B. Luna
ALEXIA
Stöhnend drehe ich mich um und ziehe mir die Decke über den Kopf, um mich vor dem Sonnenlicht zu verstecken, das durch mein Fenster und natürlich genau auf mein Kopfkissen fällt.
Langsam kommen die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück.
Mein Gefährte sagte mir, ich solle mich von ihm fernhalten. Bei diesem Gedanken beginnt meine Wölfin in mir zu wimmern. Sollte ich wirklich Angst vor ihm haben? Immerhin hat er einen Kerl verprügelt, nur weil er unhöflich zu mir war.
Nach meiner gestrigen Schicht fuhr ich direkt nach Hause und fiel irgendwann in einen unruhigen Schlaf.
Bisher habe ich niemandem außer Gennie erzählt, dass ich gestern Abend meinen Gefährten getroffen habe, und ich habe sie schwören lassen, dieses Geheimnis noch eine Weile für sich zu behalten.
Mein Bruder wird darüber bestimmt nicht sonderlich glücklich sein, wenn er erfährt, wer er ist.
Ich setze mich im Bett auf und werfe einen Blick auf die Uhr an meiner Wand. 7:01 Uhr. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen, nehme mein Handy vom Nachttisch und wische über das Display, um es zu entsperren.
Ich sehe, dass ich mehrere verpasste Anrufe, sowie ungelesene Nachrichten habe. Eine der Nachrichten ist von Adam.
„Vergiss bitte nicht, das Abendessen vorzubereiten.“
Die Nachricht wurde vor einer Stunde verschickt. Verdammt! Ich hatte wirklich total vergessen, dass ich für das ganze Rudel und unsere Besucher kochen muss.
Durch das zufällige Treffen meines Gefährten war alles andere in den Hintergrund gerutscht.
Er wird heute hier sein. Auch wenn ich irgendwie Angst vor den Dingen habe, die er getan hat, kann ich nicht leugnen, dass ich mich freue, ihn wiederzusehen. Auch wenn das anscheinend nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Dies ist die erste Mahlzeit, die ich für meinen Mann kochen werde.
Der überwältigende Instinkt, für ihn zu sorgen, ist erdrückend. Natürlich weiß ich, dass es diese spezielle Verbindung zwischen Gefährten gibt, die man auch Paarbindung nennt, aber ich glaube nicht, dass man deswegen über alles hinweg sehen kann.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand einen Gefährten haben will, der einfach nur so aus Spaß andere tötet.
Natürlich bin ich auch nicht gerade ein Engel. Mein Bruder hat mir schon früh das Kämpfen beigebracht.
Wenn es sein muss, kann ich mich behaupten, aber bisher habe ich noch nie um etwas anderes kämpfen müssen als um Essensreste.
Unser Alpha hat uns beigebracht, dass Kämpfen und vor allem Töten, das allerletzte Mittel ist. Wir sind ein sehr friedliches Rudel.
Schnell springe ich unter die Dusche, ziehe mir danach ein paar Leggings und ein altes Band-T-Shirt an und gehe nach unten in die Küche.
Ich setze eine Kanne Kaffee auf und gehe zum Kühlschrank, um die Vorräte zu überprüfen.
Meistens erledige ich die Lebensmitteleinkäufe für das Rudel selbst, und aktuell bin ich sehr dankbar, dass ich uns erst letzte Woche mit Lebensmitteln eingedeckt habe.
Also hole ich alle Zutaten für ein Chili heraus und mache mich an die Arbeit. Nach einer Stunde köcheln bereits vier extragroße Töpfe mit Chili auf dem Herd.
„Das riecht aber gut“, sagt Adam, als er in die Küche kommt. „Was kochst du?“
„Mamas Chili“, antworte ich und lächle vor mich hin.
Als Nächstes gehe ich zum Schrank und hole die Zutaten für einen Blaubeer- und zwei Schokoladenkuchen heraus.
„Wo sind Julie und Linda?“, fragt er.
„Wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, dass sie noch schlafen.“
„Du hast sie nicht um Hilfe gebeten, oder?“, fragt er und sieht mich an.
„Das würde ich auch ehrlich gesagt lieber nicht.“
Ich fülle die Zutaten für den Blaubeerkuchen in eine Form und schiebe sie in den Ofen. Jetzt würde ich mich um die Schokoladenkuchen kümmern.
Adam fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Ich kann sehen, dass er etwas auf dem Herzen hat, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ist es nichts Gutes.
„Ich schaffe das schon, großer Bruder. Hör auf, dich zu stressen“, sage ich und vermische die Zutaten zu einem Kuchenteig.
Er wendet sich ab und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
„Ich kann nicht anders. Ich möchte, dass alles reibungslos abläuft. Ein Besuch aus Southridge kann nichts Gutes bedeuten. Alpha Stone sagte, es hätte etwas mit unserem Revier zu tun, aber bisher hat das Southridge-Rudel noch nie etwas von uns gewollt. Ich habe ein wirklich schlechtes Gefühl dabei.“
Schweigend verteile ich den restlichen Teig in zwei Formen und schiebe diese zusammen zum Blaubeerkuchen in den Ofen.
„Aber damit möchte ich dich jetzt wirklich nicht beunruhigen“, fährt er fort. „Es ist wahrscheinlich nichts, was wir nicht regeln können. Alpha Greg möchte trotzdem, dass alle vorsichtig sind. Pass bitte einfach auf. Immerhin kennen wir diese Wölfe nicht.“
Obwohl meine Hände zittern und sich mir der Magen umdreht, versuche ich ruhig zu bleiben. Mein Bruder verdient es zu erfahren, wer Alpha Stone für mich ist.
Ich muss ihm sagen, dass ich dazu bestimmt bin, mit einem Mörder zusammen zu sein.
Meine Wölfin knurrt mich an. Sie kann es nicht ertragen, dass ich schlecht über ihren Gefährten denke. Sie glaubt nicht, dass ihr Gefährte etwas falsch machen könnte. Kurz bevor ich etwas sagen kann, beginnt Adam wieder zu sprechen.
„Sie sind nur ein paar Tage hier, dann gehen sie wieder, und das Leben kehrt zur Normalität zurück ...“ Dann hält er inne, seine Augen werden glasig, und nach einigen Augenblicken spricht er weiter.
„Ich muss los. Unser Alpha hat mich gerade informiert, dass Alpha Stone angekommen ist“, sagt er und wendet sich zum Gehen.
„Adam, warte“, sage ich nervös.
Er dreht sich um und sieht mich erwartungsvoll an. Jetzt oder nie. Ich schlucke und bereite mich schonmal auf eine Diskussion vor.
„Ich habe gestern Abend in der Bar meinen Gefährten getroffen.“
Seine Augen werden groß und sein Lächeln reicht von einem Ohr zum anderen.
„Wirklich?! Ich habe dir doch gesagt, du würdest ihn finden! Ich freue mich so für dich!“
Er schlingt seine Arme um mich und drückt mich fest an sich.
„Wer ist er und wann kann ich ihn kennen lernen?“, fragt er aufgeregt.
Mein Herz rutscht mir in die Hose und meine Nerven liegen blank. Für einen kurzen Moment schweige ich. Ich brauche einen Moment, um mich zu fangen, bevor ich dann weiterspreche.
„Es ist Alpha Stone, vom Southridge-Rudel.“
Plötzlich wird Adam blass und ich kann sehen, wie sich seine Gedanken überschlagen. In seinen Augen sehe ich Angst. Nach einer Minute gewinnt er seine Fassung wieder und beginnt leise zu sprechen.
„Bist du dir sicher? Weiß er es auch?“
Ich nicke und er fährt sich mit der Hand über das Gesicht.
„Warum erzählst du es mir erst jetzt?!“, schreit er mich an.
Ich schaue auf meine Füße und fühle mich plötzlich wie ein Kind, das ausgeschimpft wird.
„Er sagte, ich solle mich von ihm fernhalten“, antworte ich leise.
„Gut. Denn das ist genau das, was du tun wirst. Versuch nicht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, solange er hier ist. Ich werde nicht zulassen, dass er dir wehtut“, sagt er.
Als meine Wölfin leise knurrt, werden die Augen meines Bruders immer größer. Natürlich will sie ihren Gefährten verteidigen.
„Du denkst doch nicht etwa daran, ihn als deinen Gefährten zu akzeptieren, oder? Er wird dich umbringen!“
„Ich weiß es nicht“, antworte ich ehrlich. „Ich glaube nicht, dass er mir etwas antun würde.“
„Du weißt doch, was er alles getan hat. Wie kannst du auch nur einen Gedanken daran verschwenden? Du bist klüger als das, Lex. Sieh mal, ich weiß, dass du lange nach deinem Gefährten gesucht hast, aber denk doch mal darüber nach. Denk darüber nach, was es bedeuten würde, wenn du dich auf ihn einlässt.“
Ich nicke nur und Adam seufzt.
„Ich muss jetzt los“, sagt er. „Denk bitte einfach an das, was ich gesagt habe.“
Mit diesen Worten dreht er sich um, verlässt die Küche und lässt mich mit meinen Gedanken allein.
Ich schnappe mir mein Handy und mache Musik an. Musik hat mir schon immer geholfen, wenn mir alles andere zu viel wurde.
Freddie Mercurys Stimme hallt aus dem Lautsprecher meines Handys und ich singe mit, während ich weiterkoche.
Als ich fertig bin, gehe ich zurück in mein Zimmer, um mich für das Treffen mit dem Rudel ein wenig zurechtzumachen.
Nachdem ich noch einmal geduscht habe, ziehe ich eine dunkle Jeans an und suche mir ein passendes Oberteil.
Ich durchstöbere die unzähligen Band-T-Shirts in meinem Kleiderschrank und finde unter ihnen schließlich auch einen dunkelroten Pullover.
Dann föhne ich meine Haare und locke die Spitzen, bevor ich mein Make-up auftrage. Ein wenig Eyeliner und ein Hauch Mascara und ich bin fertig.
Ein paar Stunden später mache ich mich auf den Weg, um Gennie bei den Vorbereitungen für das heutige Abendessen im Speisesaal des Rudels zu helfen.
Trotzdem kann ich nicht aufhören, an meinen Gefährten zu denken und als ich zur Tür hinausgehe, frage ich mich, ob er auch an mich denkt.