Moontochter - Buchumschlag

Moontochter

Nathalie Hooker

Kapitel Sieben

Wolfgang

Ich rannte durch den Wald, weil ich nach all dem, was am heutigen Abend passiert war, einen klaren Kopf bekommen wollte.

Es war allerdings nicht leicht, Kronos zu ignorieren, der sich immer noch darüber beschwerte, dass ich seine Chance ruiniert hatte, seine wahre Liebe zu finden.

Ich hatte mich entschlossen, an diesem Abend eine Patrouille zu übernehmen, um Aurora aus meinen Gedanken zu vertreiben, aber ich konnte einfach nicht aufhören, an diese schönen grauen Augen zu denken, die mich so traurig angesehen hatten.

„Sie ist hier draußen! Ich kann sie spüren!“, rief Kronos plötzlich in meinem Kopf, was meine Aufmerksamkeit erregte.

„Was zum Teufel faselst du denn da, du alter Flohsack?.

Und dann stieg mir ein süßer Geruch in die Nase.

Diesen Geruch würde ich wirklich überall erkennen. Das war ihr Duft …

Aurora war hier draußen. Aber was hatte sie so spät nachts außerhalb des Dorfes zu suchen? Es war gefährlich, einfach schutzlos herumzulaufen.

Die Wut stieg in mir hoch.

Was bitteschön hatte sie in den Wäldern so nah an der Grenze zu suchen, und das auch noch mutterseelenallein?

„Wen interessiert’s? Finde sie, bevor ihr etwas zustößt!“, mahnte Kronos mich.

Ich folgte ihrem Duft und wurde zunehmend nervöser, da ihr Geruch immer stärker wurde, je näher ich der Grenze kam.

Ich erreichte eine Lichtung. Direkt neben dem See saß eine wunderschöne schneeweiße Wölfin mit violettfarbenen Augen, die leuchteten wie Amethyste.

Wer war diese Wölfin? Sie war außergewöhnlich schön, aber eine solche Verwandlung hatte ich noch nie gesehen.

Normalerweise ähneln sich bei Werwölfen die Wolfsform und die menschliche Form. Das Fell hat in der Regel dieselbe Farbe wie die Haare des Menschen, und die Augen denselben Farbton wie das menschliche.

Aber diese Wölfin war ganz anders als alle anderen.

Weißes Fell und violettfarbene Augen …

Was hatte das zu bedeuten?

Ich wusste, dass ich schon mal etwas darüber gelesen hatte, aber ich konnte mich nicht mehr genau an den Zusammenhang erinnern.

Ihre Schönheit lenkte mich einfach viel zu sehr ab

Das ist sinnlos. In diesem Dorf habe ich keine Zukunft. Vielleicht sollte ich meine Siebensachen packen und abhauen.“

Das war Auroras Stimme, die da in meinem Kopf ertönte. War diese Wölfin etwa Aurora?

Wollte sie weggehen?

Ich könnte in das Dorf gehen, in dem meine Mutter aufgewachsen ist, irgendwo im Osten. Das war doch immer schon mein Traum.“

Du meine Güte! Eswar eindeutig Aurora. Aber warum hatte ihre Wölfin diese Form angenommen?

Darüber konnte ich mir jetzt allerdings keine Gedanken machen.

Sie dachte tatsächlich darüber nach, das Dorf zu verlassen.

Das wäre wahrscheinlich für uns beide das Beste, besonders für mich, aber …

Warum machte es mich dann so wütend, dass sie weggehen wollte?

Ich ging unbewusst einen Schritt auf sie zu und trat dabei auf einen Zweig, der zerbrach und sie auf meine Anwesenheit aufmerksam machte.

Sie stand sofort in Alarmbereitschaft auf, um sich einem Angreifer stellen zu können.

Mir blieb nichts anderes übrig, als aus meinem Versteck zu kommen und sie anzuknurren, um meine Überlegenheit zu zeigen.

Dabei hätte ich sie so gerne genau dort markiert.

Sie sagte nur „Scheiße“, was ihr ein weiteres Knurren von meinem Wolf einbrachte.

Aurora

Vorsichtig stand ich da und beobachtete den Wolf, der auf mich zukam. Er knurrte bedrohlich, und das reichte, dass ich mich vor Furcht niederkniete. Seine Aura triefte vor Autorität.

„Du hast also vor, das Dorf zu verlassen, Aurora?“, sagte eine tiefe Stimme in meinem Kopf.

In dem Moment trug der Wind mir seinen Geruch zu und ich erkannte, wer dieser Wolf war.

Alpha Wolfgang …

Ich senkte meinen Kopf so weit, dass meine Nase fast den Boden berührte.

„Ich habe dich etwas gefragt, Aurora“,ertönte die Stimme in meinem Kopf.

Das musste eine Gedankenverbindung sein. Ich hatte meinen Vater und auch andere Werwölfe davon sprechen hören.

Vorsichtig hob ich den Kopf und sah ihn an.

„Hast du vor, das Dorf zu verlassen, Aurora?“, wiederholte er.

„Ähm … Ja, Alpha. Aber woher wussten Sie …?“, hob ich an, doch er unterbrach mich und sprach wieder durch die Gedankenverbindung zu mir.

„Wenn wir in unserer Wolfsform sind, können wir die Gedanken aller anderen Wölfe im Rudel hören. Du bist keine Ausnahme.“

Ich japste aufgrund dieser plötzlichen Offenbarung. Stimmt! Werwölfe konnten ja die Gedanken der anderen lesen, aber nur über eine kurze Distanz hinweg.

Wie lange hatte er mir denn schon zugehört? Ich musste in Zukunft vorsichtiger sein.

„Also, Aurora. Wolltest du das Dorf verlassen, weil ich dich nicht als Gefährtin akzeptieren wollte?“, insistierte er bedrohlich. Er kam näher und fing an, mich zu umkreisen.

„Da Sie mich abgelehnt haben, habe ich keinen Grund länger hierzubleiben, Alpha“,erwiderte ich, und hielt weiterhin den Blick auf den Boden gerichtet.

Ich war immerhin gefährtenlos und hatte keine lebende Verwandtschaft mehr in diesem Dorf. Meine Eltern waren beide tot und ich war ein Einzelkind.

Montana hatte mich zwar liebevoll großgezogen und für mich gesorgt, aber ich war trotzdem lediglich die Tochter ihres verstorbenen Ehemanns. Sie war verpflichtet gewesen, sich um mich zu kümmern, bis ich auf eigenen Beinen stehen konnte.

Aber nun war ich offiziell volljährig und somit in der Lage für mich selbst zu sorgen.

„Du weißt, dass du die Genehmigung des Alphas brauchst, wenn du dein Rudel verlassen willst, oder? Sonst wirst du als rudellos markiert“,drohte er mir. Seine blauen Augen blickten mich eindringlich an.

„Rate mal, was jetzt kommt? Ich habe keine Lust, dir das zu erlauben. Das heißt, wenn du nicht als rudellos markiert werden und schutzlos umherstreifen willst, wirst du unser Dorf niemals verlassen“, fuhr er fort.

Ich stand wie vom Blitz getroffen da.

„W-Wie bitte, Sir?“, stotterte ich und verarbeitete noch immer die Bedeutung seiner Worte~.~

„Du hast nicht die Erlaubnis, jemals das Dorf zu verlassen, Aurora. Wenn du es doch tust, werde ich dich als Rudellose markieren. Habe ich mich klar ausgedrückt?“, fragte er. Mit diesen Worten drehte er sich um und ging weg.

„Aber, warum?!’“, rief ich ihm durch die Gedankenverbindung hinterher und er blieb stehen.

„Warum tun Sie mir das an? Sie haben mich doch schon abgelehnt, und nun muss ich für den Rest meines Lebens Gefährtenlos bleiben. Warum verbieten Sie mir zu gehen?“

Ich versuchte, aufrecht zu stehen und mich nicht von seiner Aura einschüchtern zu lassen.

„Abgelehnt? Wann habe ich das denn getan?“, fragte er und drehte sich zu mir um.

„A-Als Sie bei mir zu Hause waren … Es sei denn …“ Bei den letzten Worten senkte ich aus Scham den Kopf.

„Ich habe gesagt, du bist nutzlos für mich, Aurora …“, Er kam zurück zu dem Fleck, an dem ich stand. „Aber ich hatte nicht die Chance, dich wirklich abzulehnen.“

Wir standen stumm beieinander und sahen uns an.

Das stimmte in der Tat.Er hatte die Worte nie ausgesprochen.

Ich wusste, was als Nächstes kommen würde. Diesmal würde er nicht zögern.

Ich neigte den Kopf und kniff ganz fest die Augen zu, wobei ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten.

„Aber ich werde dich noch nicht ablehnen.“

Ich hob den Kopf und sah ihn fassungslos an. „Wie bitte?“ntrüstet funkelte ich ihn an. ~„Ich lehne dich noch nicht ab, Aurora. Ich habe andere Pläne für dich. Aber du darfst niemandem im Dorf sagen, dass wir als Gefährten auserkoren sind. Wie ich schon sagte, werde ich es abstreiten, wenn du es herumerzählst. Und ich werde dich als Rudellose markieren, genau wie denjenigen, denen du es erzählst.“~

Und damit drehte er sich um und schickte sich abermals an, zu gehen.

„Geh nach Hause. Eine gewöhnliche Omega-Wölfin wie du sollte nicht nachts alleine hier draußen herumspazieren“, knurrte er. Dann verschwand er im Gebüsch und ließ mich schockiert und verletzt zurück.

Was hatte er bloß mit mir vor?

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