B. Luna
RAINIER
Als wir die Grenze zum Revier des Northridge-Rudels erreichen, warten dort schon zwei Wachen auf uns. Ich halte das Auto an und kurble mein Fenster herunter.
„Du musst Alpha Stone sein“, sagt der jüngere Wolf und zittert leicht. Er nimmt Blickkontakt mit mir auf und senkt dann den Blick, bevor er weiterspricht.
„Alpha Greg erwartet dich bereits. Ich sage ihm Bescheid, dass du angekommen bist.“
Eine Minute später folgen wir den Wölfen zu einem grauen Gebäude.
Als wir dort ankommen, steige ich aus dem Auto und nicke Toby, Damon und Jay zu, die daraufhin ebenfalls aussteigen.
Wir folgen dem jüngeren Wolf ins Innere des Gebäudes, und ich entdecke eine Menge Trainingsgeräte.
Hier bilden sie offensichtlich ihre Krieger aus. Als ich mich weiter umsehe, entdecke ich ein paar Wölfe, die sich um einen viel größeren Wolf versammelt haben, von dem ich annehme, dass er Alpha Greg Roberson sein muss.
Er kämpft gerade mit einem anderen jungen Mann. Der Mann stürzt sich auf seinen Alpha und wird schnell herumgewirbelt und in einen Würgegriff genommen. Nach weniger als fünf Sekunden gibt er auf.
Der junge Mann steht auf und lächelt.
„Fast hätte ich dich gehabt“, lacht er.
„Nicht in diesem Leben“, antwortet der Alpha lachend, bevor er sich an den Rest der anwesenden Rudelmitglieder wendet.
„Ich erwarte, dass später alle anwesend sind, um unsere Gäste zu begrüßen“, sagt er. Dann kommt er auf mich zu und reicht mir die Hand.
„Willkommen in meinem Rudel, Alpha Stone.“
„Vielen Danke, dass wir euch besuchen dürfen, Alpha Roberson.“ Ich spreche mit ruhiger Stimme und komme direkt zur Sache. „Ich würde gerne mit dir über die Vergrößerung meines Reviers sprechen.“
„Ich verstehe. Und wir werden darüber sprechen. Aber da du schon einmal hier bist, möchte ich dich und deine Begleiter offiziell zu unserem Rudelessen heute Abend einladen. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Besucher angemessen begrüßt werden. Ich bin sicher, dass wir dann morgen alles Weitere regeln können.“
Es scheint, als ob er versucht, Zeit zu gewinnen, aber ich spiele erst einmal mit. Immerhin weiß er jetzt schon, weswegen ich hier bin.
Außerdem bin ich mir sicher, dass er nicht so dumm ist, mich in eine Art Hinterhalt zu locken. Ich könnte ihn und sein ganzes Rudel in ein paar Minuten ausschalten.
Also schüttle ich seine Hand und nicke.
„Nun gut. Ich weiß die Geste zu schätzen.“
Ich will ihm gerade meine Wölfe vorstellen, als ich mich umdrehe und sehe, wie ein weiterer Mann das Gebäude betritt. Greg winkt ihn zu sich heran.
„Alpha Stone, das ist mein Beta, Adam. Adam, das ist Alpha Stone.“
Als ich ihn ansehe, fällt mir sofort die Ähnlichkeit zu meiner Gefährtin auf. Sie müssen verwandt sein, denn es ist beinahe unheimlich, wie sehr sie sich ähneln.
Er sagt jedoch nichts, knurrt nur und versucht, den Blickkontakt zu halten. Sie muss ihm von mir erzählt haben.
Ich knurre leise, weil mir diese Respektlosigkeit nicht gefällt. Der einzige Grund, warum ich ihm noch nicht die Kehle herausgerissen habe, ist, dass er irgendwie mit meiner Frau verwandt ist.
Meine Frau? ~Wann habe ich bitte angefangen, sie zu beanspruchen? Ein weiteres Knurren, dieses Mal lauter, entringt sich meiner Kehle.
Er schaut schnell weg und entblößt unterwürfig seinen Hals.
„Entschuldige bitte, Alpha Stone. Willkommen in unserem Rudel.“
Ich nicke und stelle fest, dass er seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen gerade eine Gedankenverbindung zu seinem Alpha hergestellt hat. Nach einer Sekunde spricht Greg wieder.
„Adam wird dir zeigen, wo ihr wohnen werdet, solange ihr hier seid. Ich freue mich auf eure Gesellschaft heute Abend.“
Dann brechen wir auf und folgen dem Beta zu einem zweistöckigen Gebäude, von dem ich annehme, dass es ihr Rudelhaus ist.
Wir gehen direkt in die Küche, und ich halte inne und atme tief ein; der Geruch von Brombeeren und Orchideen liegt in der Luft. Ich weiß sofort, dass meine Gefährtin vor kurzem hier gewesen sein muss.
Mein Wolf wird immer unruhiger und ich muss mich wirklich zusammenreißen, damit er nicht die Kontrolle übernimmt.
Denn falls das passiert, werde ich ihn nicht daran hindern können, sie zu finden und sie sofort zu beanspruchen.
Die Paarbindung zwischen uns wird immer stärker, je länger ich in ihrer Nähe bin. Ich weiß nicht, wie lange ich noch in der Lage sein werde, meinen Wolf zu vertrösten.
Obwohl ich sie bisher nur einmal gesehen habe, fühlt es sich bereits so an, als würde ich sie schon seit Jahren begehren.
Wir verlassen die Küche und folgen dem Beta bis zum Ende eines Flurs.
„Da sind wir“, sagt er. „Ich hole euch ab, wenn es Zeit zum Abendessen ist. Mein Alpha sagt, ihr sollt es euch so lange gemütlich machen und euren Aufenthalt genießen.“
Ich wende mich an meine Männer und nicke. Jeder von ihnen nimmt sich ein Zimmer und schließt die Türen. Gerade als ich eine der anderen Türen öffnen will, beginnt der Beta leise zu sprechen.
„Ich weiß nicht, warum du hier bist, aber bitte lass meine Schwester in Ruhe. Ich werde nicht zulassen, dass du ihr etwas antust.“
Ich knurre drohend; mein Wolf mag es nicht, wenn man ihm sagt, er solle sich von seiner Gefährtin fernhalten.
„Und was willst du dagegen tun, Wolf? Mich bekämpfen?“, frage ich knurrend. Für einen kurzen Moment überlasse ich meinem Wolf die Kontrolle und die Augen des Betas weiten sich verängstigt.
„Ich habe deine Respektlosigkeit vorhin nur durchgehen lassen, weil ich wusste, dass du irgendwie mit meiner Gefährtin verwandt sein musst. Das ist etwas, was ich normalerweise nicht tue. Fordere dein Glück nicht heraus, Wolf. Du weißt, dass das Rudelgesetz besagt, dass ich sie einfach mitnehmen kann, wenn ich will, und dass du nichts dagegen tun kannst.“ Ich kann hören, wie das Herz in seiner Brust unregelmäßig klopft.
Dann drehe ich mich um, gehe ins Zimmer und schließe die Tür hinter mir, bevor ich noch vollkommen durchdrehe.
Während ich meinen wütenden Wolf beruhige, sehe ich mich in dem großen, schlichten Raum um. Dieses Rudel ist wirklich sehr gastfreundlich, das bin ich nicht gewohnt.
Als ich mich auf das Bett fallenlasse, denke ich über das Gespräch nach, das ich gerade geführt habe. Ich habe ihrem Bruder nur die Wahrheit gesagt. Das Rudelgesetz besagt wirklich, dass ein Mann, wenn er seine Frau findet, mit ihr zu seinem Rudel zurückkehren muss.
Dieses Gesetz wurde schon lange vor meiner Geburt verabschiedet.
Ich lehne mich zurück und entspanne mich bei dem Gedanken, dass meine Frau mir so nah ist. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, eine Gefährtin zu haben. Mein Rudel würde sehr davon profitieren, eine Luna zu haben.
Trotz allem dürfen mich diese Gedanken jetzt nicht ablenken. Immerhin habe ich einen Job zu erledigen, und ich habe mir geschworen, dass sie mir dabei nicht in die Quere kommen wird.
Wenn ich nicht bald mehr Land finde, werden meine Wölfe bald obdachlos oder noch schlimmer, tot sein.
Die Menschen nehmen unser wunderschönes Revier ein und verwandeln es in geschäftige Städte, in der es keinen Platz für Wölfe gibt. Ich muss mein Rudel beschützen.
Wir haben ein ziemlich großes Revier, das sich über Missouri und den größten Teil von Illinois erstreckt.
Aber angesichts der Abholzung der Wälder muss ich schnell ein anderes Zuhause für meine Wölfe finden.
Ich bin immer noch vollkommen in meinen Gedanken versunken, als es an der Tür klopft.
„Ja?“, antworte ich.
„Alpha, ich bin's. Ich muss mit dir sprechen“, höre ich Toby hinter der Tür sagen.
Ich stehe auf und öffne die Tür, um zu sehen, was er will.
„Was ist?“, blaffe ich ihn an. Eigentlich habe ich keine große Lust, mich zu unterhalten. Nicht, dass ich das jemals hätte.
„Mein Wolf ist unruhig und das kenne ich so nicht von ihm. Ich nehme immer wieder eine Witterung auf, von der ich glaube, dass sie zu meiner Gefährtin gehören könnte. Ich glaube, sie ist hier in diesem Rudel. Gibst du mir die Erlaubnis, ihren Geruch zu verfolgen?“
Ich sehe ihn an und nicke.
„Ich erlaube es dir.“
Er grinst von einem Ohr zum anderen und für einen kurzen Moment wird mein Herz ganz schwer.
„Danke, Alpha.“
Er wendet sich zum Gehen, und ich schließe die Tür hinter ihm. Zehn Minuten später klopft es erneut. Ich stehe auf und öffne die Tür, und sehe den Bruder meiner Gefährtin vor mir.
„Ich bin hier, um dich und deine Wölfe zum Rudelessen zu begleiten, Alpha Stone.“
Ich verbinde mich gedanklich schnell mit meinen Kriegern und teile ihnen mit, dass es Zeit für das Abendessen ist.
Sie verlassen ihre Zimmer und wir folgen ihm nach draußen zu einem Nachbargebäude. Es sieht aus wie eine Art kleines Gemeinschaftshaus.
„Das ist der Speisesaal unseres Rudels“, erklärt der Beta, als wir hineingehen.
Ich sehe sie sofort, als ich das Gebäude betrete.
Sie sieht mich ebenfalls; ihre schönen smaragdgrünen Augen mustern mich von oben bis unten, während ich das Gleiche bei ihr tue.
Sie ist wunderschön, definitiv die schönste Frau, die ich je gesehen habe.
Ihr langes, tiefschwarzes Haar fällt ihr bis zur Taille, und ich sehne mich danach, meine Hände darin zu vergraben, sie an mich heranzuziehen und sie genau hier, vor den Augen all dieser Wölfe, zu beanspruchen.
Die Kurven ihres schönen Körpers würden perfekt zu meinem passen.
Mein Wolf ist bereit, sich zu nehmen, was ihm gehört. Ehe ich mich versehe, gehe ich direkt auf sie zu. Ich versuche, mich aufzuhalten, aber mein Körper bewegt sich wie von selbst.
Ich kann mich nicht gegen unsere Bindung wehren, sie ist einfach zu stark.
Als ich sie erreiche, wendet sie ihren Blick nicht von mir ab und ich kann sehen, wie sie zittert. Für alle hörbar erhebt sein Wolf leise knurrend seinen Anspruch auf sie.
„Du gehörst mir.“