
Ich fühlte mich rastlos und gelangweilt. Es zog mich nach draußen.
Mein Wolf lief unruhig in meinem Kopf auf und ab und wollte frei sein. Seufzend setzte ich mich hinter unser Apartment ins Freie.
Es war ein stiller Ort, der zu meinem Lieblingsplatz geworden war. Ich blickte auf den See in der Ferne und musste lächeln, als Rivers Stimme in meinem Kopf erklang.
Ich sprang auf, streifte meine Klamotten ab und verwandelte mich in meinen hellbraunen Wolf. River rannte den Hügel zum See hinunter und wurde immer schneller, je näher sie dem Wasser kam.
Mit einem kräftigen Sprung stieß sie sich vom Boden ab, bevor sie mit einem Platschen ins kühle Nass eintauchte.
Wir planschten vergnügt herum und genossen es, endlich mal wieder frei zu sein und Spaß zu haben. Wir tobten am Ufer, bis die Sonne unterging.
Ich verwandelte mich zurück in meine menschliche Gestalt und ging in die Wohnung. Während ich mich anzog, beobachtete ich den Sonnenuntergang.
Als ich mich umdrehte, stand Damon plötzlich hinter mir und starrte mich mit großen Augen an.
„Alpha“, sagte ich und wurde rot, unsicher, wie viel er gesehen hatte.
„Läufst du öfter splitterfasernackt rum?“, fragte er mit rauer Stimme.
Ich grinste. „Nur wenn ich weiß, dass du daheim bist.“
Er verengte die Augen, bevor er sich abwandte. Ich schmunzelte in mich hinein, zufrieden damit, ihn ein bisschen aus der Fassung gebracht zu haben.
Während ich den Schmutz von meinem Nachmittag am See abwusch, dachte ich über meine Lage nach. Zwei Tage hatte ich damit verbracht, diesen Kerl dazu zu bringen, mich wahrzunehmen und als seine Gefährtin zu akzeptieren.
Ich hatte die Nase voll davon, ihm wie ein Schoßhündchen hinterherzulaufen und auf ein Quäntchen Aufmerksamkeit zu hoffen. Ich war stark, stärker als er ahnte.
Ich würde mein eigenes Leben leben. Und wenn er ein Teil davon sein wollte, wusste er ja, wo er mich finden konnte.
Ich verließ mein Zimmer, fest entschlossen meinen neuen Plan umzusetzen. Ich würde die beste Luna werden, die dieses Rudel je gesehen hatte, selbst wenn ihr Alpha mich nicht wollte.
Im Gemeinschaftsbereich angekommen, sah ich, dass Damon wieder nicht da war.
Ich setzte mich zu Gemma und plauderte beim Essen mit ihr. Ich genoss die Gesellschaft.
„Na Luna, wie waren deine ersten Tage?“, fragte sie beiläufig.
Ich zuckte mit den Schultern. „Anders. Nicht das, was ich erwartet hatte. Aber es ist schön hier, und alle sind so nett ... meistens.“
Gemma lächelte verständnisvoll. „Alpha Damon kann hart sein, aber er ist ein guter Alpha. Er kümmert sich sehr um unser Rudel.“
„Das sehe ich“, sagte ich.
Ich schob den Gedanken beiseite, als Gemma weitersprach: „Wie wär's, wenn wir morgen zusammen zum Markt gehen?“
„Das wäre toll! Ich wusste gar nicht, dass wir einen Markt haben“, sagte ich überrascht, wie groß dieses Rudel tatsächlich war.
„Es ist nicht wirklich ein Markt. Eher so eine kleine Einkaufsstraße mit Läden. Wir nennen es einfach den Markt“, erklärte Gemma.
„Black Grass, hört mir bitte zu.“ Wir blickten auf und sahen Beta Beckett vorne im Raum stehen.
„Diesen Mittwoch findet um 20 Uhr die Luna-Zeremonie in der Arena statt. Alle müssen erscheinen.“
Beckett beendete seine Ansprache und setzte sich neben Gemma an den Tisch.
„Gut zu wissen“, sagte ich.
Beckett verdrehte die Augen. „Er hat's dir nicht gesagt?“
„Er sagt mir gar nichts“, erwiderte ich genervt. „Aber ich werde da sein.“
Beckett schmunzelte. „Gut. Wir wären alle in der Klemme, wenn die Hauptperson nicht auftauchen würde.“
Ich beugte mich über den Tisch und bedeutete Beckett und Gemma, dasselbe zu tun. „Also“, flüsterte ich, „wie kriegen wir den Alpha dazu, hier draußen mit dem Rudel zu essen?“
Beide lehnten sich mit großen Augen zurück. „Da hast du dir was vorgenommen.“
Ich runzelte die Stirn. „Er ist der Alpha. Er kann sich nicht so vom Rudel abschotten. Sie müssen ihn sehen, in seiner Nähe sein.“
Beckett schüttelte den Kopf. „Ist nicht so einfach. Alpha Damon hat nicht mehr im Gemeinschaftsbereich gegessen, seit ...“
Er verstummte und ich wartete gespannt. „Seit was?“, hakte ich nach.
Er blickte zu Boden und ich setzte mich kerzengerade auf. Ich spürte ihn. Ich roch ihn. Langsam drehte ich mich um, sah zu seinen blaugrauen Augen auf und lächelte breit. „Hallo, Alpha.“
„Lass mich los!“, rief ich, als er uns beide in die Wohnung zerrte. Er ließ meinen Arm los, bevor er die Treppe hinunterstürmte. Ich folgte ihm langsam, mit wütendem Blick.
„Was zum Teufel hast du da draußen gemacht?“, fragte er mit zorniger Stimme.
„Ich wollte nur mehr über dich erfahren. Ich wollte wissen, warum du nicht mit dem Rudel isst“, erwiderte ich scharf.
„Das geht dich einen feuchten Kehricht an“, knurrte er.
„Oh doch, das geht mich sehr wohl etwas an!“, schrie ich zurück.
„Ob es dir passt oder nicht, wir sind Gefährten. Ich werde die Luna dieses Rudels sein, und ich will verdammt nochmal wissen, warum der Alpha anscheinend nichts mit seinen eigenen Rudelmitgliedern zu tun haben will!“
„Das ist nicht deine Sache“, brüllte er.
„Was dann?!“, schrie ich, nun richtig auf hundertachtzig.
„Ich weiß rein gar nichts!“
„Dann hast du mir auch nicht vorzuschreiben, wie ich das hier mache!“, fauchte ich und rauschte an ihm vorbei. „Und von jetzt an isst du entweder mit dem Rudel oder gar nicht.“
Ich stürmte den Flur entlang in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.
Ich tigerte in meinem Zimmer auf und ab, kochend vor Wut. „Für was hält er mich eigentlich? Eine Art Schmuckstück, das man bei Rudelevents herumzeigen kann?“
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ mich aufs Bett plumpsen. Ich wusste, sie hatte Recht. Ich musste einen Weg finden, das hier zum Laufen zu bringen, ihm zu vertrauen, oder ich müsste mich für immer verstecken.
Ich schloss die Augen, holte tief Luft und legte meine Hände auf meine Brust, um mich zu beruhigen. Meine Augen flogen auf, als die Tür zu meinem Zimmer mit einem Knall aufflog.
„Wir sind noch nicht fertig“, sagte Damon und stand im Türrahmen.
Ich runzelte die Stirn und nahm meine Hände herunter, mein Moment der Ruhe war dahin. „Es gibt nichts mehr zu sagen, Alpha.“
„Es gibt eine Menge zu sagen“, erwiderte er wütend. Er sah sich im Zimmer um, bevor er mich wieder mit neugierigen Augen anblickte. „Was hast du da gerade gemacht?“
Ich schüttelte genervt den Kopf. „Was meinst du?“
„Hast du ... meditiert oder so?“, fragte er und wirkte unbehaglich.
„Oder so“, sagte ich mit einem leisen Lachen. „Damon, ich will nicht mit dir streiten, aber ich werde nicht so leben, ständig auf Eierschalen um dich herum. Ich lasse dich in Ruhe, wenn du mich in Ruhe lässt.“
Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, bevor er davonstapfte. Ich atmete leise aus, bevor ich aufstand und meine Tür schloss.
„Ja, das war es“, stimmte ich zu. „Wir müssen vorsichtiger sein.“
Am nächsten Morgen wachte ich voller Tatendrang auf. Nach dem Frühstück huschte ich schnell die Treppe hinunter und blieb im Eingangsbereich stehen, um durchzuatmen. Ich drehte mich um und ging den Flur zu den Rudelbüros hinunter.
„Alpha?“, sagte ich sanft und klopfte an die Tür.
„Hmm?“, brummte er mürrisch.
„Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich den Vormittag unterwegs bin. Gemma und ich gehen zum Markt“, sagte ich, während ich zurückwich und die Tür schloss, ohne auf seine Antwort zu warten.
Ich ging zur Haustür und lächelte, als ich Gemma sah.
„Fertig?“, fragte sie und hakte sich bei mir unter.
„Fertig“, sagte ich mit einem breiten Grinsen.
Wir schlenderten die Straße hinunter, vorbei an den Rudelhäusern und auf eine lange Straße mit vielen Geschäften.
„Das ist ja der Hammer!“, sagte ich, während wir die Straße entlanggingen und ab und zu vor einem Laden stehen blieben. Am Ende der Reihe war ein kleines Bekleidungsgeschäft.
„Oh! Emery, hast du schon ein Kleid für die Zeremonie gefunden?“, fragte Gemma und hielt mich vor dem Geschäft an.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ehrlich gesagt habe ich noch gar nicht daran gedacht.“
Sie grinste breit und zog mich in den Laden. Die Tür bimmelte und ich atmete tief ein, als wir uns umsahen. Der Laden war hell und voller wunderschöner Kleider.
„Hallo, wie geht es Ihnen? Wie kann ich Ihnen helfen, meine Damen?“, fragte die Frau an der Theke und kam auf uns zu.
„Uns geht es blendend!“, sagte Gemma fröhlich. „Wir suchen ein Kleid für Emery, für die Luna-Zeremonie.“
„Oh! Luna!“, sagte die Frau und neigte respektvoll den Kopf.
„Bitte nicht“, sagte ich leise und berührte sanft ihren Arm.
Die Frau sah zu mir auf, lächelte und wandte sich dann dem Laden zu. „Wir haben einige Kleider, die Ihnen gefallen könnten. Kommen Sie mit mir nach hinten, ich zeige sie Ihnen.“
Ich wartete in der Umkleidekabine, während sie die Kleider holte, und zappelte nervös mit den Fingern. Sie kam mit sechs der schönsten weißen Kleider zurück, die ich je gesehen hatte.
„Oh mein ... die sind ja traumhaft“, sagte ich und berührte den Stoff.
Sie nahm eines der Kleider heraus. „Probieren Sie zuerst dieses an.“
Nachdem ich einige Kleider anprobiert hatte, die nicht ganz passten, zog ich das vierte Kleid an und fühlte mich überglücklich. Ich strahlte übers ganze Gesicht. „Das ist es.“
Ich kam aus der Umkleidekabine und ging zum großen Spiegel, wo Gemma wartete. Ich stellte mich vor den Spiegel und lächelte.
Das Kleid war ein langes, fließendes, schimmerndes Kleid, das wie angegossen saß. Das Oberteil war schulterfrei mit langen Ärmeln aus zarter Spitze, die sich über den oberen Teil zog.
Es war wunderschön und perfekt. Ich drehte mich um und sah Gemma lächeln.
„Was meinst du?“, fragte ich.
„Du siehst aus wie eine echte Luna“, sagte Gemma mit einem breiten Lächeln.