
Divine Dragons – Buch 5: Eine Braut für den Todesgott
Brynna trägt einen Fluch in sich – die Macht, Blut zu beherrschen, eine Gabe, die ihren Körper und ihre Seele vergiftet. Von ihrem Vater manipuliert, wird sie gezwungen, sie einzusetzen, doch die Last wird unerträglich. In ihrem Moment größter Verzweiflung entscheidet sie sich, alles zu beenden – und stürzt sich direkt in die Arme des Todes selbst.
Der Gott des Todes hat sie jahrelang beobachtet, und nun, da sie ihm gehört, beansprucht er sie als seine Braut. Keine Macht, nicht einmal das Leben selbst, kann ihn von seiner bestimmten Gemahlin fernhalten. Gemeinsam werden sie der Dunkelheit entgegentreten, verbunden durch Schicksal und eine unauslöschliche Bindung.
Kapitel 1
Buch 5: Eine Braut für den Todesgott
Das Leben schien es nicht darauf abgesehen zu haben, mich zu hassen oder in meiner Trauer allein zu lassen. Vielleicht war es sich nicht einmal bewusst, wie grausam es zu mir war. Doch ich spürte es. Und so blieb ich zurück – belastet mit der Bürde meines Daseins, dem Fluch meiner Familie und dem Hass eines Vaters, der mich mehr verachtete als alles andere auf der Welt.
An einem tristen, eiskalten Wintermorgen begegnete ich dem Tod zum ersten Mal. Ich war noch ein kleines Mädchen, zu jung, um die Welt zu verstehen. Meine Großmutter war schon lange krank gewesen, also überraschte es niemanden, sie leblos im Bett vorzufinden. Ich versuchte, sie zum Frühstück zu wecken, doch egal wie sehr ich sie rüttelte oder ihren Namen rief – sie erwachte nie wieder.
Großmutter war anders als wir. Sie war kein Mensch wie meine Eltern. Sie war ein Wassergeist, belegt mit einer furchterregenden Macht – einem Fluch, der eigentlich nicht auf Menschen übergehen sollte. Um das zu verhindern, hatte sie ein Kind mit einem Sterblichen gezeugt.
Trotz ihres Schicksals war sie glücklich gewesen. Bis meine Mutter einen Mann kennenlernte und ein Kind von ihm bekam. Einen Sohn, stark, gesund, voller Leben.
Jonas war fünf, als ich geboren wurde. Ich kam still zur Welt, winzig und regungslos. Meine erste Enttäuschung für meinen Vater – aber nicht die letzte.
Und so fand ich meine Großmutter tot in ihrem Bett. Wir waren uns immer nah gewesen, sie und ich. Vielleicht ahnte sie, dass sie mir etwas von ihrer Familie mitgegeben hatte – etwas, das sie eigentlich hatte vermeiden wollen.
Etwas, das mit ihrem Tod in mir erwachte. Nichts entfacht einen Fluch besser als der Tod.
An dem kalten, regnerischen Tag ihrer Beerdigung weinte ich lauter als der Donner über uns. Meine Trauer war so tief, so endlos, dass der menschliche Teil in mir zerbrach. Eine dunkle, unheilvolle Macht stieg aus meinem schwachen Körper auf und packte das erste lebende Wesen in meiner Nähe.
Jonas, mein Bruder, mein Beschützer, mein Freund, traf diese unheilvolle Kraft. Er war elf, als er in den gefrorenen Schlamm stürzte und nicht mehr aufstand. Ich war sechs und verstand es nicht. Doch ich hatte meinen Vater zum zweiten Mal enttäuscht.
Zum zweiten Mal sah ich den Tod. Er war immer da, beobachtete mich – folgte dem traurigen Mädchen, das eines Tages den Geschmack von Blut an seinen Händen lieben lernen würde.
Meine Mutter wusste es. Sie musste es gewusst haben. An diesem Tag hörte sie auf, mir in die Augen zu sehen. Manchmal fällt es mir schwer, mich an die Farbe ihrer Augen zu erinnern. Ich möchte glauben, sie waren hellblau, so klar wie der Frühlingshimmel.
Doch ich erinnere mich an die Trauer, die sie verschlang, bis sie darin unterging. Ihre Verzweiflung fraß sie von innen auf, machte sie schwach und klein – noch kleiner als ich es schon war. Sie schrumpfte vor unseren Augen dahin, während der Zorn meines Vaters wuchs.
Das dritte Mal begegnete ich dem Tod an einem glühend heißen Sommertag. Der Schweiß lief mir über Gesicht und Rücken, als ich Gänseblümchen auf ihr frisches Grab legte und den langen, staubigen Weg nach Hause ging.
Ein Schatten. Ein Knurren. Ein dunkles Tier folgte mir im Verborgenen, immer am Rand meines Blickfelds. Doch ich wusste, es war der Tod. Und ich war so einsam. So unendlich einsam.
Mein Vater trank, als wäre Alkohol die Luft, die er zum Atmen brauchte. Und ich wurde zum einsamsten Kind in unserem Dorf – sehnsüchtig nach Liebe, nach Freundschaft. Doch ich wusste besser, als danach zu fragen.
Großmutter war fort. Jonas war fort. Mutter war fort. Vater bemerkte mich kaum, selbst an den seltenen Tagen, an denen er sich meiner Existenz erinnerte. Das Leben hasste mich. Wenn ich Liebe verdient hätte, wäre sie da. Ich müsste nicht darum betteln.
Ich musste etwas getan haben, um die bösen Blicke zu verdienen, wenn ich durchs Dorf ging, oder die geflüsterten Beleidigungen hinter meinem Rücken.
„Monster.“
„Verflucht.“
„Besser wärst du tot.“
Mein Hass auf sie wuchs, fraß sich wie eine offene Wunde in mein Herz, Jahr für Jahr. Ich wurde zum Geist in meinem eigenen Dorf. An manchen Tagen musste ich meinen Vater aus der Kneipe zerren, in der er sich betrank, oder die Leute anflehen, denen er Geld schuldete, ihn nicht zu verprügeln.
Ein lebendes, schwaches Geripp, auf das sie herabsahen, das sie anspuckten, über das sie lachten. Und ich hasste sie. Ich hasste sie alle.
Am Tag nach meinem achtzehnten Geburtstag sah ich den Tod wieder. An diesem Tag verstand ich, warum ich dazu verdammt war, allein zu leben – verachtet von allen um mich herum.
Vater kam an diesem Abend spät nach Hause. Das Wetter war stürmisch, ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit. Wolken verdeckten Sterne und Mond, und ich musste mich allein auf mein Gedächtnis verlassen, um den Weg zur Dorfkneipe zu finden.
Ich entdeckte ihn in der Gasse hinter dem Wirtshaus, gerade als zwei große Männer ihn gegen die Wand drückten. Sein Kopf knallte gegen die Backsteine, und etwas in mir übernahm die Kontrolle – dieselbe dunkle Macht, die mich bei Großmutters Beerdigung gepackt und mir meinen Bruder genommen hatte.
Meine Hand streckte sich aus, die Finger wie Krallen gekrümmt, doch sie erstarrte in der Luft. Der Mann, der meinem Vater am nächsten stand, gefror plötzlich, als wäre er zu Stein geworden. Sein Kumpan rüttelte an ihm, brüllte einen Namen, den ich längst vergessen hatte.
Er war nicht der erste, den ich verletzte. Und er würde nicht der letzte sein. Doch bald begann er zu zucken, griff sich an die Kehle. Meine Augen weiteten sich, als ich Blut aus seinen Augen und Ohren quellen sah, dann aus seinem Mund.
Als ich meine Hand zur Faust ballte, brach er zusammen. Ein widerliches, feuchtes Geräusch ertönte, als sich sein Blut über die nassen Steine ergoss.
Ich spürte, wie der Tod hinter mir stand, schweigend Zeuge des Geschehens. Er griff nicht ein, sagte kein Wort. Doch seine schwere Gegenwart umfing mich, trieb mich näher an das grauenvolle Schauspiel heran.
Der zweite Mann bemerkte mich.
„Verfluchte Hure!“, zischte er und stürmte mit einem Messer auf mich los.
Ich hob die Hände, und auch er erstarrte. Ich fühlte die Macht durch mich strömen, eine unheimliche Verbindung zwischen uns. Sein Herzschlag lag in meinen Händen, sein Blut pulsierte unter meinen Fingern.
Ich beherrschte ihn. Beherrschte sein Herz, sein Blut. Ich hatte Großmutters Fluch geerbt. Ich war eine Blutlenkerin – Trägerin der gefürchtetsten und seltensten Gabe der Wassergeister.
Doch ich wusste nicht, wie ich ihn freigeben sollte. Wie ich ihn aus meinem Griff entlassen und nach Hause schicken konnte. Es war zu viel – und doch nicht genug.
Mit seinem Leben in meinen Händen und dem Geschmack von Hass und Tod auf der Zunge wie Gift, packte ich meine Macht fester und beobachtete, wie sein Blut aus seiner Haut trat. Seine Tränen waren rot, als er an seinem eigenen Blut erstickte, während ich ihn leer saugte.
Dann brach er neben seinem Kumpan zusammen und atmete zum letzten Mal.
Vater hatte sich aufrappeln können, lehnte keuchend an der Backsteinmauer. Mit verlorener Unschuld sah ich ihn plötzlich, wie er wirklich war. Seine gierigen, grausamen Augen verrieten alles.
Doch ich war verzweifelt – so ausgehungert nach Aufmerksamkeit, so begierig nach einem Funken Zuneigung, dass ich ihm folgte. Ich ging im Schatten des Todes hinter meinem Vater her, während er mich benutzte, meine schreckliche Gabe einsetzte, um sein Reich aufzubauen.
Es war erstaunlich, wie schnell schlechte Menschen in einer kleinen, schmutzigen Welt an die Spitze klettern konnten. Vater wurde zum Anführer einer Verbrecherbande, und ich war nur sein gehorsames Haustier, das ihm auf dem Fuß folgte.
Solange er mich nicht mit Enttäuschung ansah, solange er mir hin und wieder ein paar Brocken Zuneigung zuwarf, blieb ich bei ihm. Ließ zu, dass er meine grauenvolle Fähigkeit nutzte, um sein verdorbenes Königreich zu erweitern.
Denn das Leben hatte mich verlassen. Das Glück mied mich. Ich kannte nur den Tod. Oder zumindest glaubte ich das. Wie hätte ich ihn nicht kennen sollen, nach all den Gesichtern des Todes, die ich gesehen hatte?
Der Tod verfolgte mich, jagte mich, lauerte mir auf. Das wusste ich. Und so verbrachte ich meine Jugendjahre in einem Mantel aus Hass.
Doch das Leben wollte mich nicht. Und der Hass machte mich krank – Vater machte mich krank. Krank davon, Menschen sterben zu sehen. Krank davon, Geliebte zu verlieren. Krank vor Schuld und Trauer, die mir den Lebenswillen aus den Knochen saugten.
Also kannte ich den Tod. So gut, wie ein Mensch ihn eben kennen kann.
Vater war nur ein Tyrann mit einem scharfen Werkzeug. Ich wurde zur Waffe, lernte, den Geschmack von Blut an meinen Händen zu genießen. Meine Welt wurde rot, gewalttätig, gefährlich. Meine Welt war der Tod.
Mit den Jahren entdeckte ich, dass ich nach Gewalt dürstete – wie Liebende nach der Berührung des anderen. Eine verdrehte Begierde, genährt von der kranken Liebe meines Vaters.
Doch wie bei meiner Großmutter fraß auch mich diese Macht, dieser Fluch, langsam auf. Es war kein sanfter Tod. Er entzog mir die Kraft aus den Muskeln, die Standfestigkeit aus den Knochen, die Wärme aus dem Blut.
Jedes Mal, wenn ich die Gabe einsetzte, spürte ich, wie ich schwächer wurde, bis ich nicht mehr war als Haut und Knochen. Mein Spiegelbild zeigte nur noch ein Paar unheimlicher, haselnussbrauner Augen.
Mein langes, schwarzes Haar hing leblos über meine Schultern, floss meinen Rücken hinab wie verschüttete Tinte. Mein Gesicht war hohl, ausgehöhlt. Doch ich konnte das Blut und die Herzen anderer kontrollieren. Das musste doch bedeuten, dass noch etwas Stärke in mir war.
Oder?
Doch die geflüsterten Warnungen verfolgten mich überallhin. „Pass auf vor Brynna Hadeon. Sie ist das Böse selbst“, raunten sie. „Verflucht. Monster. Blutlenkerin.“
Der Tod war immer bei mir, zeigte mir mit jedem Leben, das ich ihm opferte, eine neue, schaurig-faszinierende Seite von sich. Jahre lang war er da, bis ich nichts mehr fühlte, wenn ich ein Leben nahm.
Ich war die perfekte Waffe in den Händen meines Vaters.
Ich war sein willenloses Werkzeug – bis ich es nicht mehr war.
Bis zu dem Tag, an dem ich mich erinnerte, dass das Leben mich immer gehasst hatte. Und die Trauer, die ein Loch in mein Herz fraß. Bis zu dem Tag, an dem ich die Augen öffnete und das Blut eines Unschuldigen an meinen Händen sah.
Der Tag, an dem ich mich gegen denjenigen wandte, der mich großgezogen hatte.
Der Tag, an dem ich mein eigenes Ende fand.











































