben würden.
„Wissen sie, was passiert ist?“, fragte ich leise.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, nur dass du angegriffen wurdest“, sagte er sanft. „Ich treffe mich morgen mit den meisten Clubmitgliedern, um sie ins Bild zu setzen.“
Er sah, wie ich zusammenzuckte.
„Ich weiß, du willst nicht, dass es die Leute erfahren, aber ich muss es tun. Es ist Clubsache. Viele haben sich schon beschwert, dass du nicht mehr mit ihnen ins Bett gehst, und ich kann das nicht länger unter den Teppich kehren.“
Er hatte recht. Die Fragen würden nicht aufhören und es geheim zu halten, könnte die Sache nur schlimmer machen. Sie mussten wissen, was geschehen war.
„Stimmt schon. Du solltest es ihnen sagen“, erwiderte ich und versuchte, tapfer zu klingen.
Prez nickte und lächelte leicht.
„Ich verspreche dir, Nova“, sagte er und legte seine Hand auf meine, „du wirst nie wieder so etwas durchmachen müssen. Du gehörst zu uns und bist seit Jahren ein wichtiger Teil dieses Clubs. Seit deinem siebzehnten Lebensjahr. Das hier ist dein Zuhause. Du hast es verdient, hier zu sein, und ich werde dafür sorgen, dass du jeden Job behalten kannst, den du willst.“
Ich versuchte weiter zu lächeln.
Wie konnte ich ihm bloß klarmachen, dass ich nicht, bis ich vierzig war, Drinks servieren wollte?
Dass ich nicht nur zum vorübergehenden Vergnügen irgendeines Kerls gut war? Dass ich etwas wollte, das wirklich mir gehörte?
Aber dieser Ort, so gefährlich er auch war, war mein sicherer Hafen vor der Außenwelt. Und ich wusste, dass Prez nie zulassen würde, dass mir etwas zustieß.
Ich beugte mich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Er lächelte. „Wenn du so weitermachst, wirst du noch mein Lieblingsmädchen.“
Ich gluckste, weil ich wusste, dass er es nicht so meinte. Ich hatte mit ein paar Kerlen geschlafen, aber nie mit Prez. Er stand auf einen anderen Schlag Frau.
Ein lauter Aufprall hallte durch den Raum und Gebrüll ertönte. Prez und ich sahen rüber und erkannten zwei Typen, die sich prügelten.
Einer war Bear, ein Riese, der schnell auf hundertachtzig war. Der andere war neu, stand da und grinste, offensichtlich versuchte er, einen auf dicke Hose zu machen.
Bears Stimme übertönte den Lärm. „Willst du das nochmal sagen, Neuer?“
Der Neue zuckte nicht mal mit der Wimper. „Ich sagte, deine Tussi könnte es besser haben. Und das weiß sie auch.“
Die Menge erstarrte. Für einen Moment schien sogar die Musik auszusetzen.
Bear stand auf, turmhoch, und schob seinen Stuhl zurück. Das Mädchen auf seinem Schoß wich ängstlich zurück.
Bear war impulsiv, stark und massig. Wenn er provoziert wurde, würde er den Laden kurz und klein schlagen.
Mein Herz schlug schneller, als ich Grim erblickte, der in der dunklen Ecke des Raums hockte, mit einem Bier in der Hand.
Er strahlte Macht und Gefahr aus. Es gab Geschichten darüber, wozu er fähig war – und die meisten Kerle wurden nervös, wenn er einen Raum betrat.
Aber ich fühlte mich immer sicherer, wenn er in der Nähe war – vielleicht weil er mich einmal aus der Scheiße gezogen hatte.
Normalerweise war er für lange Zeit weg und erledigte Dinge, über die niemand sprach. Aber seit dem Vorfall im Keller war er hier. Nicht zu nah, aber auch nicht weit weg.
Doch diesmal sah es nicht so aus, als würde er eingreifen. Er beobachtete das Ganze nur mit versteinerter Miene, die keine Gefühle zeigte.
Grims Name passte wirklich gut zu ihm.
„Willst du sehen, wie witzig du ohne Zähne aussiehst?“, knurrte Bear mit tiefer Stimme.
Der Neue legte den Kopf schief und grinste. „Nur wenn du sehen willst, wie schnell ich sie dir rausschlage.“
Das war zu viel. Bear stürzte sich auf ihn und holte aus. Der Neue bewegte sich geschmeidig – er trat zur Seite, packte Bears Handgelenk und verdrehte es.
Es knackte, dann folgte ein Schmerzensschrei. Sie landeten auf dem nächsten Tisch, Getränke kippten um, Glas zerbrach.
Die Leute drängten sich um sie, um zuzuschauen. Fäuste flogen. Bears gesunde Hand packte die Kehle des Neuen, aber der Neue rammte ihm den Finger ins Auge. Mehr Leute mischten sich ein, versuchten die Schlägerei zu beenden oder vielleicht einfach mitzumischen.
Stühle kippten um. Billardqueues zerbrachen.
Ich duckte mich hinter die Bar, gerade als Bear und der Neue dagegen krachten.
Bears Kopf knallte gegen das Holz und hinterließ eine Delle. Blut spritzte. Die Hände des Neuen legten sich wieder um Bears Hals und drückten zu, sein Gesicht wirkte konzentriert und kalt.
Etwas in meiner Brust löste sich.
Ich bekam schreckliche Angst, als würde ich fallen. Der Raum verschwamm. Alles, was ich sah, war das Gesicht des Neuen und sein Wunsch Bear wehzutun.
Diesen Blick hatte ich schon einmal gesehen.
Nicht in der Bar. In einem Keller.
Gefesselt mit Kabelbindern.
Ich war nicht mehr hier. Ich lag wieder auf diesem Tisch.
Eines meiner Gelenke knackte. Finger drückten hart auf meine Rippen. Mein Mund war voller Blut.
Das Messer.
Ich konnte nicht atmen.











































