
Abgewiesen
Nadia wurde von ihrem Gefährten in einer äußerst öffentlichen Zurschaustellung abgewiesen. Auf Anraten ihrer Liebsten unternimmt sie eine Reise zum Rudel ihrer Tante, um Abstand von den Erinnerungen zu gewinnen, die sie verfolgen. Bei ihrer Ankunft trifft sie auf Alpha Liam Lynch, eine verwandte Seele, die möglicherweise als Einzige ihren Schmerz wirklich verstehen kann. Werden sie einander helfen können, weiterzumachen, oder werden die Geheimnisse aus Nadias Vergangenheit sie auseinanderreißen?
Kapitel 1.
LIAM
Die heutige Feier ist von großer Bedeutung für unser Rudel. Alle ungebundenen Wölfe sind voller Vorfreude und hoffen, ihren Gefährten zu finden. Ich lehne an einer Wand und beobachte, wie die anderen in den großen Saal strömen.
Vielleicht finde ich heute Abend nicht meinen Gefährten, aber das beunruhigt mich nicht sonderlich. Eigentlich sollte ich aufgeregter sein.
Einen Gefährten zu finden ist zwar wichtig, doch ich sorge mich eher darum, dass mein älterer Bruder Lorcan mich wieder in den Schatten stellen wird. Als Jüngster stand ich schon immer hinter ihm zurück.
Der Festsaal füllt sich mit ledigen Wölfen aus unserem und zwei benachbarten Rudeln. Normalerweise kommen Rudel nicht so zusammen, aber mein Vater möchte, dass Lorcan und ich Gefährtinnen finden, damit unsere Familie die Führung behält.
Ich sehe Lorcan, wie er sich mit einer dunkelhaarigen Frau unterhält. Andere Wölfe warten darauf, mit ihm zu sprechen. Gerade als ich wegschauen will, spüre ich etwas Seltsames in meiner Brust.
Dieses Gefühl breitet sich in meinem Körper aus und zieht mich durch den Raum. Ich setze mich in Bewegung und das Gefühl wird stärker. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Dann erblicke ich sie und mir wird ganz warm ums Herz.
Sie ist groß und sportlich, mit braunem Haar. Sie lässt ihren Blick durch den Raum schweifen und entdeckt mich. Sie gehört nicht zu unserem Rudel, aber ich weiß sofort: Sie ist meine Gefährtin.
Ich gehe auf sie zu und sie mustert mich eingehend. Mir verschlägt es die Sprache. Sie ist wunderschön und sie gehört zu mir.
„Wir kennen uns noch nicht“, sagt sie und streckt ihre Hand aus. „Ich heiße Leah.“
Ich kann nicht fassen, wie gelassen sie wirkt, während mein Wolf sie am liebsten sofort als meine Gefährtin markieren würde. Ich ergreife ihre Hand. Es fühlt sich an, als würde ein elektrischer Strom zwischen uns fließen.
„Ich bin Liam“, sage ich leise. Meine zaghafte Vorstellung bringt sie zum Lächeln und ich lächle zurück. Obwohl ich sie gerade erst kennengelernt habe, fühle ich mich ihr verbunden. Es ist ein wenig beängstigend.
„Du bist Alpha Lynchs Sohn, nicht wahr?“
Ich nicke und ihre Augen beginnen zu leuchten.
„Hast du Lust auf einen Spaziergang?“
Sie wartet meine Antwort gar nicht erst ab und nimmt meine Hand. Wir bahnen uns einen Weg durch die Menge nach draußen. Ein paar Minuten gehen wir schweigend nebeneinander her.
„Es muss nicht leicht sein, der Sohn des Alphas zu sein“, sagt sie und sieht mich an. „Zu wissen, dass du eines Tages Alpha sein und die Verantwortung für das ganze Rudel tragen wirst. Das muss eine große Last sein.“
Sie lächelt verständnisvoll. Wir bleiben stehen. Sie lehnt sich an eine Hauswand und zieht mich näher zu sich. Als ich sie im Mondlicht betrachte, bin ich zum ersten Mal zufrieden mit meiner Zukunft.
„Eigentlich wird mein älterer Bruder Lorcan Alpha. Ich bin der Jüngste, also muss ich das Rudel nicht führen. Ich kann mich auf andere wichtige Dinge konzentrieren“, sage ich mit einem Lächeln.
Ich beuge mich zu ihr, doch sie hält mich zurück. Ihre Stimmung kippt schlagartig und sie lässt meine Hand los.
„Moment mal, du wirst also kein Alpha?“
Ich schüttle den Kopf und versuche ihre Hand zu nehmen, aber sie weicht zurück. Ich bin verwirrt und trete einen Schritt zurück. Habe ich etwas falsch gemacht? Spürt sie die Verbindung nicht? Sie ist sehr stark.
„Was ist los, Leah?“, frage ich.
Ihre Augen, die eben noch vor Begeisterung funkelten, sind jetzt kalt wie Eis.
„Mein Vater war der Zweite in der Thronfolge und starb als Zweiter. Das wird mir nicht passieren! Ich kann nicht glauben, dass sie dich zu meinem Gefährten machen würde. Ich bin für Größeres bestimmt als für den zweiten Platz! Ich, Leah Sanders, lehne Liam Lynch als meinen Gefährten ab!“
Ich kann kaum begreifen, was sie sagt, bevor ich einen stechenden Schmerz spüre. Unsere Verbindung zerbricht und es tut höllisch weh. Ich sinke auf die Knie. Mir wird schwindelig und ich kann nicht atmen, während Leah sich umdreht und zurück in den Festsaal geht.
Falls das Zerbrechen der Verbindung ihr wehtut, lässt sie es sich nicht anmerken.
Kurz nach der Feier beschloss unser Vater, in den Ruhestand zu gehen und machte Lorcan zum Alpha.
Zunächst schien es, als hätte Lorcan seine Gefährtin gefunden, aber er lehnte sie kurz darauf ab. Er hat nicht gesagt warum, aber der Gedanke daran erinnert mich an meine eigene Ablehnung und schmerzt, also habe ich ihn nicht danach gefragt.
Das Ärgerliche an der Pensionierung meines Vaters ist, dass er nun ständig versucht, mich mit jeder ungebundenen Wölfin zu verkuppeln, die er auftreiben kann. Er sah Leahs Ablehnung als Beleidigung für unsere Familie, was ihm missfällt.
Normalerweise hilft Lorcan dabei, unseren Vater von mir abzulenken, aber er ist gestern Nacht aufgebrochen, um einige Wilde Wölfe zu überprüfen, die in unserem westlichen Gebiet gesichtet wurden.
„Liam! Gut, dass ich dich finde, mein Sohn“, sagt mein Vater fröhlich, als er Lorcans Büro betritt. „Ich möchte, dass du jemanden kennenlernst.“
Ich schaue nicht einmal von den Berichten auf, um die junge Wölfin zu begrüßen, die bei ihm ist. Es spielt keine Rolle. Nachdem Lorcan Alpha wurde, machte er mich zu seinem Beta, und um meinen Herzschmerz zu vergessen, stürzte ich mich in die Arbeit.
„Dad, ich weiß, du meinst es gut, wirklich. Aber ich bin nicht interessiert. Bitte hör auf, mir eine Gefährtin suchen zu wollen und lass mich meine Arbeit machen.“
Er seufzt tief, was mir sagt, dass er enttäuscht ist, aber diesmal nicht streiten wird. Er entschuldigt sich bei der Frau und führt sie aus dem Büro. Ich warte, bis ich die Tür ins Schloss fallen höre, bevor ich erleichtert ausatme.
Ich lehne mich im Stuhl zurück und widme mich wieder den Berichten bis zum frühen Abend. Die Sonne beginnt unterzugehen, als ich Schreie höre. Ich versuche, das Rudel in meinem Geist zu erreichen, und die Antwort lässt meine Welt zusammenbrechen.















































