
Die Millennium Wölfe
Die Hitze – ist die Zeit des Jahres, in der jeder Werwolf von Lust übermannt wird und alle wie verrückt vögeln. Alle außer mir. Ich wartete. Wartete auf diesen Moment, diesen plötzlichen unbeschreiblichen Blick der Erkenntnis, wenn sich zwei Augenpaare finden. Egal, was passierte, ich war fest entschlossen, dieses Jahr die Hitze zu überstehen, ohne meinen primitiven Trieben nachzugeben.
Aber das war, bevor ich Alpha Aiden Norwood in all seiner Pracht traf. Ich war überwältigt. Wollte, bettelte, brauchte ihn, musste ihm näherkommen. Und er wollte mich auch. Kein Mädchen hatte ihm je widerstanden...
Altersfreigabe: 18+ (Mord)
Der Alpha am Fluss
SIENNA
Ich sah nur Sex.
Egal, wo ich mich hindrehte. Zitternde Körper. Arme und Beine rekelten sich. Münder stöhnten. Überall.
Ich lief durch den Wald, rannte außer Atem, wollte nur den Gespenstern entkommen, die mich verfolgten. Es war, als würden sie mich rufen, mich beschwören. Komm her zu uns, riefen sie …
Je tiefer ich in den Wald lief, desto dunkler und lebendiger wurde er.
Einige Bäume bewegten sich wie Liebende. Andere, mit verknöcherten Wurzeln und dürren Ästen, sahen aus wie Raubtiere, die immer näherkamen. Mich verfolgten.
Etwas da draußen, im Dunkel, wollte mich. Etwas Unmenschliches.
Und jetzt stöhnten die Münder nicht mehr. Sie schrien.
Die bizarren Orgien um mich herum wurden brutal. Blutig. Lebensgefährlich.
Gleich würde die Dunkelheit mich verschlucken.
Der Sex mich strangulieren.
Ich fühlte, wie eine Wurzel sich um meine Fessel schlang. Ich stolperte und fiel in ein gähnendes Loch mitten im Wald. Aber das war kein Loch.
Es war ein Mund. Mit spitzen Zähnen und einer schwarzen Zunge. Der sich die Lippen leckte und mich jeden Moment mit Haut und Haar verschlingen würde.
Ich wollte schreien. Aber meine Stimme versagte.
Ich fiel.
Weiter.
Tiefer.
Bis ich mit dem heißen sexuellen Wahnsinn eins war ... ihm ganz erlag.
Ich kniff die Augen zusammen. Was zum Teufel hatte ich da gerade gezeichnet?
Ich saß am Fluss, meinen Skizzenblock in der Hand und starrte auf das Bild. Es kam mir vollkommen fremd vor.
Ich hatte eine total verstörende ... sexuelle Fantasie gezeichnet.
Das konnte nur eines bedeuten: die Hitze kam.
Aiden Norwood.
Ihn hatte ich noch nie hier gesehen. Hier am Flussufer, wo ich hinging, wenn ich meinen Kopf freibekommen wollte. Nicht viele von uns kamen hierher. Warum? Keine Ahnung.
Vielleicht wegen der Ruhe hier, während man von uns immer erwartet, dass wir wild sind. Vielleicht aber auch wegen des Wassers, was nicht zu dem Feuer passt, das in jedem von uns brennt.
Oder vielleicht habe ich auch immer nur gedacht, dass dieser Ort hier nur mir gehört. Ein geheimer Ort, wo ich nicht Teil des Rudels bin. Wo ich nur ich bin. Sienna Mercer, 19 Jahre und selbsterklärte Künstlerin mit roten Haaren. Eine scheinbar ganz normale junge Frau.
Der Alpha schlenderte zum Wasser. Die kichernde Mädchenschar hinterher. Er beachtete sie nicht. Er sah aus, als wollte er allein sein. Das machte mich neugierig. Ich wollte ihn zeichnen.
Klar, ich wusste, dass es ein Risiko wäre, den Alpha zu zeichnen. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen.
Schnell skizzierte ich seine Umrisse. Er stand da wie ein Baum, mit seinen 1,95 Meter und mit dem lässig ungekämmten, tiefschwarzen Haar und den goldgrünen Augen. Bei jeder Bewegung schien ihre Farbe zu wechseln.
Aiden war der Inbegriff eines Leckerbissens.
Ich hatte gerade angefangen, seine Augen zu zeichnen, als er sich umdrehte. Er hatte etwas gewittert.
Ich stoppte mitten im Strich wie versteinert. Wenn er mich jetzt sehen würde, wenn er entdecken würde, was ich da gerade zeichnete …
Aber zu meiner Erleichterung drehte er sich zurück zum Wasser, sein Blick verloren in irgendeiner dunklen Träumerei. Auch unter Menschen wirkte der Alpha einsam. Und genauso zeichnete ich ihn, einsam.
Ich hatte ihn schon oft aus der Entfernung gesehen. Aber noch nie war ich ihm so nah gewesen. Ich konnte seine Muskeln sehen, die sich unter dem Hemd abzeichneten. Sein leicht gekrümmtes Rückgrat, das immer bereit war für die Verwandlung. Ich stellte mir vor, wie er blitzschnell mutierte. Er stand gebeugt, die Augen unruhig und auf der Suche, wie ein wildes Tier, so als wäre es fast schon so weit.
Er war ein Mann. Aber vor allem ein Werwolf.
Sein atemberaubendes Aussehen erinnerte mich daran, dass die Hitze immer näherkam. Es war die Jahreszeit, in der jeder Werwolf, 16 und älter, verrückt wird vor Lust, die Jahreszeit, in der jeder – und ich meine wirklich jeder – fickt wie verrückt.
Ein- oder zweimal im Jahr wird jeder von uns, das gesamte Rudel, von diesem unglaublichen Hunger befallen, von diesem körperlichen Bedürfnis.
Die, die keinen festen Partner haben, finden einen, mit dem sie die Zeit verbringen können, und nach Herzenslust vögeln. Mit anderen Worten im Rudel gab es niemanden, der älter war als 16 und noch unberührt.
Ich sah wieder zu Aiden und fragte mich, ob die Gerüchte, die um ihn kursierten, wohl stimmten. Ob das der Grund war, warum er hier war, die Mädchen ignorierte und am Wasserrand grübelte.
Ich hatte gehört, dass es schon Monate her war, seitdem Aiden das letzte Mal eine Frau hatte, dass er sich von allen fernhielt. Warum? Hatte er eine heimliche Partnerin?
Nein, das tratschende Rudel hätte sie schon lange gerochen. Was dann? Was würde mit unserem heiß geliebten Alpha passieren, wenn die Hitze uns alle überkam?
Meine beste Freundin Michelle hatte sich darauf versteift, mir einen Fuck-Buddy zu finden. Sie hatte sich schon mit jemandem zusammengetan, so wie das die partnerlosen Wölfe vor der Hitze normalerweise tun.
Mit drei Freunden ihres Bruders wollte sie mich verkuppeln. Alle hielten mich für absolut brauchbar, um eine gute Zeit im Bett mit ihnen zu haben. Michelle konnte nicht verstehen, warum ich keinen von ihnen wollte.
„Manno.“ Ich konnte Michelles Stimme fast in meinem Kopf hören. „Warum bist du nur immer so mega-anspruchsvoll, Süße?“
Die Wahrheit - mein Geheimnis. Mit neunzehn Jahren war ich die einzige Wölfin in unserem Rudel, die noch Jungfrau war. Ich hatte schon drei Paarungszeiten mitgemacht. Aber egal, wie verrückt ich mich nach Sex gefühlt hatte, ich war immer stark geblieben.
Ich weiß. Ziemlich unwölfisch von mir, dass ich mich um „Gefühle“ und „das erste Mal“ scherte. Aber mir war das eben wichtig. Nicht, dass ich prüde war. So was gab es in unseren Kreisen nicht. Aber anders als andere Mädchen war ich nicht zufrieden, bevor ich nicht den perfekten Partner gefunden hatte.
Ich würde ihn schon noch finden.
Ich sparte mir meine Jungfräulichkeit für ihn auf.
Wer auch immer er sein mochte.
Ich kritzelte weiter am Bild des Alphas herum. Als ich kurz hochsah, stellte ich mit Erstaunen und etwas Schrecken fest, dass er nicht mehr da war.
„Nicht schlecht“, hörte ich eine leise Stimme neben mir. „Nur an den Augen musst du noch etwas nachbessern.“
Ich drehte mich zu der Stimme um. Und da stand er, den Blick auf meine Zeichnung geheftet, ganz nah neben mir ...
Aiden.
Fucking
Norwood.
Bevor ich den Schreck verarbeiten konnte, blickte er auf und unsere Augen trafen sich. Ich erstarrte, als mir bewusstwurde, dass ich direkten Augenkontakt mit ihm hatte.
Schnell sah ich weg. Niemand, der bei klarem Verstand war, traute es sich, einem Alpha in die Augen zu schauen. Denn das konnte nur zwei Dinge bedeuten: Du stellst die Dominanz des Alphas in Frage – gleichbedeutend mit einem Todeswunsch. Oder es war eine Einladung für den Alpha zum Sex.
Weil weder das eine noch das andere mein Plan war, sah ich schnell weg, bevor es zu spät war. Ich hoffte, dass er meinen Blick nicht falsch verstanden hatte.
„Entschuldigung“, murmelte ich, um auf der sicheren Seite zu sein. „Du hast mich überrascht.“
„Tut mir leid“, sagte er. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“
Diese Stimme. Auch die höflichsten Worte, die man sich nur vorstellen kann, hatten einen drohenden Unterton. So als könnte er in jedem Augenblick meine Kehle mit seinen bloßen Zähnen, die ausgesprochen menschlich aussahen, in Fetzen reißen.
„Alles cool“, sagte er. „Wirklich. Ich beiße nicht ... meistens jedenfalls.“
Ich war jetzt ganz nah bei ihm. So nah, dass ich mit meinen Fingern seine spielenden Muskeln und die goldene Haut hätte berühren können. Ich sah zu ihm auf, riskierte einen Blick.
Sein brutales, kantiges Gesicht, das eigentlich gar nicht hübsch sein konnte, es aber war. Dichte Augenbrauen, die bestimmt borstig waren, wenn man sie berührte. Eine Vorahnung auf seine Werwolf-Natur.
Und die Nase leicht schief – sicher mal gebrochen bei einer Schlägerei – aber das konnte seinem so-sexy-dass-es-wehtut-Aussehen keinen Abbruch tun.
Der Alpha kam noch einen Schritt näher, so als wollte er mich testen. Ich fühlte, wie sich jedes Haar an meinem Körper vor Angst aufstellte. Oder ... war es Begehren?
„Nächstes Mal, wenn du mich zeichnest”, meinte Aiden, „komm näher ran.“
„Ähm ... ja, klar”, stotterte ich, wie ein Volltrottel.
Und dann, genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war, drehte Aiden Norwood sich um, verschwand und ließ mich am Fluss zurück - allein. Ich holte tief Luft. Jeder Muskel meines Körpers entspannte sich.
Den Alpha außerhalb des Rudelhauses zu sehen, der Zentrale für alle Rudel-Angelegenheiten, war kein alltäglicher Anblick. Meistens erblickten wir den Alpha nur bei Versammlungen oder Bällen. Immer war es irgendetwas Offizielles. Was hier heute passiert war, das war wirklich selten.
An den eifersüchtigen Blicken von Aidens Bewunderern, die ihm hierher gefolgt waren und knallhart von ihm ignoriert worden waren, konnte ich mir schon sehr gut ausmalen, wie das Ganze außer Kontrolle geraten könnte.
Schon der kleinste, unverfänglichste Kontakt mit einer Frau, vor allem mit einem kleinen Herdentier wie mir, war Provokation genug, um die geilen Wölfinnen ausrasten zu lassen.
Sie würden die Wände des Rudelhauses einreißen, um an ihn ranzukommen.
Und wenn so was passierte, dann wäre der Alpha auf jeden Fall genervt. Und ein genervter Alpha war gleichbedeutend mit einem dysfunktionalen Alpha, was dann wiederum bedeutete, dass die Dynamik im Rudel ernsthaft gestört wäre ... Du verstehst, worauf ich hinaus will.
Darauf zielte niemand ab.
Um meinen Kopf freizubekommen, entschied ich, meine Zeichnung fertigzustellen, solange noch etwas Licht da war. Nur ich und der Fluss, ganz in Ruhe.
Aber alles, was ich sehen konnte, waren Aiden Norwoods Augen.
Und wie schrecklich falsch ich sie gezeichnet hatte. Der Alpha hatte recht, ich konnte das wirklich besser.
Wenn ich nur näher an ihn herankommen könnte … Aber wann würde ich ihm überhaupt jemals wieder so nahkommen?
Damals wusste ich noch nicht, was ich heute weiß. Dass die Hitze in ein paar Stunden anfangen würde.
Dass ich dann zu einem sexbesessenen Biest werden würde. Und dass Aiden Norwood, der Alpha des Ostküsten-Rudels, eine besondere Rolle im Erwachen meiner Sexualität spielen würde ...
Das war genug, um ein Mädchen zum Aufheulen zu bringen.

































