
Ja, Mr. Knight. Buch 3: Ein Ritter zum Vergessen
Als ein Unfall mit Fahrerflucht Mason die Liebe seines Lebens nimmt, bleibt er allein zurück, um seine Tochter großzuziehen, verzehrt von Trauer und einem unstillbaren Verlangen nach Rache. Entschlossen, den Verantwortlichen zu finden, stürzt sich Mason kopfüber in ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel. Doch der Mann, der seine Welt zerstört hat, ist nirgends zu finden, und Mason muss extreme Risiken eingehen, um seine Familie zu schützen und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Während Gefahr und Besessenheit drohen, ihn zu verschlingen, könnte Masons Rachefeldzug genau das sein, was das Wenige, das ihm noch bleibt, zerstört.
1: Kapitel 1
Buch 3: Ein Ritter zum Vergessen
MASON
Heute trugen wir Schwarz. Es war ein Symbol unserer Trauer, eine Art, das Andenken an jemanden zu ehren, den wir verloren hatten. Diese Tradition reicht bis ins alte Rom zurück, wo Trauernde dunklere Togen anlegten, um ihren Schmerz zu zeigen.
Heutzutage tragen Männer für gewöhnlich schwarze Anzüge mit weißen Hemden. Und natürlich die schwarze Krawatte, die wir Männer spätestens beim Empfang lockerten, wo lauwarmer Kaffee und fade Schinken-Käse-Sandwiches auf uns warteten.
Für manche kommt die Aufgabe, eine Beerdigung zu organisieren, wie ein plötzlicher Schlag aus dem Nichts Ich hingegen hatte Zeit gehabt, mich darauf vorzubereiten. Wir alle hatten das.
Ich rückte meine Krawatte zurecht und blickte zu Penelope, die still neben mir saß. Ihr Haar fiel ihr weich über den Rücken, ganz das Abbild ihrer Mutter.
Penelope war noch so jung, und doch hatte sie schon so viel durchgemacht. Ich wollte sie vor den harten Wahrheiten des Lebens beschützen – vor Schmerz, Verlust, Trauer. Doch ich wusste, dass das nicht möglich war.
Penelope reichte mir eine Haarspange mit roter Samtschleife. „Die hätte Mama bestimmt gefallen“, sagte sie leise, aber bestimmt.
Ich nickte und musste fast lächeln. „Da hast du wohl recht“, sagte ich, stand auf und trat hinter ihren Stuhl.
Als ich ihr langes, braunes Haar betrachtete, spürte ich das vertraute Ziehen in der Brust. In solchen Momenten vermisste ich Jamie am meisten.
Eine Tochter allein großzuziehen war die größte Herausforderung meines Lebens. Im Vergleich dazu war es ein Kinderspiel, ein Unternehmen zu führen.
Ich hatte keine Ahnung, wie Mädchen ihre Haare am liebsten trugen oder was gerade bei Dreijährigen angesagt war. Jamie hätte all das mit Leichtigkeit gemeistert. Mutter zu sein war für sie so natürlich wie atmen.
Penelope abends Geschichten vorzulesen, ihre Tränen zu trocknen, einfach für sie da zu sein – das alles hatte sie wie selbstverständlich erledigt. Ich konnte diese Dinge zwar auch, aber sie war einfach besser darin gewesen.
Ich fuhr mit der Bürste durch Penelopes Haar und löste vorsichtig die Knoten. Seit einem Jahr kümmerte ich mich nun um ihre Frisur, fühlte mich aber immer noch wie ein Anfänger. Ich konnte nur mit Haarspangen umgehen, was Penelope nicht sonderlich begeisterte.
„Ich glaube, du solltest mal lernen, es anders zu machen“, sagte sie leise, aber bestimmt. „Binde es hier hoch – oder – oder flechte einen Zopf wie Katies Mama. Ich mag Zöpfe.“
Ich seufzte. Damit hatte ich schon gerechnet. „Ich dachte, wir kämen mit den Haarspangen ganz gut zurecht“, entgegnete ich und versuchte, vom Thema abzulenken. „Sie fallen jedenfalls nicht mehr so leicht raus wie früher.“
Penelope zuckte mit ihren schmalen Schultern. „Ich weiß nicht, Papa. Manchmal hätte ich's gern anders“, erklärte sie etwas bedrückt. Offensichtlich war sie heute nicht so lebhaft wie sonst.
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. „Hör auf, so schnell groß zu werden“, scherzte ich kopfschüttelnd.
Der Gedanke, dass Penelope einmal erwachsen sein würde, erfüllte mich mit Freude und Sorge zugleich. Ich malte mir aus, wie sie als Teenagerin rebellieren, sich für Jungs interessieren und Autoritäten infrage stellen würde. Dieser Gedanke raubte mir nachts den Schlaf.
„Na gut, wir müssen los“, meinte ich und hob Penelope von ihrem Hocker.
Gemeinsam verließen wir das Haus und stiegen hinten in den Wagen. Am Steuer saß Ezra, mein Sicherheitsmann.
Als wir losfuhren, trafen gerade die Caterer ein, die das Essen nach der Beerdigung vorbereiten sollten. Die Vorstellung von über hundert Menschen in meinem Haus behagte mir nicht, aber es war nicht zu vermeiden.
Penelope verhielt sich während der Fahrt zur Kirche vorbildlich und plapperte nicht so viel wie sonst. Auch bei der Beisetzung blieb sie ruhig und klammerte sich anmeine Hand.
Manche fanden, sie sei zu jung für eine so traurige Angelegenheit, doch der Gedanke, sie außen vor zu lassen, war für mich unerträglich.
Mein Zuhause war war erfüllt von Menschen in Schwarz, die mich mitleidig ansahen. Ich kannte diesen Blick, den traurigen Ausdruck, den die Leute mir überall zuwarfen. Aber ich hasste ihn, weil er mich daran erinnerte, wer ich einmal gewesen war.
Vor Jamie war ich ein überzeugter Junggeselle gewesen, hatte kein Blatt vor den Mund genommen und war respektiert worden. Jetzt sahen die Leute in mir jemanden, der alles verloren hatte.
Ich ließ meinen Blick durch das große Wohnzimmer schweifen. Die hohen Fenster gaben den Blick auf den Garten frei, und die Terrassentüren standen weit offen, damit die Gäste die frische Luft genießen konnten. Die Caterer servierten Kaffee, Tee und das feinste Gourmet-Essen. Nur das Beste heute – sie hätte es nicht anders gewollt.
Als ich die Menge überblickte, entdeckte ich Jacob, der Penelope auf dem Arm hielt.
„Schau mal, wen ich oben aufgegabelt habe“, meinte er mit einem leichten Lachen. „Ich war auf dem Weg zur Toilette, als ich dieses kleine Mädchen in deinem Schlafzimmer spielen sah.“
„Was hast du da getrieben?“, fragte ich und versuchte, spielerisch zu klingen.
Penelope zuckte nur mit den Schultern und sagte nichts, weil sie wusste, dass sie etwas Falsches getan hatte.
Jacob lächelte, seine Augen funkelten belustigt. „Willst du es ihm sagen oder soll ich es tun?“, fragte er.
Penelope schwieg weiterhin.
„Sie hat Jamies Schmuck im Schrank durchstöbert. Ich glaube, sie hat jedes einzelne Stück anprobiert“, berichtete er und lachte leise. „Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, weiß sie genau, dass sie das eigentlich nicht darf.“
„Das weiß ich nicht, Onkel Jake“, sagte Penelope mit leiser Stimme und versuchte, unschuldig zu klingen.
Ich seufzte. „Weißt du noch, was wir darüber gesagt haben, Mamas Sachen anzufassen?“, erinnerte ich sie sanft. „Sie sind etwas Besonderes, und wir wollen nicht, dass ihnen etwas passiert.“
Wir hatten schon öfter darüber gesprochen. Penelope fühlte sich magisch zu Jamies Dingen hingezogen – zu ihrem funkelnden Schmuck, ihren bunten Kleidern.
„Ich wollte sie nur mal anprobieren“, sagte sie mit großen, neugierigen Augen.
Penelope erinnerte sich nicht an Jamie. Sie war zu klein gewesen, als der Unfall passiert war. Sie kannte ihre Mutter nur aus unseren Erzählungen und von Fotos.
„Ich sollte nach Melody sehen“, wechselte Jacob das Thema. „Willst du mitkommen?“
Penelope nickte eifrig. Der heutige Tag war alles andere als kinderfreundlich, aber Jacob wusste, wie er sie bei Laune halten konnte.
Als ich durch die Menge ging, sah ich Clay allein auf einem Stuhl sitzen. Er wirkte fehl am Platz, verloren, das Essen auf seinem Teller unberührt. Ich fühlte mich genauso. Ich hatte auch keinen Hunger.
„Zwei Kaffee, mit Milch, ohne Zucker“, sagte ich leise zu der Bedienung, kaum hörbar im Stimmengewirr. Ich wartete ungeduldig, während sie die Getränke zubereitete.
Alkohol kam in Penelopes Gegenwart nicht infrage, also musste Kaffee genügen. Nach Jamies Unfall hatte ich eine schwere Zeit durchgemacht und viel getrunken. Aber ich erkannte, dass das nicht gut war.
Ich musste für meine Tochter da sein.
Mit zwei dampfenden Tassen in der Hand trat ich wieder ins Wohnzimmer. „Ich dachte, du könntest das gebrauchen“, sagte ich und reichte Clay einen Kaffee.
Er blickte auf, sein Blick dankbar und traurig zugleich.
„Ich habe letzte Nacht kein Auge zugemacht“, flüsterte er. „Sieht man’s so deutlich?“
„Ich glaube, keiner von uns hat geschlafen“, erwiderte ich und setzte mich auf den Stuhl neben ihn.
Wir tranken schweigend unseren Kaffee und fühlten uns durch das warme Getränk etwas besser. „Es war ein langer Tag. Wie geht es dir?“
„So gut es eben geht“, Clay seufzte tief. „Ich hatte viel Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, sie zu verlieren. Ich wusste, dass es irgendwann passieren würde. Trotzdem kann ich mir mein Leben ohne sie nicht vorstellen.“
„Ich verstehe dich“, sagte ich leise.
Clay nickte, sein Blick in die Ferne gerichtet. „Krebs, es zehrt einen Menschen einfach auf, bis nichts mehr von ihm übrig ist. Vor ein paar Wochen hat sie mich angefleht, es zu beenden... Sie sagte, die Schmerzen seien zu stark, und sie wollte nicht, dass wir sie so in Erinnerung behalten. Ich konnte es nicht tun.“
Was Clay mir da sagte, war mir nicht neu. Julia hatte mir davon erzählt. Wir waren nach dem Unfall enge Freunde geworden, und ich hatte sie oft zur Chemo begleitet, wenn Clay nicht konnte.
Zum Glück hörte niemand um uns herum unser Gespräch. Sie waren zu sehr mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt.
„Für Jamie gibt es noch Hoffnung“, sagte Clay mit unerwarteter Entschlossenheit. „Sie wird viel verarbeiten müssen, wenn sie aufwacht und erfährt, dass ihre Mutter nicht mehr da ist.“
„Es sind zwei Jahre vergangen“, erwiderte ich leise.
„Mason, ich kenne mein Mädchen“, zischte Clay, sein Lächeln wurde schmaler. „Jamie wird aufwachen, wenn sie bereit ist.“
Ich fragte mich, ob sein Glaube an Jamies Genesung das Einzige war, was ihn noch aufrecht hielt. Ich teilte seinen Optimismus nicht. Es fühlte sich an, als würde ich Jamie verlieren, genauso wie mein Vater meine Mutter verloren hatte.
Die Angst, jemanden zu lieben und diese Person dann zu verlieren, hatte mich mein Leben lang begleitet.Aber hier war ich nun, hatte mich in Jamie verliebt und stand jetzt vor demselben Verlust wie mein Vater.
Mein Handy vibrierte in der Hosentasche und riss mich aus meinen Gedanken. Ich zog es heraus und blickte auf den Bildschirm.
„Ich muss das annehmen“, sagte ich zu Clay, der verständnisvoll nickte. Ich entschuldigte mich und zog mich in die Garage zurück, um etwas Privatsphäre zu haben.
Ich nahm den Anruf entgegen, das Handy am Ohr. „Das ist gerade kein guter Zeitpunkt, Patrick“, sagte ich angespannt.
„Mr. Knight, Sie müssen das hören“, drängte Patrick.
Ich seufzte genervt. „Ich bin auf einer Beerdigung. Kann das nicht bis morgen warten?“
„Ich habe ihn gefunden“, sagte Patrick. Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Mein Herz begann zu rasen. Ich hatte eine gefühlte Ewigkeit auf diese Nachricht gewartet. Jeder Anruf von Patrick, jede Spur, der er gefolgt war, hatte zu diesem Moment geführt.
„Wo?“, fragte ich, kaum hörbar.
„Er versteckt sich in einem Motel in Toronto“, informierte mich Patrick. „Er hat Ärger mit einigen gefährlichen Drogendealern. Sie müssen sofort herkommen. Ich schicke Ihnen die Adresse.“
„Okay, ich werde in ein paar Tagen da sein“, sagte ich, bemüht, ruhig zu bleiben.
„Wenn Sie ihn wollen, müssen Sie jetzt sofort kommen, Mr. Knight“, warnte Patrick. „Wir wissen nicht, wie lange er bleiben wird.“
Ich rieb mir frustriert die Stirn. Mein erster Gedanke galt Penelope. Sie jetzt zu verlassen war das Letzte, was ich wollte. Sie brauchte mich. Aber dies war vielleicht meine einzige Chance, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, ihn für das bezahlen zu lassen, was er getan hatte.
„Ich bin bald da“, sagte ich entschlossen. Ich beendete den Anruf und verließ die Garage. Der Geruch von Kaffee und Gebäck lag in der Luft, das Stimmengewirr der Gäste dröhnte in meinen Ohren.
Als ich auf Clay zutrat, sah ich, dass Penelope bei ihm in der Küche war.
„Alles in Ordnung?“, fragte Clay, während er mit einem feuchten Papiertuch Schlamm von Penelopes Händen wischte. Sie saß auf der Küchentheke, ihre cremefarbenen Spitzenstrumpfhosen bis zu den Knien verdreckt.
„Alles gut“, sagte ich, aber meine Stimme klang angespannt. „Was ist hier passiert?“
„Sie ist beim Fußballspielen mit ihrem Onkel Jake hingefallen“, lachte Clay. „Ich glaube, er musste sich ablenken. Aber dir geht's gut, oder, P? Opa hat dich wieder gesund gepflegt.“ Er küsste ihre Stirn, und sie kicherte.
Ich fragte mich oft, wie es Penelope prägen würde, ohne eine Frau in der Nähe aufzuwachsen. Keine Mutter, Schwestern, Großmütter, Tanten oder Cousinen. Würde es verändern, wer sie einmal werden würde?
„Kannst du ein paar Tage auf sie aufpassen?“, fragte ich.
Clay sah mich erstaunt an. Ich wusste, der Zeitpunkt war ungünstig, aber ich hatte keine andere Wahl. „Ich würde nicht bitten, wenn es nicht wichtig wäre.“
„Wo willst du hin?“, fragte Clay neugierig.
Ich blickte zu Penelope, gab aber keine Antwort. Er verstand an meinem Gesichtsausdruck, dass ich nicht vor ihr darüber sprechen konnte.
„Penelope, warum holst du dir nicht noch einen Keks vom Büfett? Ich muss mit deinem Papa reden“, schlug Clay sanft vor.
„Aber – aber ich hatte schon einen Keks, Opa“, erwiderte Penelope.
„Ist schon gut, du darfst noch einen haben“, versicherte Clay ihr und half ihr von der Theke herunter.
Sie rannte zum Büfett, so schnell ihre kleinen Beine sie trugen.
„Er hat ihn gefunden, nicht wahr?“, flüsterte Clay.
„Er ist in Toronto“, bestätigte ich, meine Stimme schwankte zwischen Hoffnung und Furcht. „Patrick meint, ich muss sofort los, bevor er wieder verschwindet.“ Ich seufzte schwer. „Es ist zu lange her. Ich kann diese Chance nicht verpassen. Ich muss ihm gegenübertreten.“
„Dann los!“, drängte Clay. „Du musst das tun. Ich bleibe hier und passe auf Penelope auf, bis du zurück bist. Ich kann die Ablenkung gut gebrauchen.“
„Danke“, sagte ich und wandte mich um, um nach oben zu gehen und Kleidungn für ein paar Nächte zu packen. Ich wusste, Penelope würde nicht begeistert darüber sein, dass ich wegging. Das war sie nie.
„Mason“, rief Clay mir hinterher, seine Stimme klang besorgt.
Ich drehte mich um und sah ihn an, mein Herz klopfte wie wild.
„Was auch immer passiert, lass dich nicht erwischen“, warnte er.
Seine Worte lagen schwer im Raum und erinnerten mich daran, wie ernst unsere Lage war.
„Das habe ich nicht vor“, sagte ich und versuchte, ruhig zu klingen, obwohl ich Angst hatte.Der Einsatz war hoch. Und das Scheitern war keine Option.












































