Mason (Deutsch) - Buchumschlag

Mason (Deutsch)

Zainab Sambo

Kapitel 3

LAUREN

Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so aufgeregt und gleichzeitig nervös aufgewacht war, um mich für die Arbeit fertig zu machen.

In der letzten Nacht hatte ich kaum geschlafen.

Mein Verstand wiederholte immer wieder, dass ich für Mason Campbell arbeiten würde. Irgendwann hatte ich mich selbst gekniffen, weil ich dachte, es sei nur ein Traum. Oder vielleicht ein schrecklicher Albtraum.

Als ich Beth, meiner besten Freundin und Mitbewohnerin, davon erzählte, hatte sie die Frechheit, mir ins Gesicht zu lachen und mich eine Lügnerin zu nennen.

Sie glaubte nicht, dass ich jemals mit Mason sprechen könnte, dass ich nicht wichtig genug sei, um auch nur wenige Worte mit ihm zu wechseln und in seiner Gegenwart zu sein.

Sie dachte, ich hätte Arbeit in irgendeinem billigen Laden gefunden und wollte ihr nichts davon erzählen, weshalb ich behauptete, bei Campbell Industry zu arbeiten

Zu behaupten, ich sie nicht zutiefst beleidigt, wäre eine Lüge.

Sie sprach von Mason, als sei er ein Gott, dem man sich nicht nähern konnte. Aber eines sei gesagt: Mason war weder ein Gott noch ein Engel.

Er war niemand, der Bonbons an Kinder verteilte und nette Worte sagte, die bei anderen wohlig warme Gefühle auslösten

Er war der Teufel persönlich.

Mason war jemand, der kleinen Kindern Süßigkeiten wegnehmen und sie vor ihren Augen essen würde.

Er war jemand, der andere vor ein fahrendes Auto stoßen würde.

Er war jemand, der mit wenigen Worten einen Herzinfarkt auslösen oder eine Narbe in jemandes Herzen hinterlassen konnte.

Es gab aber auch etwas Gutes an ihm. Er war schön anzusehen, das konnte ich nicht leugnen.

Warum waren schöne Männer unhöflich, kalt und herzlos?

Ich sprach aus Erfahrung. Mein letzter attraktiver Freund, der bereits ein paar Jahre zurücklag, hatte mich betrogen. Er hatte gesagt, ich sei langweilig und anspruchsvoll. Arschloch.

Okay, vielleicht war das nicht Grund genug.

Aber was war mit den hübschen Kerlen, die ich angelächelt und von denen ich nur eine kalte Antwort bekommen hatte?

Auf jeden Fall war Mason der größte Mistkerl von allen.

Der Mistkerl hatte geradeheraus gesagt, ich sei nicht schlau. Er hatte es gewagt, sich über meine Schule lustig zu machen.

Das war alles noch harmlos im Vergleich zu seiner Aussage, dass ich keinerlei Erfahrung hätte. Ich konnte mir nur vorstellen, wie furchtbar es sein würde, für ihn zu arbeiten.

Vielleicht hatte er letztes Mal schlechte Laune gehabt? Vielleicht war er gar nicht so schlimm und ich hatte ihn falsch eingeschätzt.

Wie auch immer er sein mochte, ich würde die beste Assistentin sein, mit der er je gearbeitet hatte. Ich würde ihm keinen Grund geben, mich fertigzumachen und auf mich herabzusehen.

Ich wachte früh auf, zog mich an und setzte mein fröhliches, tapferes Gesicht auf.

Ich machte mir nicht die Mühe, Beth zu wecken und ihr zu sagen, dass ich ging, weil das Miststück etwas sagen könnte, was mir nicht gefallen würde. Ich packte meine Sachen ein und verließ unsere Wohnung.

Meiner Meinung nach war das, was ich anhatte, das Beste, was ich in meinem Kleiderschrank finden konnte.

Für eine Hochzeit oder einen besonderen Anlass konnte ich durchaus ein schönes Kleid tragen, aber ich konnte nicht glauben, dass ich es zur Arbeit trug. Genauso wenig konnte ich die Feindseligkeit glauben, die mir entgegenschlug, als ich einen Fuß in Campbell Industry setzte.

Anscheinend hatte sich herumgesprochen, dass ich die neue Assistentin des Chefs war.

Das hatte es seit einer Weile nicht mehr gegeben.

Ich ignorierte die funkelnden Blicke in meine Richtung und drückte mit schweißnassem Finger auf den Knopf, der mich zu Mr. Campbells Etage befördern würde.

Sobald die Tür sich öffnete, trat ich mit nervösen Schritten hinaus. Hätten meine Beine einen eigenen Willen gehabt, wären sie sofort losgerannt und hätten meinen Körper zurückgelassen.

Als ich das Gebäude betrat, wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Ich konnte nicht einfach in Mr. Campbells Büro stürmen und fragen, wo mein Schreibtisch stand.

Außerdem glaubte ich, dass er noch gar nicht angekommen war.

„Lauren Hart?“

Als ich meinen Namen hörte, drehte ich mich um und sah mich einer atemberaubend schönen Frau gegenüber. Sie war umwerfend und sehr gut gekleidet. Ich war neidisch auf sie.

Am liebsten wollte ich an ihren Haaren ziehen und ihren Rock und ihre Bluse ruinieren. Ich wollte diese Frau fertigmachen und wusste nicht, warum.

Oh, ich wusste warum. Sie sah so viel besser aus als ich.

Gott wusste, was sie sah, als sie mich betrachtete.

Ich wusste, was ich im Spiegel sah.

Sie schien vierundzwanzig oder fünfundzwanzig zu sein.

„Ja?“, antwortete ich höflich. Ich setzte sogar ein Lächeln auf.

Erwiderte sie es? Nein.

„Ich bin Jade. Ich bin ein bisschen überrascht, Sie so früh hier zu sehen, aber das ist eine gute Sache. Mr. Campbell mag es nicht, wenn seine Angestellten zu spät zur Arbeit kommen.“

Ich wollte sagen: „Bist du nicht selbst ein bisschen früher gekommen als ich, Miststück?“, aber stattdessen lächelte ich wieder.

„Ich bin mir sicher, dass das niemand tut. Es ist gut, dass ich immer früh aufstehe. So muss Mr. Campbell sich keine Sorgen machen, dass ich zu spät komme.“

„Hmm.“ Sie nickte, während sie auf ihrem Stift kaute und mich von oben bis unten musterte, wobei ihr der Anblick nicht zu gefallen schien.

„Niemand hat mir gesagt, wie Mr. Campbells neue Assistentin aussieht, aber ich muss sagen, ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich hatte viel mehr erwartet. Aber ich schätze, er hatte Mitleid mit Ihnen. Wenn ich er wäre, hätte ich auch Mitleid mit Ihnen.”

Korrektur, ich wollte sie am liebsten umbringen und vergraben, damit sie bis auf die Knochen verrottete.

Waren der Chef und die Angestellten alle gleich? Sie taten so, als seien sie besser als alle anderen.

Ich lächelte breit.

„Ich schätze, er hat etwas gesehen, das er bei keinem anderen gesehen hat. Dann muss ich wohl Glück haben.“

Ihr mörderischer Gesichtsausdruck verschaffte mir ein wenig Genugtuung.

„Wie auch immer. Folgen Sie mir und ich bringe Sie zu Ihrem Schreibtisch.“

Ich folgte dicht hinter ihr, wobei ich ihren Rücken mit finsterem Blick bedachte.

In dem Moment, als sie sich umdrehte, setzte ich ein süßes Lächeln auf.

Sie zeigte auf einen Schreibtisch, auf dem ein weißer Laptop stand. Der Tisch war an die Wand geschoben, neben einer großen Doppeltür.

„Sie sitzen hier drüben“, sagte sie. „„Sie dürfen eine persönliche Sache auf den Schreibtisch stellen, denn Mr. Campbell mag davon nicht allzu viel. Ihre Aufgabe ist es, ans Telefon zu gehen und seine Aufträge zu erledigen. Haben Sie das verstanden?“

„Ja.“

„Sehr gut. Willkommen bei Campbell Industry. Mal sehen, wie lange Sie durchhalten.“

Ich biss mir auf die Zunge und zwang mich, durch die Nase zu atmen.

„Ich kann Ihnen versprechen, dass ich länger durchhalten werde als Sie.”

Ihre Augenbraue zuckte, doch sie sagte nichts. Sie ging weg und ließ mich zurück, um mich einzurichten.

Es dauerte keine dreißig Minuten, bis Mr. Campbell wie ein Sturm hereinkam, bereit, jeden in seinen Strudel hineinzuziehen.

Sein Gesicht war ausdruckslos und seine eiskalten Augen könnten jegliches Leben auslöschen.

Ich stand wie gebannt da und konnte den Blick nicht von seinen muskulösen Armen, seiner Brust und seinen Beinen abwenden. Die Art und Weise, wie sein blauer Armani-Anzug wie eine zweite Haut an seinem Körper klebte.

Seine Bewegungen hatten etwas Tödliches und Raubtierhaftes, wenn er ging.

Mein Herz pochte vor Faszination.

Er war ein mächtiger Mann, eindrucksvoll in jeder Hinsicht, und allein sein Anblick in seiner ganzen Pracht zwang mich fast in die Knie.

Es war, als sähe ich ihn zum ersten Mal.

Alle nickten ihm zur Begrüßung zu, aber er ignorierte sie und ging mit einer Anmut vorbei, wie ich sie noch nie bei jemandem gesehen hatte.

Er war so unhöflich.

Ich blieb noch ein paar Minuten an meinem Schreibtisch sitzen, bevor ich meinen Mut zusammennahm und in sein Büro ging.

Ich klopfte einmal, zweimal an seine Tür und bekam keine Antwort.

Ich klopfte erneut, dieses Mal lauter. „ „Was?“ Seine Stimme war tief und donnernd. Es fühlte sich an, als würde das ganze Gebäude erzittern.

Ich schluckte die Galle hinunter, die mir im Hals aufgestiegen war, drehte den Knauf und stieß die Tür auf. Ich trat in sein kaltes Büro ein und schloss die Tür hinter mir. „„Guten Morgen, Sir“, begrüßte ich ihn, während mein Herz in der Brust klopfte.

Mr. Campbell hob langsam den Kopf und sah mich an.

Er wirkte furchteinflößender, als ich es mir hätte vorstellen können, und ich konnte das Schaudern nicht kontrollieren, das meinen Körper erschütterte, als er diese silbernen Augen auf mich richtete. Sein Blick hatte nichts Vertrautes an sich.

Ich sog den Atem ein.

Er ließ den Blick über mich schweifen, fast schon träge. Ich spürte Langeweile. Ich spürte Verärgerung und eine fast eisige Distanz, die ihn von mir trennte.

Wir sahen uns für einen langen, nervenaufreibenden Moment in die Augen.

Hundert Gefühle durchliefen mich in diesem Moment. Es war, als stünde alles andere auf der Welt still.

Dieser Mann … er war beängstigend. Und ich hatte ihm vielleicht aus Versehen meine Seele verkauft. „„Ja? Kann ich Ihnen helfen?“, blaffte er.

Ich starrte ihn an, da ich nicht verstand, was er damit meinte. War es mir nicht erlaubt, hereinzukommen und ihn zu begrüßen, bevor er mich brauchte?

Bevor ich etwas sagen konnte, schleuderte er mir weitere Fragen entgegen. „„Wie sind Sie hierhergekommen? Wer hat Sie hereingelassen?“ Er drückte auf eine Gegensprechanlage und sprach hinein. „Wer hat diese Frau hereingelassen? Bezahle ich Sie dafür, dass Sie eine Fremde in mein Büro lassen? Sie fragen mich, welche Frau es ist? Sie sind gefeuert!“

Er schrie den armen Mann am anderen Ende des Telefons an. „„Bitte, Mr. Campbell, Sie haben mich als Ihre Assistentin eingestellt. Lauren Hart, erinnern Sie sich?“, fragte ich mit erstickter, flehender Stimme.

Mein Herz klopfte laut und ich konnte mich nicht bewegen. Mein tiefster Instinkt warnte mich, diesen Mann nicht noch mehr zu verärgern. Er war wie ein unerbittlicher Sturm, eine Naturgewalt.

Mason hob die Augenbrauen, während er mich musterte, bevor er seinen Stift auf mich richtete, als er mich erkannte.

„Sie sehen heute ganz anders aus. Nicht so schlimm wie neulich. Das ist ein Fortschritt.“

„Ja, Sir“, antwortete ich und bemühte mich, meinen Ton leicht und unbeschwert zu halten. „Ich werde mein Bestes tun, um die Erwartungen dieses Unternehmens zu erfüllen.“

Als er schließlich den Blick von mir abwandte, erwiderte er: „Ich weiß nicht, wie das möglich sein soll, Ms. Hart.“

Ich beobachtete, wie er etwas auf einen Zettel kritzelte. „Nehmen Sie das.“

Ich nahm den Zettel schnell an mich, und unsere Finger hätten sich dabei fast berührt, wenn er es nicht sofort losgelassen hätte.

„Das sind meine E-Mail-Adresse und das Passwort. Beantworten Sie alle meine E-Mails. Ignorieren Sie diejenigen, die nicht relevant sind. Vereinbaren Sie keine Treffen, ohne mich vorher zu fragen. Unter keinen Umständen, Ms. Hart, dürfen Sie eine meiner E-Mails weitergeben. Meine E-Mails bleiben privat. Wenn ich herausfinde, dass Sie sie mit jemandem besprochen haben, egal ob mit der Familie oder Freunden, werden Sie es sehr bereuen.“

Mein Herz begann schnell zu schlagen, und ich hasste die Tatsache, dass er diese Angst in mir hervorrufen konnte. Und er tat es absichtlich.

Natürlich tat er das.

„Jeden Morgen um Punkt neun Uhr bringen Sie mir meinen Tee, keinen Kaffee. Schwarz. Er sollte weder zu kalt noch zu heiß sein. Alle Akten, die ich unterschreiben muss, sollten auf meinem Schreibtisch liegen, bevor ich ins Büro komme. Sie betreten mein Büro nicht, und von zwölf bis dreizehn Uhr sind keine Besucher erlaubt. Sie holen mein Mittagessen aus dem Restaurant Rosiere. Es ist eine einstündige Fahrt und es ist mir egal, wie Sie dorthin kommen. Fragen Sie einfach nach meiner üblichen Bestellung. Denken Sie daran, dass ich es bis vierzehn Uhr heiß auf dem Tisch haben muss. Wenn es kalt wird, ziehe ich den Preis von Ihrem Gehalt ab.“

Meinte er das ernst? Meine Güte, er war wirklich herrisch.

Sieh ihn dir an, wie er da sitzt und seine Befehle gibt, als würde er die Welt regieren oder so.

Gott, wenn dieser Mann wirklich die Welt regieren würde, wären wir alle dem Untergang geweiht.

Ich hatte noch nicht lange in seiner Gegenwart verbracht, aber ich wusste, dass die Welt unter ihm leiden würde.

„Hören Sie mir überhaupt zu?“ Er sah empört aus. Seine Miene war wütend, während er kritisch den Blick über mich wandern ließ.

Etwas Dunkles flackerte in seinem Gesichtsausdruck, das mir den Magen umdrehte.

Ich schluckte und nickte.

Seine Augen wurden schmal. „Nicken Sie nicht. Sprechen Sie, wenn Sie angesprochen werden. Haben Sie das verstanden?“

„Ja, Sir.“ Ich schaute nach unten, bevor ich zu ihm aufblickte.

Der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht erfüllte mich mit Schrecken. Er fuhr mit seinem kalten und unversöhnlichen Ton fort.

„Ich habe Ihnen das hier besorgen lassen.“ Er warf mir etwas zu, das wie ein Handbuch aussah. „Lesen Sie es. Befolgen Sie es, wenn Sie in einer Woche noch hier sein wollen.“

„Ich verspreche, dass ich Sie nicht enttäuschen werde“, sagte ich leise.

„Es ist mir egal, ob Sie mich enttäuschen, Ms. Hart. Ich würde mich freuen, wenn Sie das tun. Es würde nur beweisen, was ich von Ihnen denke. Glauben Sie ja nicht, dass Sie es offiziell zu Campbell Industry geschafft haben. Sie werden beurteilt werden. Jeder Fehler wird Sie schneller herauswerfen, als Sie blinzeln können. Wie ich schon sagte, sind Sie nicht die Einzige, die diesen Job gern hätte. Viele Menschen wollen für mich arbeiten. Menschen mit mehr Talent als Sie.“ Er verschränkte seine Finger vor sich. „Und bilden Sie sich bloß nicht ein, dass Sie etwas Besonderes sind.“

Mistkerl.

Ich wollte schon etwas erwidern, aber er brachte mich mit seiner erhobenen Hand zum Schweigen.

„Das wäre dann alles.“

Ich drehte mich um und verließ leise das Büro.

Ich wusste, dass Mason Campbell vieles war, unter anderem ein unhöflicher Mann, aber ich wusste nicht, dass er so unhöflich war.

Ohne jemandem in die Augen zu schauen, ging ich zu meinem Schreibtisch.

Ich setzte mich hin und zählte bis zehn, bevor ich mich dem Mitarbeiterhandbuch zuwandte, das ich erhalten hatte. Gerade als ich anfangen wollte, es durchzublättern, hörte ich ein Husten.

Ich hob den Kopf und sah Jade an, die mich mit einem Blick ansah, der ausdrückte, dass sie mich hasste, aber nichts dagegen tun konnte.

„Ja?“

Sie rollte nur mit den Augen.

Punkt acht Uhr fünfundfünfzig machte ich mich schnell daran, Campbells Tee zu holen.

Ich hielt inne und versuchte mich daran zu erinnern, ob er mir gesagt hatte, wie viel Zucker er in seinem Tee wollte oder ob er überhaupt welchen nahm.

Ich ging ein großes Risiko ein und gab keinen Zucker in den Tee. Das könnte mich entweder retten oder aus der Firma katapultieren.

Als er mir die Erlaubnis gab, sein Büro zu betreten, tat ich das so leise wie möglich.

Ich stellte den Tee vor ihn hin und wartete darauf, dass er mich zum Gehen aufforderte. Mr. Campbell nahm sich Zeit, um etwas auf seinem Laptop zu beenden, bevor er die Tasse Tee nahm.

Ich atmete erleichtert auf, als er nicht anfing, sich wegen des fehlenden Zuckers aufzuregen.

„Sie können gehen“, sagte er kühl.

Er hatte mich immer noch nicht angesehen.

„Gern geschehen, Sir“, sagte ich und wandte mich ab, um das Büro zu verlassen.

Seine Stimme ließ mich innehalten.

„Was haben Sie gesagt?“ In seiner Stimme lag Unglauben, Wut, eine Welle von furchterregender Wut, die meine Beine zum Zittern brachte. „Sind Sie sarkastisch mit mir, Ms. Hart?“

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem mein Verstand meinen Körper verlassen hatte. Ich war nicht sarkastisch. Wie könnte ich das auch sein, wenn ich wusste, dass ich einen Chef wie ihn hatte?

Es war einfach Instinkt gewesen, der mich dazu getrieben hatte.

„Es tut mir leid, Sir. Ich habe es nicht böse gemeint.“ Ich konnte nicht mehr zählen, wie oft ich mich entschuldigt hatte, seit ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte.

Und etwas sagte mir, dass da noch mehr kommen würde.

Er kniff die Augen zusammen, in dem Versuch, mich zu brechen und mir zu beweisen, dass ich schwach war und dem Druck nicht standhalten konnte. Zumindest dachte ich, dass er das tat.

„Sie können gehen.“

Ich eilte hinaus und atmete auf, als ich seinem durchdringenden Blick entkommen war.

Ein leises Lachen ertönte und ich drehte mich, um den Übeltäter zu sehen.

Ein großer, schlanker Mann starrte mich an, ein breites Grinsen im Gesicht. Sein dunkles Haar war an den Seiten kurz, oben jedoch etwas länger und zerzaust.

Als er meinen Blick bemerkte, kam er zu mir herüber. „Herzlichen Glückwunsch.“ In seiner tiefen Stimme lag ein Hauch von Belustigung. „„Sie haben zwei Besuche in seinem Büro überlebt. Das ist ein Grund zum Feiern.“

Ich konnte mir aus zwei Gründen ein Lächeln nicht verkneifen.

Erstens, weil ich wusste, dass er wahrscheinlich die Wahrheit sagte, und zweitens, weil ich wusste, dass ich ihn mögen würde. Er hatte das freundlichste Gesicht, das ich im Büro gesehen hatte.

Mit einem kleinen Knicks, der ihm ein weiteres Lachen entlockte, sagte ich: „Könnten Sie das bitte auf eine Tasse gravieren und sie mir auf den Schreibtisch stellen?“

„Oh, clever. Sie machen sich über sich selbst lustig. Das gefällt mir.“

Ich streckte eine Hand aus und mein Lächeln wurde breiter.

„Ich bin Lauren. Lauren Hart.“

Der rothaarige Mann nahm eine Hand von seiner Tasse und schüttelte meine.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Lauren. Ich bin Aaron Hardy. Es ist wirklich erfrischend, jemanden zu sehen, der ohne Tränen aus dem Büro des Chefs kommt.“

„Man könnte behaupten, ich sei mutig.“

Er nickte und neigte den Kopf zur Seite, um mich genauer zu betrachten.

„Oder dumm. Warum hast du den Job angenommen?“, fragte er, und bevor ich antworten konnte, unterbrach er mich: „Aha! Ich glaube, ich hab’s. Es geht um den Gehaltsscheck, oder? Es geht immer um den Gehaltsscheck.“

Ich rollte mit den Augen. „So ähnlich. Ich brauche das Geld.“

„Ahh.“

„Du bist ungewöhnlich nett zu mir. Wie kommt das? Alle hassen mich entweder oder stehen kurz davor, mich zu hassen. Die Leute hier sind alle so verklemmt. Sie sollten sich wirklich mal entspannen.“

Er lachte, wobei seine Schultern bebten. „Glaub mir, wenn ich dir sage, dass sie eifersüchtig auf dich sind. Mr. Campbell stellt normalerweise – entschuldige meine Ausdrucksweise – niemanden wie dich ein. Er bevorzugt Angestellte mit Niveau, Leute, die seine Firma nicht blamieren würden. Aber sie denken, du könntest etwas Besonderes für ihn sein.“

Ich schnaubte. „Das ist lächerlich. Er hasst mich.“

„Er hasst dich genauso wie er alle anderen hasst“, sagte Aaron. „Es ist nichts Persönliches.“

„Ich frage mich, warum.“

„Und das, meine liebe Lauren, fragen wir uns alle“, sagte er und zwinkerte mir zu. „„Lass uns zurück an die Arbeit gehen, bevor wir nach Feierabend noch eine Stunde hierbleiben müssen.“

Ich trat neben ihn und sah ihn überrascht an.

„Meinst du das ernst?“

„Nein“, antwortete er. „So ein Arsch ist er nicht.“

Ich blieb stehen und warf ihm einen Blick zu.

Er drehte sich um und zuckte mit den Schultern. „Okay, vielleicht ist er ein Arsch.“

„Ein erstklassiger, wenn du mich fragst“, sagte ich.

Jemand räusperte sich und ich erstarrte vor Schreck, während mein Herz wie wild schlug.

Es war Aarons Lachen, das mich aus meiner Starre riss.

„Oh mein Gott.“ Er beugte sich vornüber vor Lachen. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Du dachtest, er wäre es.“

„Ist er es nicht?“

„Nein, aber du solltest vorsichtig mit deinen Worten sein.“

Ein Mädchen mit grünen Haaren lächelte mich an und legte einen Arm um Aarons Hals.

„Ist das das neue Mädchen?“

Ich richtete mich auf, zog die Schultern zurück und starrte ihr direkt in die Augen.

Sie kicherte.

„Verdammt, Mädchen, ich beiße nicht“, sagte sie, amüsiert über meinen Versuch, mich zu behaupten.

Ich entspannte mich sofort, da ich merkte, dass sie es nicht böse meinte. Keine Spur von Verachtung.

„Ich bin Athena.“

Ich hob eine Augenbraue.

Sie grinste. „Meine Mutter ist etwas ungewöhnlich.“

Ich lächelte. „Ich bin Lauren. Du hast grüne Haare und wirst trotzdem nicht gefeuert.“

Ich wusste ganz genau, dass Mason niemals jemanden mit grünen Haaren einstellen würde.

„Das liegt daran, dass er mich nicht feuern kann. Ich bin seine Tante.“

„Was? Aber du siehst nicht aus, als wärst du einen Tag älter als …“

„Dreiundzwanzig?“, fragte Athena. „Ja, das höre ich oft. Er ist älter als ich, aber ich bin seine Tante, bla, bla. Seine Mutter ist meine Halbschwester.“

„Wow.“

Sie war bestimmt die einzige Person, zu der er nett war.

Athena starrte mich verwirrt an. „Oh, Schatz, nur weil ich seine Tante bin, heißt das nicht, dass ich nicht auch seinen Scheiß abkriege.“

„Ja, aber du bist die einzige Person, die er respektiert“, sagte Aaron.

Sie zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache. Ich hätte nie gedacht, dass Mr. Campbell in der Lage war, jemanden zu respektieren.

Sein riesiges Ego, so groß wie die Erde selbst, würde so etwas nicht verkraften können. Es war seltsam, das über einen Mann zu hören, der überall, wo er auftauchte, Respekt einforderte.

„Lass uns gehen“, sagte Aaron, „ich habe den Auftrag, dafür zu sorgen, dass du früh zu seinem nächsten Meeting kommst.“

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe.

„Ohne Scheiß, wirklich? Er hat also beschlossen, dass ich nicht in der Lage bin, pünktlich zu sein und hat mir einen Babysitter zugeteilt? Und du hast die blöde Aufgabe bekommen, mich zu dem Meeting zu begleiten?“

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, ein neckisches Lächeln im Gesicht.

„Ich verarsche dich nur, Lauren. Er hat weder die Zeit noch die Energie, das zu tun. Ich will nur nicht, dass du gefeuert wirst. Du weißt nicht, was geschehen wird, falls das passieren sollte.“

Ich hatte Gerüchte gehört, dass man froh sein könnte, jemals wieder zu arbeiten …

„Oh, ich glaube, ich habe eine Ahnung“, sagte ich. „Aber das ist einfach nur dumm. Warum in aller Welt sollte er so viel Einfluss auf die Menschen haben?“

„Du unterschätzt die Macht von Mason Campbell, Lauren.“

Ich ging neben Aaron zum Konferenzraum und zu meiner Überraschung war mir schon jemand zuvorgekommen.

Jade.

Sie saß auf dem Stuhl in der Nähe des Chefsitzes.

Ich unterdrückte ein Lachen, aber ich gab mir wohl nicht genügend Mühe. Sie sah auf und funkelte uns an.

„Da ist wohl jemand eifriger als du, um dem Chef zu gefallen“, bemerkte Aaron. „„Streng dich nicht zu sehr an, Jade. Das wäre nur eine Verschwendung.“

„Halt die Klappe“, gab sie zurück.

Ich sagte nichts, suchte mir einen Platz am Ende des Tisches und ließ mich darauf nieder. Aaron nahm den Stuhl neben mir.

Um Punkt acht Uhr begannen die Leute hereinzukommen und alle leeren Plätze zu füllen, bis nur noch einer übrig war.

Um genau drei Minuten nach acht kam Mr. Campbell herein. Wir erhoben uns von unseren Stühlen und als er sich setzte, taten wir es ihm gleich.

Ich bemühte mich so sehr, nicht in sein Blickfeld zu geraten. Aber scheinbar nicht genug, denn ich konnte sein Gesicht immer noch deutlich sehen.

Er lächelte nicht und er runzelte auch nicht die Stirn. Er sah ernst und entschlossen aus. Alle anderen richteten ihre Gedanken und ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Macht, Führung und Autorität gehörten ihm allein.

Ich wandte mich von seinem durchdringenden Blick ab und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Ausblick nach draußen.

„Ms. Hart.“

Es war einfach so schön. Ich könnte den ganzen Tag hinausschauen.

„Ms. Hart.“

„Lauren“, zischte Aaron und stieß mich mit dem Ellbogen in die Rippen.

„Aua, was?“ Ich funkelte ihn an und rieb mir die Stelle, an der er mich getroffen hatte. Das tat weh. Ich hoffte, dass er mir keine blauen Flecke verpasst hatte. Dann bemerkte ich, dass alle Augen auf mich gerichtet waren.

Ich wollte mich am liebsten unter dem Tisch verstecken.

„Sie hören bei Ihrem ersten Meeting nicht zu. Was wollen Sie uns denn sonst noch an einem Tag zeigen, Ms. Hart?“, spottete er.

Mr. Campbells Augen waren auf mich gerichtet, die Hände vor sich verschränkt, während er mich betrachtete.

Sein dunkelblauer Armani-Anzug ließ ihn irgendwie breiter und größer erscheinen als je zuvor.

Die Luft schien mit der Kraft seiner Präsenz zu summen und zu zischen: kraftvoll und vital, so kühn und fordernd.

Mein Puls schlug plötzlich schneller bei seiner Aufmerksamkeit, doch ich war mir sicher, dass er nicht wusste, welche Wirkung er auf mich hatte … oder doch?

Ich hob mein Kinn und starrte mit einem Blick zurück, von dem ich hoffte, dass er kühl und selbstbewusst war.

„Tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Ich war froh, dass ich weder stotterte und noch ein Zeichen von Schwäche zeigte.

Ein Augenblick der Stille.

„Ms. Willow.“

Jade antwortete schnell. „Ja, Sir?“ Sie klang übertrieben süß. Sie sah aus wie ein Hund, der ein Leckerli gesehen hatte.

Gott, konnte sie nicht wenigstens versuchen, weniger begierig auszusehen?

„Tauschen Sie den Platz mit Ms. Hart.“

Ihr Gesicht fiel vor Schreck. Ich war genauso überrascht wie sie.

Jade rutschte von ihrem Stuhl und Aaron musste mich wieder mit dem Ellbogen stoßen, bevor ich mich von meinem Platz erhob. Mit jedem Schritt, den ich machte, zog sich der Knoten in meinem Magen zusammen.

Ich wäre viel lieber dort geblieben, wo ich war.

Die Tatsache, dass alle Augen auf mich gerichtet waren, besonders die von Campbell, machte mich unruhig.

Meine Schritte wurden langsamer, aber ich blieb nicht stehen.

Ich setzte mich auf Jades Stuhl.

Ich war der Mittelpunkt des Raums, alle Blicke waren auf mich gerichtet. Ich wollte am liebsten im Boden versinken.

Athena war auch da. Ihre Augenbrauen schossen vor Überraschung in die Höhe, dann zwinkerte sie mir zu.

Ich warf einen Blick auf Aaron, der leicht lächelte.

Ich wusste, dass alle im Raum über Campbells Entscheidung erschrocken waren, auch wenn sie es nicht laut aussprachen.

Und Jade starrte mich mit einem durchdringenden Todesblick an …

Ich sah zu Mason Campbell auf. Sein Blick war immer noch auf mich gerichtet und gab mir das Gefühl, völlig unbedeutend, aber auch der einzige Mensch in diesem Raum zu sein.

Ich hatte viel mehr Probleme als erwartet … und das war erst der erste Tag.

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