
Niya und Diya standen beide mit schockierten Gesichtern da. Niya drehte sich grinsend zu ihrer Zwillingsschwester um. Ich schaute erst zu Carter, dann zu Diya und lächelte.
Im Stillen dankte ich den Kräften, die für die Wahl der Gefährten verantwortlich waren. Mein bester Freund hatte eine tolle Gefährtin verdient, und offensichtlich gerade bekommen. Und auch meine Cousine hatte Glück mit Carter.
Als ich die beiden anschaute, starrten sie immer noch einander an. Seufzend schob ich Carter auf Diya zu. Er benötigte eindeutig einen Schubs in die richtige Richtung.
Carter funkelte mich an, und ich lachte und zeigte auf meine Cousine. Niya gab auch Diya einen kleinen Schubs, bevor sie zu mir herüberkam. Die neuen Gefährten benötigten anscheinend ein wenig Privatsphäre.
Niya umarmte mich, und ich sagte ihr, dass sie wunderschön aussah.
Unser Moment wurde von Sophia und Luke unterbrochen. „Das ist ja eine schöne Überraschung“, sagte Sophia.
Ich nickte lächelnd. Es war wirklich toll, dass Carter und Diya anscheinend Gefährten waren. Als ich mich wieder zu ihnen umdrehte, sah ich, dass sie sich lächelnd unterhielten.
Carter hielt Diyas Hand und ich fand, dass sie wie füreinander geschaffen waren. Vielleicht war ich aber auch ein wenig voreingenommen.
„Also, meine Damen, ich muss euch jetzt leider verlassen, damit ich mit ein paar anderen Leuten reden kann“, sagte Luke und küsste Sophia auf die Stirn.
Wir winkten Luke zum Abschied, und Sophia zog Niya und mich zu einem Tisch. Wir machten es uns bequem, und Niya fing an, über das Leben in ihrem Rudel zu plaudern.
Sie erzählte uns, dass ihnen, seit sie und Diya achtzehn geworden waren, die unverpaarten Männer ihres Rudels überallhin folgen würden.
Sie wollten sich unbedingt mit einer der Zwillingsschwestern paaren, weil ihr Vater der Beta ihres Rudels war.
Niya erzählte uns, wie lästig es war, und dass es besonders ein Rudelmitglied gab, das ihr Nein nicht akzeptierte.
Als ich Niya sagte, dass diese Person heute vermutlich nicht in ihre Nähe kommen würde, weil so viele Lykaner hier waren. Dann sah ich kurz zu Sophia, um ihre Reaktion zu sehen, aber ihr Gesicht wirkte ziemlich angespannt.
Als ich mich umsah, sah ich, dass viele Lykaner genauso angespannt waren.
Sie sahen aus, als ob sie versuchten, glücklich zu sein, es aber nicht sonderlich gut funktionierte. Es war eindeutig, dass sie angespannt waren, und ich fragte mich, warum.
Schnell drehte ich mich wieder zu Sophia um und wollte sie fragen, aber die Spannung, die ich kurz zuvor noch in ihrem Gesicht gesehen hatte, war verschwunden. Stattdessen plauderte sie jetzt wieder fröhlich mit Niya.
Da wir mittlerweile schon jahrelang befreundet waren, wusste ich, dass sie mir etwas verheimlichte. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Als Sophia auch weiterhin den Blickkontakt mit mir vermied, beschloss ich, sie darauf anzusprechen.
„Okay, was ist los? Sag nicht, dass es nichts ist, Sophia, denn dafür kenne ich dich zu gut“, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich weiß nicht, ob das ein Segen oder ein Fluch ist“, murmelte Sophia.
Ich hob die Augenbrauen, denn ich wusste, dass sie versuchte, das Thema zu wechseln.
„Okay, ich erzähle es euch“, lenkte Sophia ein.
„Na ja, es gab ein großes Problem mit dem König. Der Rat hat seinen Unmut darüber geäußert, dass unser König ohne Gefährtin regiert. Sie haben es zwar erst vor zwei Tagen angesprochen, aber es war ziemlich eindeutig, dass sie das schon eine ganze Weile stört. Sie haben sich darüber beklagt, dass der König nicht zu kontrollieren sei, weil er keine Gefährtin habe und Gefährten einander Halt gäben.
Der König hat einfach niemanden, der so für ihn da ist, wie er es braucht. Manchmal ist es sogar so schlimm, dass er, wenn er wütend ist, eingesperrt werden muss. Es gibt einen speziellen Raum, in dem er angekettet wird, damit sein Lykaner nicht herauskommt, sonst würde er alles zerstören. Der Rat meinte, das sei eine Gefahr und nicht sicher für das Königreich, also schlugen sie einen Deal vor. Es gibt ein Lykaner, deren Gefährte ein Werwolf ist, aber im Sterben liegt. Da sie nie einander beansprucht haben, hält der Rat es für möglich, dass sich der König und diese Frau paaren könnten. Allerdings glaube ich nicht, dass sie wissen, wovon sie reden. Immerhin sind sie Werwölfe. Unser König würde sich nie auf eine arrangierte Beziehung einlassen. Sein Lykaner wird niemals eine andere Person als seine Gefährtin akzeptieren, und sie zur Paarung zu zwingen, könnte gefährlicher sein, als der Rat denkt.“
Sophia hielt inne, um Luft zu holen.
Ich saß vollkommen schockiert da. Der arme König. Er wird also dazu gezwungen, sich mit jemand anderem zu paaren. Hätte er nicht einfach ablehnen können?
„Aber hätte er nicht einfach ablehnen können? Immerhin ist er der König“, sagte Niya und sprach damit meine Gedanken aus.
„Nein, kann er nicht. Wenn er das täte, würde er die Mehrheit der Alphas einfach ignorieren, und dann wäre er wiederum auch kein guter König“, erklärte Sophia seufzend.
„Ich verstehe einfach nicht, wie Alphas so etwas von ihm erwarten können.“ Niya schüttelte den Kopf.
„Was mich ärgert, ist, dass die Gefährtin des Königs irgendwo da draußen ist. Ich meine, sie wurde schließlich dazu geboren, um Königin zu sein. Nicht diese andere Frau. Uns Lykanern fällt es schwer, uns mit der Entscheidung des Rates abzufinden. Ihr wisst ja, dass wir sehr loyal sind, deshalb können wir nicht begreifen, dass unser König sich mit jemand anderem als seiner eigentlichen Gefährtin paaren muss. Das ist verrückt.“ Sophia schüttelte den Kopf.
„Der König tut mir wirklich leid. Er würde es wirklich nur tun, um die Alphas zu besänftigen.“ Ich seufzte. Aus irgendeinem Grund verkrampfte sich mein Herz schmerzhaft.
Sophia nickte zustimmend. Dann fügte sie noch hinzu, dass der König sein Zimmer nicht mehr verlassen hatte, seit die Vereinbarung getroffen wurde.
Obwohl er anscheinend eine ganze Etage für sich allein hatte, war er kein einziges Mal aus seinem Zimmer gekommen.
Sie vermutete, dass er sich wegen der arrangierten Paarung schuldig fühlt und wahrscheinlich das Gefühl hatte, seine echte Gefährtin zu hintergehen.
Niya seufzte nun ebenfalls und sagte, dass sie ihm sehr wünsche, schon bald seine Gefährtin zu finden. Sophia vermutete sogar, dass dies einer der Gründe war, warum diese Bälle stattfanden. Hier hätte er immerhin noch die Chance, seine Gefährtin zu finden.
Leider hatte er bisher kein Glück gehabt, was entweder bedeutete, dass seine Gefährtin zu jung oder menschlich war oder nicht mehr lebte.
Ich hoffte, das Schicksal war nicht zu grausam zu unserem armen König. Es wäre doch wirklich furchtbar, wenn seine Gefährtin tot war, bevor sie sich überhaupt kennengelernt hatten. Da sich das Gespräch deutlich auf unsere Stimmung ausgewirkt hatte, wechselten wir schnell das Thema und fingen an, über andere Dinge zu reden.
Niya erwähnte, dass sie ebenfalls so schnell wie möglich ihren Gefährten finden wollte, um zu verhindern, dass ihr weitere Rudelmitglieder nachstellten.
Da Diya ihren Gefährten nun gefunden hatte, würde sie ihr altes Rudel verlassen und nun bei uns leben. Das bedeutet auch, dass Niya sich fortan allein mit den Männern ihres Rudels auseinandersetzen musste.
Ich wusste natürlich, dass die Mädchen mich auch über Hunter ausfragen wollten, also kam ich ihnen zuvor und sagte, dass ich gerade nicht darüber reden wollte. Hunter hatte seine Gefährtin gefunden, und ich musste auch weitermachen.
Sophia fragte, ob ich wolle, dass sie sich Hunter mal vorknöpfte, aber ich lehnte lachend ab. Dann, ganz plötzlich änderte sich die Atmosphäre; die allgemeine Anspannung war unübersehbar.
Als auch meine Wölfin unruhig wurde, drehte ich mich um. Alle Lykaner waren auf jemanden konzentriert, der gerade die Treppe hinaufging.
Ich spürte, dass meine Wölfin plötzlich wütend wurde, aber ich hatte absolut keine Ahnung, warum. Also klammerte ich mich an den Tisch, um mich davon abzuhalten, mich zu verwandeln.
Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so wütend gewesen, und ich hatte mich auch noch nie verwandelt, weil ich meine Wölfin nicht kontrollieren konnte.
„Das ist sie. Das ist der Lykaner, von der ich euch erzählt habe. Ihr Name ist Savanah“, flüsterte Sophia.
Ich starrte Savanah an, die ruhig die Treppe hinaufging, als ob sie all die bösen und kalten Blicke, die sie erntete, gar nicht bemerkte.
Sie war wunderschön. Ihr langes blondes Haar floss in Wellen über ihren Rücken, und sie trug ein umwerfendes schwarzes Kleid, das ihr sehr gut stand.
Ich versuchte, meine nervöse Wölfin durch tiefe Atemzüge zu beruhigen. Die Lykaner starrten Savanah angewidert hinterher, doch sie hielt ihren Kopf hocherhoben, als wieder verschwand.
„Vermutlich ist sie auf dem Weg zum König“, sagte Sophia und seufzte.
Kaum hatte sie das gesagt, knurrte meine Wölfin. Ich spürte, wie ihre Wut von mir Besitz ergriff. Ich wusste, dass ich so schnell wie möglich von hier verschwinden musste.
Schnell stand ich auf und eilte, ohne etwas zu sagen, aus dem Schloss hinaus in die kühle Nacht. Zum Glück fand ich eine Bank in der Nähe der Gärten und ließ mich erschöpft darauf nieder.
Ich schloss die Augen und tat mein Bestes, um meine Wölfin zu beruhigen. Dies war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um sich zu verwandeln; ich musste endlich die Kontrolle zurückerlangen.
Nachdem ich eine Weile dort gesessen hatte, gelang es mir, meine Wölfin zu beruhigen. Sie war unzufrieden mit mir. Das wusste ich, aber ich wusste nicht, warum sie sich so verhielt.
Normalerweise hatten wir eine einwandfreie Beziehung. Wir verstanden uns gut. Dieses Verhalten war nicht normal für sie.
Vielleicht war sie wegen der Situation des Königs aufgeregt und wütend; vielleicht hatten sich irgendwie die Gefühle von Sophias Lykaner auf sie übertragen.
Immerhin hatten sich unsere Wölfinnen ebenfalls sehr nahe gestanden, bevor sie ein Lykaner wurde, vielleicht hatte sie deshalb so heftig reagiert.
Ich beschloss, dass es am besten war, wenn ich noch etwas draußen an der kühlen Luft blieb. Ich wollte nicht riskieren, dass meine Wölfin wieder wütend wurde. Es war fraglich, ob ich meine Verwandlung kontrollieren könnte, wenn sie wieder wütend wurde.
Irgendetwas fühlte sich jedoch falsch an. Dass meine Wölfin so heftig reagierte, passte weder zu ihr noch zu mir.
Was war nur mit uns los?