Monika S. Senderek
Mia
„Mädels, wartet! Ich muss noch mein Handy holen!“, rufe ich von oben zu den Mädels, die im Wohnzimmer warten. Ashlee und Lea haben, wie versprochen, eine Woche vor der Hochzeitszeremonie einen Junggesellinnenabschied organisiert.
Dieses Mal hatte ich nichts dagegen. Jede Party, die mir hilft, mich ein bisschen zu entspannen, ist gut.
Das Kleid war fertig, meine Mum hat alles erledigt und ich habe zugestimmt, zwei Tage vor der Zeremonie dorthin zu ziehen, um sicherzugehen, dass alles an seinem Platz sein wird.
Es ist ja nicht so, dass ich mich geweigert hätte, aber anderseits gibt es nichts, was ich dagegen tun könnte.
Ich werde nicht weglaufen, das würde alles nur schlimmer machen, und wie wir jetzt wissen, wird es, wenn ich es nicht werde, die Tochter eines anderen Alphas sein. Ich werde dadurch zu einer Asketin. Einer Person, die sich für das Gemeinwohl opfert.
„Ach komm schon, beweg deinen Arsch!“ Lea fängt an, gegen die Tür zu hämmern. Ein letzter Blick in den Spiegel. Das schwarze geblümte Kleid sieht wirklich gut aus.
Dieses Mal habe ich meine Haare geglättet, sodass sie länger als sonst aussehen. Ich öffne zügig die Tür und stoße beinahe mit meiner Schwester zusammen.
„Endlich, was hat so lange gedauert?“ Sie lacht.
„Hallo! Aber wenigstens siehst du gut aus, komm schon! Wir warten alle auf dich.“ Sie mustert mich.
„Alle? Ich dachte, es wären nur du, ich und Ashlee?“ Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu.
Augenblicklich erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Ja, das stimmt, außerdem habe ich aber noch Meg und Carmen eingeladen. Ich habe mir überlegt, Emma auch eine SMS zu schicken, aber ich habe es gelassen, sie hat mit Ashlees Ex-Freund rumgemacht und das hätte peinlich werden können.“
„Auf jeden Fall.“ Ich nicke. Meg und Carmen sind wie Cousinen für uns. Ihr Vater war der Beta des Rudels, und wir kennen uns schon ewig. Ich mag sie wirklich.
Nicht wie Ashlee, aber sie sind okay und je mehr, desto besser.
„Seht mal, wer da ist!“ Die Mädels fangen an zu kreischen.
„Ich habe uns Glitzer-Champagner besorgt!“ Ashlee winkt mit einer Flasche.
„Daumen hoch für dich, Schwester!“
Wir steigen in die Limo, die die Mädels gemietet haben, und fahren zum Club Maxim. Einer der beliebtesten Orte hier mit einer Mischung aus Club- und House-Musik.
„Wer kann Champagner öffnen, ohne ihn zu beschädigen?“ Ashlee lächelt und wirbelt den Flaschenöffner um ihren Finger.
„Nicht du, du schuldest mir noch einen Spiegel.“ Lea nimmt die Flasche und fängt an, am Korken zu ziehen.
Plötzlich ertönt am Auto das vertraute Geräusch eines knallenden Korkens. Lea gießt den Sekt in die Gläser.
„Wenn ich einen kurzen Toast aussprechen darf, bitte!“ Lea erhebt ihr Glas.
„Schatz, ich weiß, das ist nicht das, was wir alle wollen, besonders du, aber ich weiß, was du für mich getan hast, und ich werde immer für dich da sein. Lass uns das Beste aus dieser Nacht machen und Spaß haben.
Ich liebe dich, meine kleine Schwester.“ Sie wirft mir einen Kuss zu. Ich versuche mein Bestes, nicht zu weinen. Ich wische mir schnell eine einzelne Träne ab und schließe sie fest in meine Arme.
„Ich liebe dich auch.“ Ich küsse sie auf die Wange.
„Und um diese Party offiziell zu machen ...“ Ashlee holt die Schärpen für die Braut und den Brauttrupp heraus.
„Du bist wirklich sehr mutig“, flüstert Meg in meine Richtung.
„Ich meine, wir wissen alle, er ist gefährlich heiß und all das, aber er ist auch von einem gegnerischen Rudel und er ist ein Alpha, ganz zu schweigen von diesem ganzen Paarungskram.“
„Oh, Mann, das hätte ich fast vergessen.“ Ich nehme einen Schluck von dem Getränk und merke, dass wir angekommen sind.
„Okay, Schluss mit dem Gejammer. Lasst uns feiern!“ Ashlee springt aufgeregt aus dem Auto.
Wir passieren die Einlasskontrolle und begeben uns zum reservierten Tisch. Die Mädels sind unschlüssig, was sie zu trinken bestellen sollen, aber nach einer intensiven Diskussion einigen wir uns alle darauf, eine große Flasche Wodka und ein paar Softdrinks zu bestellen.
Die Musik ist ziemlich laut und die Tanzfläche ist schon voll, trotz der frühen Zeit.
Ich spüre die Vibration in meiner Handtasche. Ich nehme das Handy heraus und sehe eine SMS von einer unbekannten Nummer. Ich klicke zweimal, um diese zu lesen.
„Der will mich wohl verarschen.“ Zuerst habe ich es für einen Scherz gehalten. Der hat wirklich Nerven, mir eine solche SMS zu schicken. „Moment mal, woher zum Teufel hat er meine Nummer?!“ Ich bekomme ein bisschen Angst.
„Mia, ist alles in Ordnung?“ Ashlee kommt zu mir.
„Ja, warum?“ Ich tue so, als wäre nichts geschehen. Ich will nicht, dass sie es wissen. Sie werden sich aufregen und ihn anrufen wollen. Zu viel Alkohol, das ist keine gute Idee. Nicht heute.
„Ich weiß es nicht. Du scheinst weit weg zu sein.“ Sie sieht mich misstrauisch an.
„Nein, überhaupt nicht, ich habe gerade eine Glückwunsch-SMS von meinem Arbeitskollegen erhalten.“ Ich lüge, ohne zu zögern.
Wir trinken eine weitere Runde und begeben uns dann auf die Tanzfläche. Ich fange an zu tanzen, zu trinken und Spaß zu haben, und vergesse die SMS fast, bis ich eine Weitere erhalte.
„Nein!“ Schreibt er ständig solche Sachen?!
„Ich bin am Arsch.“ Dieses Mal kann ich ihn, wie er sagte, einfach nicht ignorieren.
Ich brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten. Ein weiteres Ping kam eine Minute später.
„Oh Gott.“ Er ist wirklich irre.
„Was macht ihr da?!“ Die Mädels sind an den Tisch zurückgekehrt. Die Wodkaflasche ist leer, dieses Mal geht Meg zur Bar, um eine neue zu holen.
Ich sehe mir die SMS wiederholt an. Ich kann nicht glauben, dass er diese Dinge geschrieben hat. Wie alt ist er!? Das Schlimmste ist, dass ich in vier Tagen dorthin gehen werde.
Schließlich haben wir zwei Flaschen Spirituosen getrunken, und ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin. Am nächsten Morgen wurde ich vom SMS-Ton geweckt.
Läuft das ab jetzt immer so? Schickt er mir ständig SMS? Zumindest ruft er nicht an. Ich könnte seine Stimme nicht ertragen. Er hat so eine tiefe Stimme.
Du weißt nicht, ob er freundlich ist oder dich erledigen will. Egal was. Ich werde hierauf nicht antworten, werde nicht wieder den Fehler begehen und ihn zu einer hässlichen Unterhaltung ermutigen.
Ich dusche kurz, ziehe mich an und gehe die Treppe nach unten, um ein Glas Wasser zu trinken, sonst explodiert mein Kopf. Mum ist schon da und bereitet das Frühstück vor.
„Hast du Hunger? Ich mache Pfannkuchen mit Speck.“ Sie wendet einen in der Pfanne.
„Nein, nur Wasser. Wenn ich was esse, rebelliert mein Magen.“ Ich schnappe mir eine Flasche Wasser und trinke direkt daraus. Dann wird mir etwas klar.
„Mum, hast du Liam Boyle zufällig meine Nummer gegeben?“ Sie sieht so schuldbewusst aus. Sie weicht meinem Blick eindeutig aus.
„Ist das schlimm? Ich meine, er hat mich angerufen und nach deiner Nummer gefragt. Ich sah keinen Grund, sie ihm nicht zu geben. Ich meine, in einigen Tagen werdet ihr den Bund fürs Leben eingehen. Warum? Hat er dir eine SMS geschickt?“
Oh, Mum, du bist so naiv.
Ich frage mich, warum er meine Nummer wollte. Ich wette, um mich zu kontrollieren. Alle Alphas sind Kontrollfreaks. Schau dir nur meinen Dad an. Ich bin so elend.
„Ja, das hat er. Er hat mir gestern viel Spaß gewünscht“, antworte ich sarkastisch, aber offensichtlich versteht sie den Sarkasmus nicht.
Meine erste Mahlzeit war das Abendessen, da ich mich nicht dazu durchringen konnte, vorher etwas zu essen. Danach begann ich, meine Sachen zu packen. Nicht, dass ich viel hätte, aber ich wollte es nicht bis zur letzten Minute aufschieben.
„Hast du mir ein Hotel gebucht oder soll ich das selbst tun?“, frage ich Dad in seinem Büro. Er hat sich wie gewöhnlich auf das Treffen mit den Betas vorbereitet.
„Liam wird dich in seinem Haus aufnehmen. Anna wird wohl ein Zimmer für dich vorbereiten.“ Er hat mich nicht einmal angeschaut. Meint er das ernst?!
„Ähm, ich schätze nicht. Dann werde ich eben selbst ein Zimmer buchen.“ Ich will gerade gehen, aber Dad hält mich auf.
„Die Hotels in der Umgebung haben keine freien Zimmer mehr. Deine Mum und Liam haben alles für den Veranstaltungsort gebucht.“
„Ich werde etwas finden und dann kann ich ein Auto mieten, um zu ihm zu kommen.“
„Amelia, sei nicht so stur. Das Abendessen vor der Hochzeit findet am Freitag statt, und wir werden mit Mum und dem Rest des Rudels an diesem Tag eintreffen.
Du musst dafür sorgen, dass alles in Ordnung ist, und es wird bequemer sein, wenn du in seinem Haus bleibst.“ Er hielt inne und lächelte. „Bald ist es auch dein Haus.“
Ich atme tief durch. Ihr wollt mich wohl verarschen! Beim Verlassen von Dads Büro passiere ich die Betas, die allesamt zum Rudeltreffen gekommen sind.
Sie alle haben meine Wut bemerkt, aber niemand wagt es, etwas zu sagen. Dieser Kerl wird keine einfache Ehe führen, und darauf kann er sich verlassen! Ich nehme mein Handy und beginne zu schreiben.
Ich stürme in mein Zimmer und packe zu Ende. Auf dem Laptop kann ich die Stimme des Frontmanns von Imagine Dragons hören. Ich habe die Lautstärke aufgedreht, um die wütenden Gedanken zu vertreiben.
Wieder spüre ich die vertrauten Vibrationen des Handys.
Aaaaa!!! Ich hasse diesen Kerl! Ich schreie und werfe das Handy aufs Bett. Das stört mich nicht. Dann schlafe ich eben bei den Hunden. Überall wäre es besser, nur nicht bei ihm.
Plötzlich höre ich ein leises Klopfen.
„Komm rein!“ Ich wusste, es war Lea. Mum war unten und Dad im Büro. Ihr Zimmer ist neben meinem, sodass sie trotz der Musik möglicherweise meine Schreie hören konnte.
„Ist alles in Ordnung?“, fragt sie und setzt sich in meinen Sessel.
„Mir geht es gut, ich bin nur müde von alldem hier!“ Ich ziehe eine Grimasse und zeige auf das Chaos, das ich beim Packen angerichtet habe.
„Bist du sicher, dass es darum geht?“ Sie schaut sehr besorgt. Ich weiß, sie fühlt sich, genau wie unsere Mum, schuldig, aber was geschehen ist, ist geschehen und es war allein meine Entscheidung.
Andererseits ist sie meine Schwester und beste Freundin. Ich brauche jemanden, der mich unterstützt, und wenn sie in dieser Situation wäre, würde ich es wissen wollen.
Ich nehme mein Handy, öffne die letzten SMS und reiche es ihr. Während sie liest, kann ich sehen, wie sich ihre Augen weiten.
„Ist das ein Scherz?“ Sie richtet ihren Blick auf mich.
„Schön wär‘s! Er ist ein Idiot!“
„Es scheint, als wolle er dir zeigen, wer die Kontrolle über die gesamte Situation hat.“
Wir verbringen beinahe die ganze Nacht plaudernd und lachend, nicht nur über Liam Boyle, sondern generell. Es macht mich traurig, zu wissen, dass wir in Kürze getrennt leben werden.