
Ich saß mit gefalteten Händen auf dem Sofa und wartete gespannt auf die Reaktion meiner Eltern. Die große Standuhr im Raum tickte laut in der Stille.
Meine Eltern hatten kein Wort gesagt, seit ich ihnen von Holts Angebot erzählt hatte.
Mamas Gesicht wurde kreidebleich, als sie mich mit großen Augen anstarrte. Papa verschränkte die Arme und runzelte die Stirn.
Der Duft von Schmorbraten stieg mir in die Nase und mein Magen knurrte vernehmlich.
Mavis Montgomery war zwar keine Sterneköchin, aber sie schaffte es, nach der Arbeit um 16:30 Uhr noch pünktlich um 18 Uhr das Essen auf den Tisch zu bringen.
Papa räusperte sich und warf Mama einen Blick zu, bevor er mich ansah. "Die Antwort ist nein."
"Es ist meine Entscheidung. Ich brauche kein Ja von euch." Ich ballte meine Hände zu Fäusten.
"Du wirst dir dein Leben verbauen, wenn du das machst", sagte er.
Mama beugte sich vor. "Kari, bitte sag uns, dass du nicht ernsthaft darüber nachdenkst."
"Sie denkt nicht darüber nach. Es ist eine Schnapsidee. Es gibt andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen." Papa stand auf und ging zum Fenster.
"Ich denke sehr wohl darüber nach", erwiderte ich.
"Kein Kind von mir wird Babys verkaufen!", brüllte Papa, während Mama zitterte und in Tränen ausbrach.
"Ich verkaufe doch nicht mein Baby. Ich darf es behalten." Ich schüttelte den Kopf und seufzte.
Mama nahm ein Taschentuch und tupfte ihre Tränen ab. "Du wirst deinem Körper schaden, Liebes. Und du wirst nie einen anständigen Mann zum Heiraten finden."
Papa baute sich vor mir auf und zeigte mit dem Finger auf mich. "Du denkst nur an diesen Kerl. Du schwärmst seit Jahren für ihn, und er weiß das genau.
"Er nutzt deine Gefühle für ihn schamlos aus. Sobald er bekommt, was er will, lässt er dich sitzen. Und du wirst ein Kind alleine großziehen müssen. Merk dir meine Worte, Kari."
"Hör auf zu schreien, Papa. Ich bin 18 und kann meine eigenen Entscheidungen treffen."
Papas Gesicht lief knallrot an.
"Kari Elizabeth Montgomery, ab sofort auf dein Zimmer. Wir sind fertig mit dem Gespräch." Er schlug mit der Faust auf den Couchtisch. Mama schrie erschrocken auf.
Ich schnappte mir meine Handtasche und die Schlüssel und verließ das Haus.
Meine Hände zitterten, als ich zu Jessicas Haus fuhr.
Sie wohnte ein paar Straßen weiter in einer schicken Gegend von Eugene. Jessicas Eltern waren Psychologen und arbeiteten von zu Hause aus.
Ich parkte vor dem großen dreistöckigen Altbau. Als ich klopfte, öffnete Jessicas Mutter. Sie trug eine schwarze Hose und Jacke. Ihr blondes Haar war zu einem straffen Dutt gebunden und ihre Brille thronte auf ihrem Kopf.
"Hallo, Kari."
"Guten Abend, Dr. James."
"Wir wussten gar nicht, dass du kommst. Jessica ist ausgegangen."
"Oh." Ich blickte auf meine rosa lackierten Zehennägel in meinen Sandalen.
"Ist alles in Ordnung, Kari?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Möchtest du darüber reden?"
Ich sah in die freundlichen Augen von der Mutter meiner Freundin. Dr. Nancy James hatte mir immer ein offenes Ohr geschenkt, wenn ich jemanden zum Reden brauchte.
Sie lächelte und bat mich herein. Wir gingen in den hinteren Teil des Hauses, wo sie mich einlud, im großen Wohnzimmer Platz zu nehmen.
"Möchtest du etwas trinken?"
"Nein, danke."
"Dr. James spielt heute Abend Golf, also sind wir unter uns." Jessicas Eltern nannten sich gegenseitig Dr. James, sogar wenn sie miteinander sprachen.
Dr. James benutzte eine Fernbedienung, um die Musik aus den Wandlautsprechern leiser zu stellen, bevor sie sich neben mich auf das Ledersofa setzte.
"Ich nehme an, es geht um das Angebot, das du von einem gewissen jungen Mann bekommen hast?" Sie lächelte und hob eine Augenbraue. "Jessica hat mir davon erzählt."
"Ich habe es meinen Eltern gesagt und sie waren total außer sich."
"Warum überrascht dich das, Kari?"
"Ich weiß nicht. Es sollte mich wohl nicht wundern. Mein Vater war so wütend. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Er hat einige Dinge gesagt, die mir echt zu denken geben."
"Was hat er gesagt?"
"Er meinte, Holt würde meine Gefühle für ihn ausnutzen, um mich dazu zu bringen, dem zuzustimmen. Und er sagte, ich würde am Ende das Baby alleine großziehen müssen."
"Warum beunruhigt dich das?"
Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und rieb mir die Stirn. "Weil ich befürchte, dass er Recht haben könnte."
Dr. James legte ihre Hand ans Kinn und trommelte mit den Fingern auf den Couchtisch. "Wirkt er wie jemand, der sein Kind im Stich lassen würde?"
"Nein. Aber ich kenne ihn nicht besonders gut."
"Ich verstehe, dass du starke Gefühle für diesen jungen Mann hegst."
"Ich bin in ihn verknallt, seit ich zwölf war. Ich bin zwar mit anderen Jungs ausgegangen, aber ich kann einfach nicht aufhören, an Holt zu denken. Wie kriege ich ihn aus dem Kopf?"
"Hm." Dr. James kratzte sich am Kopf und lachte leise. "Ich würde nicht empfehlen, ein Kind mit einem Mann zu bekommen, den du zu vergessen versuchst."
Ich lachte. Dr. James war normalerweise so ernst.
"Warum denkst du wirklich über dieses Angebot nach?"
Ich schluckte und biss mir auf die Lippe. "Ich bin mir nicht sicher. Ich möchte helfen, das kleine Mädchen zu retten, aber das ist nicht der einzige Grund."
Dr. James nickte. "Es ist gut, dass du ehrlich zu dir selbst bist. Es ist nichts Verwerfliches daran, etwas für sich selbst zu tun.
"Wenn man darüber nachdenkt, dienen viele Entscheidungen, die Menschen treffen, auch ihrem eigenen Vorteil. Ich glaube nicht, dass irgendjemand Dinge ausschließlich für andere tut."
"Macht mich das zu jemandem, der nur aufs Geld aus ist? Oder zu jemandem, der schwanger wird, um einen Mann zu halten?"
"Ich denke nicht."
"Was ist, wenn andere Leute das denken?"
"Alles, was wirklich zählt, ist, was du von dir selbst hältst. Du bist diejenige, die mit den Entscheidungen leben muss, die du triffst."
"Was, wenn mein Kind mich hasst oder das Gefühl hat, nicht gewollt gewesen zu sein?"
"Ich denke, wenn es in einem glücklichen Zuhause aufwächst, wo es sich geliebt fühlt, wird es sich nicht allzu sehr darum scheren, wie es entstanden ist."
"Wären Sie schockiert, wenn Jessica so etwas vorhätte?"
"Ich wäre besorgt. Aber Dr. James und ich akzeptieren die Entscheidungen unserer Tochter. Jessica ist unser einziges Kind und wir werden sie bei allem unterstützen, was sie beschließt zu tun."
Als ich nach Hause kam, waren meine Eltern weg. Sie spielten donnerstags Bowling.
Anscheinend waren sie nicht aufgebracht genug, um ihr Bowling sausen zu lassen. Zumindest musste ich nicht mit ihnen reden. Ich würde ihnen ein paar Tage aus dem Weg gehen, bis sie sich beruhigt hatten.
Ich lag im Bett und grübelte über das nach, was Dr. James gesagt hatte. Sie meinte, ich müsste mit den Entscheidungen leben, die ich treffe.
Was, wenn ich mich entschied, kein Baby zu bekommen? Würde Holt ein anderes Mädchen finden, das es tun würde? Was, wenn er niemanden fände und seine Schwester sterben würde?
Wenn ich nein sagte, würde ich jede Chance verlieren, jemals mit ihm zusammen zu sein. Aber wenn ich es täte, gäbe es keine Garantie, dass wir am Ende ein Paar würden.
Irgendwann mitten in der Nacht traf ich meine Entscheidung.
Ich würde Holts Baby bekommen. Ich legte meine Hände auf meinen Bauch und malte mir aus, wie es sein würde, ein Baby in mir heranwachsen zu spüren.
Ich schlief ein und träumte, dass ich barfuß und mit einem dicken Babybauch über einen Bach lief. Überall waren Seerosenblätter, auf denen Frösche herumhüpften.
Holt stand auf der anderen Seite und wartete auf mich.
Ich wachte auf, bevor ich sehen konnte, ob ich es hinüber schaffte.