Tinkerbelle Leonhardt
PAXTON
Zu nuttig? ~
Nein. ~
Ich hatte ein kastanienbraunes, oberschenkellanges T-Shirt-Kleid an, das einen tiefen V-Ausschnitt hatte. Ich kombinierte es mit samtigen schwarzen kniehohen Stiefeln, schnappte mir meine Handtasche und ging nach unten.
Papa löste seinen Blick von dem dröhnenden Fernsehbildschirm und schaute in meine Richtung. "Und wo gehst du hin?", fragte er.
"Auf ein Date." Ich konnte sehen, wie die Adern in seinem Nacken heftig lila pulsierten.
"Mit wem?"
So sehr ich ihn auch quälen wollte, indem ich den Namen dieses verführerisch gefährlichen Bikers aussprach, gestand ich ihm.
"Oleander MacDermot, von der Highschool."
Er seufzte erleichtert, als er seinen Blick wieder auf den Bildschirm richtete.
Wenn er nur wüsste, was morgen passiert... ~
"Er ist ein netter Junge", sagte er sachlich.
Ja. Schlicht, langweilig, deprimierend wie Scheiße. Connor hatte nicht ganz Unrecht.
Ich war schon halb aus der Tür, als Papa mich aufhielt. "Deine Mutter und ich haben uns gefragt, wie lange du bleibst?"
Meine Augen verengten sich auf ihn. "Habt ihr schon genug von mir?"
"Schatz, wir wollen nur wissen, was mit dir los ist", mischte sich Mama ein. "Brauchst du Geld?"
Ich seufzte. "Hört zu, ich weiß nicht, wie lange ich hier sein werde oder was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich habe noch ein bisschen Geld aus dem Verkauf meines Hauses übrig..."
"Du hattest ein Haus? Warum hast du es verkauft?" Der Schock hallte in seiner Stimme wider.
"Weil ich es mit meinem Ex-Verlobten Evan gekauft und ihn verlassen habe, also habe ich mir von ihm einen Bruchteil des Kaufpreises auszahlen lassen, um meinen Namen aus den Papieren zu bekommen. Und ich habe meinen Job verloren, weil der Ehemann meiner Chefin mich angemacht hat und ich es ihr gesagt habe, also hat sie meine Karriere ruiniert. Alle meine sogenannten Freunde hassen mich, und ich schaffe es immer noch nicht, die Scherben meines zerrütteten Lebens wieder zusammenzusetzen. Braucht ihr noch mehr Infos?"
Ich klang verärgert, aber es fühlte sich tatsächlich gut an, endlich etwas von dieser Last loszuwerden.
Die Wahrheit war, dass ich immer noch wütend war. Ich war sauer auf Nadia, meine Ex-Chefin, die seit meinem ersten Jahr am College durch dick und dünn an meiner Seite gestanden hatte. Ich war sogar Brautjungfer bei ihrer Hochzeit.
Ihr Mann hatte immer kleine Annäherungsversuche gemacht, wie zum Beispiel so zu tun, als würde er mir versehentlich über den Hintern streichen, wenn er an mir vorbei zum Kühlschrank ging. Aber das war etwas anderes.
Wenn mich jemand an die Wand drückt, meine Brüste befummelt und seinen erigierten Bleistiftschwanz gegen mich drückt, dann kannst du mir glauben, dass ich ihn zur Rede stellen werde.
Ich sagte es ihr vorsichtig unter vier Augen, und sie wies mich öffentlich zurück, wie alle anderen, die ich kannte.
Es hat ein ganzes Leben harter Arbeit und Hingabe gebraucht, um sich einen Ruf aufzubauen, und nur Sekunden, um ihn wieder wegzunehmen. Ich wurde aus meiner eigenen Welt hinausgeworfen, gebrochen und gedemütigt.
"Oh, Liebling", murmelte Mama, die den Tränen nahe war.
"Es tut mir leid, dass dir das passiert ist", fügte Papa hinzu.
Zum Glück ertönte genau dann eine Hupe, und ein weißer Pick-up fuhr in die Einfahrt. "Wie auch immer, das ist Ollie. Ihr könnt mich jederzeit rausschmeißen." Ich hüpfte nach draußen und sprang in Ollies Wagen.
Als Ollie rückwärts fuhr, kam Papa durch die Vordertür und bedeutete mir, das Fenster herunterzukurbeln.
Ich tat es, ohne zu wissen, was mich erwartete.
"Es tut mir wirklich leid, Paxton-Rose", sagte er. "Dies wird immer dein Zuhause sein, für immer."
Zu meiner Überraschung war ich aufrichtig gerührt. Ich konnte die Aufrichtigkeit in seinen Augen sehen, fühlte mich aber immer noch im Zwiespalt. Ich konnte nie vergessen oder verzeihen, was er mir und Mama angetan hatte.
Als ich ihn mit dieser Frau erwischt hatte, hatte das meine Vorstellungen von einem Zuhause und einer Familie für immer in Frage gestellt.
Ollie nutzte die peinliche Stille: "Keine Sorge, sie ist bei mir sicher, Sheriff."
Und damit schaltete er einen Gang zurück und raste aus meinem Alptraum mit dem weißen Zaun heraus.
Wenigstens war Ollie gut gelaunt.
"Schätzchen, du siehst wunderschön aus", rief er.
Ich konnte nur schwach lächeln, als er auf den Rücksitz griff und mir einen Rosenstrauß überreichte.
Ich hasste Blumen.
Ich hasste die Tatsache, dass sie nach ein paar Tagen verwelkten und starben.
Ich hasste es, dass sie mich an den Tod erinnerten und daran, dass Männer glaubten, dies sei der Weg zum Herzen einer Frau.
Ich legte sie abweisend auf meinen Schoß und war nur zu froh, aus dem Auto auszusteigen und sie kurzerhand zurückzulassen.
Bevor wir das Auto verließen, warf ich noch einen letzten Blick in den Seitenspiegel, um mein Make-up zu überprüfen, als ich plötzlich drei glänzende Motorräder auf den Parkplatz des Restaurants rollen sah, eines davon mit Connor Steel am Lenker.
Oh mein Gott...er hat doch nicht...? ~
Als er parkte, machte er keine Anstalten, die Tatsache zu verbergen, dass er mich direkt anstarrte.
Bei der Art, wie er mich mit seinen stechenden Augen ansah, wurde mir schwindlig. Das war kein Zufall.
Als mir das Blut in die Wangen schoss, wandte ich mich von meinem Begleiter ab, damit er mein Lächeln nicht sehen konnte.
Ollie warf ihnen einen finsteren Blick zu, als er mich in das Innere des malerischen italienischen Restaurants begleitete. Wir saßen an einem Tisch für zwei Personen, als Connor und seine Biker-Crew hereinkamen und sich an der Bar, nicht weit von unserem Tisch entfernt, niederließen.
Sein Blick wich nicht von der Stelle.
Ich musste zugeben, dass ich seine Dreistigkeit mehr als erregend fand.
Auch Ollie bemerkte, dass Connor und seine Jungs uns beobachteten. Ich konnte an seinem ständigen Hin- und Hersehen erkennen, dass er sich zunehmend unwohl fühlte.
"Ollie, ignoriere sie einfach", wies ich ihn sanft an. "Was möchtest du essen?"
"Nun, ich dachte an die Muscheln. Ich habe gehört, dass sie den Geschlechtstrieb steigern", sagte er grinsend.
Ich hätte mich am liebsten in den Mund übergeben.
"Eigentlich bin ich allergisch gegen Muscheln", antwortete ich und vereitelte damit seine Verführungstaktik.
Während Ollie unsere Auswahl an Gerichten aufzählte, sah ich, wie ein Barkeeper mit Fliege zögerlich auf die Gruppe von Männern in Lederjacken zuging.
"Hi. Was kann ich euch bringen?", fragte er, während er Untersetzer vor den deplatzierten Gästen abstellte.
"Drei Jack Daniel’s mit Eiswürfeln", antwortete Connor lässig.
Ich starrte Connor weiter an, während der Barkeeper die Getränke einschenkte.
Connor nippte kühl an seinem Getränk und beobachtete mich, als würde er mich mit seinen Augen ausziehen. Zumindest fühlte es sich so an...
Es war das, was ich mit ihm machte.
Erst dann bemerkte ich, dass Ollie geredet hatte.
"Was?", erwiderte ich unschuldig.
"Ich sagte, dass du heute Abend sehr gut aussiehst", antwortete er.
"Oh...äh. Danke", sagte ich, wohl wissend, dass ich immer noch beobachtet wurde.
"Wie wäre es mit dem Hühnchen?"
"Hühnchen", spottete Connor leise vor sich hin. "Ich nehme das Weichei-Pesto", sagte er spöttisch zu seinen Jungs, die lachten.
Ollie hörte die Stichelei und verlor schnell sein Selbstvertrauen.
"Hühnchen klingt gut", versuchte ich ihn zu beruhigen.
"Großartig. Zwei Hähnchen-Risotto, bitte, Schätzchen", bestellte er bei der Kellnerin, die ich nicht bemerkt hatte, die dort stand.
Wir saßen in peinlichem Schweigen da, während ich immer wieder verstohlene Blicke zu Connor und seinen beiden Begleitern warf.
Im Ernst, Pax! Konzentrier dich... du hast ein Date mit Ollie. ~
Es war, als hätte man einen Engel und einen Teufel im selben Raum. Der Engel vor mir und der Teufel mit den stahlharten Augen, der mich aus der Ferne verführt.
"Also, Schätzchen, diese Tattoos?", begann Ollie. "Haben sie irgendeine Bedeutung?"
"Nun, vor ein paar Jahren habe ich einen schlimmen Großbrand erlebt. Ich habe eine Mutter und ihr Kind aus einem brennenden Gebäude gerettet und beschlossen, die Narben mit Tinte zu bedecken."
Er tastete schockiert umher. "Oh mein Gott, wirklich? Das tut mir so leid. Das wollte ich nicht..."
"Ollie, ich verarsche dich nur, weil wir Freunde sind. Entspann dich."
"Freunde ... richtig", sagte er mürrisch.
"Ich hatte nur ein Tattoo im College, mochte es und ließ mir weitere stechen."
Meine Güte, er weiß wirklich nicht, wie man scherzt. ~
Der Rest des Abends verlief nicht viel besser. Ollie versuchte weiterhin, Smalltalk zu machen, aber er stolperte immer wieder über seine Worte, offensichtlich auf der Hut vor unserem Publikum, das jetzt an einem Tisch in unserer Nähe saß.
Während ich mich über Connors Anwesenheit freute, fing ich an, mich für Ollie richtig schlecht zu fühlen. Also entschuldigte ich mich und machte mich auf den Weg zur Damentoilette, wobei ich Connor ein Zeichen gab, seinen wohlgeformten Hintern in meine Richtung zu bewegen.
Er schritt mit einem scheißefressenden Grinsen auf dem Gesicht heran. Als er in der Nähe war, schnappte ich mir seine Jacke, zog ihn in die Toilette und verriegelte die Tür hinter uns.
"Ficken wir jetzt?" Er grinste. "Ich hatte noch nie Sex bei einem Date mit jemand anderem."
“Hast du denn nichts Besseres zu tun, als den armen Ollie zu quälen?"
Er lachte. "Ach komm schon..."
"Nein, du musst nach Hause gehen. Am Anfang war es lustig, aber jetzt bist du einfach nur noch grausam."
"Schon gut, schon gut, wir hatten nur ein bisschen Spaß..."
"Spaß? Du hast ihn absichtlich eingeschüchtert und benimmst dich wie ein Vollidiot. Wenn du so weitermachst, kannst du dir unser Date morgen abschminken."
"Hey! Abschminken? Ich bin mir sicher, du siehst auch ohne Makeup umwerfend aus!", sagte er grinsend. Es kostete mich all meine Willenskraft, nicht zurückzulächeln.
"Ich mein's ernst." Ich funkelte ihn an.
"Sag nichts mehr." Dann ging er zur Tür und entriegelte das Schloss. "Genieß deinen trockenen Toast", sagte er lächelnd, als er den Raum verließ.
Gott, ist der heiß. ~
***
Zwei Bowlingspiele später war es an der Zeit, dieses Date zu beenden.
"Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist", sagte Ollie, als er vor meinem Haus parkte.
"Ich bin nicht wirklich zurück. Ich werde nicht lange in der Stadt bleiben", gestand ich.
"Warum willst du denn weg?", fragte er und schien wirklich verletzt zu sein.
"Weil diese Stadt nichts für mich ist. Ich will nicht hier festsitzen und ein mittelmäßiges Leben führen. Das ist einer der Gründe, warum ich überhaupt weggegangen bin."
"Es wäre nicht mittelmäßig, wenn du die richtige Person in deinem Leben hättest", sagte er und kam näher.
"Ollie, du bist ein toller Kerl, aber ich glaube nicht, dass wir die Richtigen sind... füreinander. Danke für das Essen. Ich hatte eine schöne Zeit", sagte ich und stieg aus seinem Wagen.
"Glaubst du, dass Connor der Richtige für dich ist?", fragte er, stieg aus und folgte mir. "Ich habe gesehen, wie er dich ansieht, Paxton. Als ob du etwas zum Essen wärst. Die Hälfte unseres Abends war wegen ihm ruiniert. Ich habe gesehen, wie dein Blick immer wieder zu ihm gewandert ist."
Scheiße. ~
Man hatte mich entlarvt, und jetzt fühlte ich mich schuldig.
Er kam auf mich zu, mit einem zärtlichen Blick in seinen Augen.
"Paxton, ich würde dir nie wehtun, dich zum Weinen bringen oder dich betrügen. Ich bin der Typ Mann, den du verdienst, nicht irgendein Ex-Häftling. Ich mag dich. Ich mag alles, was du bist. Das tue ich wirklich."
Er beugte sich zum Kuss vor, aber ich wich ihm sofort aus.
Er sah geschlagen aus, als er sich zurückzog. Ich fühlte mich furchtbar, aber konnte ich wirklich lernen, jemanden wie Ollie zu lieben?
"Gehst du morgen Abend mit mir aus?"
"Ich kann nicht, Ollie, es tut mir leid." Und es tat mir wirklich leid.
"Denk einfach darüber nach, okay? Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst."
Ich fühlte mich schrecklich, weil ich die Sache so beenden wollte. Er war wirklich ein netter Kerl. "Vielleicht ... vielleicht können wir ein anderes Mal wieder ausgehen?"
"Gegen Ende der Woche?", drängte er hoffnungsvoll. Ich nickte zustimmend, und mit einem letzten Lächeln hüpfte er zurück in seinen Wagen und fuhr davon.
Er hatte wahrscheinlich recht. Ich könnte mit jemandem wie ihm glücklich werden, wenn ich es wollte.
Er war der Inbegriff von Stabilität. Er könnte mir das Haus am Ende einer Sackgasse geben, den weißen Lattenzaun, die zwei bis fünf Kinder ... die perfekte Familie, die sich jedes Mädchen wünschte, oder?
Aber jedes Mal, wenn ich daran dachte, Ollie eine Chance zu geben, tauchte ein Bild von Connor in meinem Kopf auf. Wie falsch er für mich war, wie gefährlich.
Aber ich fühlte mich unbestreitbar zu ihm hingezogen und verspürte eine starke Reaktion auf seine rohe Anziehungskraft.
Verdammter Connor und sein Biker-Ding. ~
Ollie oder Connor? Ein gewöhnlicher, aber zuverlässiger trockener Toast? Oder köstliche, dunkle Schokolade, die bis ins Innerste durchtränkt war, so köstlich falsch, dass sie vielleicht...
Vielleicht tatsächlich richtig war?