
"Deine Klamotten würden gut auf meinem Schlafzimmerboden aussehen."
Ich schluckte und stand auf: "Ich kann es erklären."
"Da bin ich mir sicher", sagte er und trat näher, sein berauschender Duft umhüllte mich.
"In all deinen Büchern möchte die weibliche Hauptrolle mehr als nur Sex", er hielt sich an der Kante meines Schreibtisches fest und überragte mich nun, "aber was ist, wenn sie einfach nur Sex will?"
Sein Ton war um eine Oktave gesunken.
"Wie bitte?"
"Einfach ausgedrückt: Ich will eine Frau", seine Augen bohrten sich in meine, "aber sie will mich nicht." Die Art und Weise, wie sein Blick mich durchdrang, gab mir das Gefühl, für ihn ein offenes Buch zu sein – als könnte er jeden Quadratzentimeter von mir lesen.
Als könnte er durch mich hindurchsehen.
Zu ängstlich, um von dem Thema abzulenken, ließ ich mich wieder in meinen Stuhl sinken. "Sie sagten, sie will Sex? Also will sie Sie auch?" Ich formulierte es wie eine Frage, denn meine Nerven machten mir einen Strich durch die Rechnung.
"Ja. Ich schätze, das bedeutet, dass sie mich will." Seine Augen blitzten zurück zu meinen.
Ich war mir vorher nicht hundertprozentig sicher gewesen. Aber jetzt war ich es.
Er wusste es.
"Dieses Gespräch hat nie stattgefunden."
"Einverstanden", sagte ich zittrig.
Nachdem er gegangen war, zitterte ich immer noch.
Mit rotem Gesicht und nervösen Händen nahm ich mein Telefon vom Schreibtisch und das Gerät wog plötzlich schwer in meiner Hand.
Der nächste Tag kam und ging.
Ich saß immer noch auf meinem Bett und betrachtete die Klamotten auf meinem Schoß. Mit hängenden Schultern verstaute ich sie wieder in meinem Kleiderschrank.
Die Uhr tickte unerbittlich, parallel zu meinen rasenden Gedanken und meine Hände verknoteten sich zu einem nervösen Knäuel.
Und dann klingelte es.
19:00 Uhr.
Ich hielt den Atem an und in mir machten sich Schuldgefühle breit. Wie aufs Stichwort leuchtete mein Handy auf und Daniels Name erschien auf dem Display, um mich daran zu erinnern, was ich getan hatte.
Die Angst war fast erdrückend – sie schnürte sich um meine Kehle wie eine Python, hungrig auf Beute.
Ich schnappte mir das Telefon, lehnte den Anruf ab und riss meine SIM-Karte aus dem Telefon, um sie durch eine andere zu ersetzen.
Er war eine gefährliche Mischung, ein vulgärer Mund und eine Zunge, die die sinnlichsten Dinge mit mir anstellte.
Mit einem kurzen Blick zurück auf mein Handy ließ ich mich aufs Bett fallen und wickelte mich zum Trost in der Bettdecke ein.
Doch das Einschlafen fiel mir schwer. Stattdessen schwebten Bilder von Daniel vor meinen Augen und mir wurde heiß.
Frustriert schnaufend schlug ich mir ein Kissen auf den Kopf und rollte mich zu einem Ball zusammen.
Ich hätte in seinen Armen liegen können, in einer hitzigen Verstrickung aus Sex und Leidenschaft. Stattdessen gab ich dem Teufel einen Gutenachtkuss und ließ mich in einen dunklen Schlummer fallen.
Der Morgen kam zu schnell und der sehr präsente Besuch in meinem Wohnzimmer verschlimmerte das Hämmern in meinem Schädel noch.
"Komm, Rosie, du musst ordentlich frühstücken", sagte meine Mutter, riss mir den Kaffeebecher aus der Hand und schubste mich zur Seite, um in meinen Schränken zu wühlen.
Ich fühlte mich wieder wie ein Kleinkind, wie früher, wenn meine Mutter mich tröstete, wenn ich mir wehgetan hatte.
"Rose, hör auf, so finster dreinzuschauen", wies sie mich mit meiner halbvollen Kaffeetasse an, "du hast dir selbst das Herz gebrochen, Schatz."
Ich wusste, dass sie recht hatte, aber trotzdem zog ich meine Unterlippe zwischen meine Lippen.
Mama brummelte: "Du brauchst keinen Mann." Sie öffnete meine verschränkten Arme und reichte mir einen Teller mit Toast: "Männer sind sowieso nichts Besonderes. Vergiss nicht, dass wir beide auch ohne deinen Vater bisher gut zurechtgekommen sind."
Ich kicherte über ihr Fluchen und legte meinen Kopf an ihre Schulter: "Manche Männer sind einfach toll. Sie sehen gut aus, sind geistreich und-"
"Und sein Name ist Daniel."
Sie beugte sich zu mir und streichelte mein Gesicht. Ich prägte mir die leichten Falten um ihre Augen ein – sie zeigten sich nur, wenn sie aufgeregt war oder lachte – wie ein Vollmond in einer unheilvollen oder romantischen Nacht.
Und heute war einer dieser ominösen Tage. Sie war beunruhigt. Meinetwegen.
"Okay, genug von meinen Sorgen", wackelte ich anzüglich mit den Augenbrauen und zog sie hinter mir ins Wohnzimmer, "was ist der Anlass deines Besuchs?"
Sie schaute drein wie ein Reh im Scheinwerferlicht, hockte sich auf die Sofakante und ein neckisches Lächeln tanzte auf ihren Lippen: "Was meinst du?"
Ich legte meine Hand auf ihre und kicherte, als wären wir zwei Teenager. "Es kommt nicht jeden Tag vor, dass du mich besuchst, und dieses Mal musste ich dich auch gar nicht überreden."
Die Frau vor mir war nicht immer so gewesen. Sie war früher Mittelpunkt jeder Party und strahlte vor Glück.
Manchmal dauern gute Zeiten ewig an.
Bei ihr war das nicht der Fall gewesen.
Sie ging nicht mehr aus dem Haus und jahrelang gab es täglich nur einen lästigen Besuch in der Küche und dann ging sie zurück zu ihrem Schlafzimmer.
"Nun, ähm, weißt du noch, als ich dir erzählt habe, dass ich mich mit diesem Typen aus Paulas Bibliothek treffe?"
Ich strahlte sie an und legte den Kopf schelmisch schief: "Was ist mit ihm?"
Sie sah auf ihre Hände hinunter und hob dann vorsichtig den Blick wieder zu mir: "Er möchte dich kennenlernen."
Ich tat so, als kapierte ich nichts: "Mich?" Ich drückte mir dramatisch die Hand auf die Brust und fuhr fort: "Nun, ich fühle mich geschmeichelt, gelinde gesagt."
"Ach, komm schon, Rosie! Du weißt genau, was ich meine."
Ich gluckste und zog sie in eine warme Umarmung.
"Mama, das war nur ein Scherz", sagte ich mit einem Augenzwinkern, "sag mir einfach eine Uhrzeit und ein Datum."
Sie schüttelte den Kopf und ihre Belustigung verblasste: "Du versteckst deine Gefühle nicht sehr gut, Liebling." Ihre Stimme war leiser geworden, was meine Gefühle unter der Maske wieder zum Vorschein brachte.
Ich schürzte die Lippen: "Ich komme schon klar."
"Ich bin sicher, das wirst du – bis du Daniel wieder bei der Arbeit siehst." Mir stockte der Atem. Ich hatte ihr noch nichts von meiner Schal-Aktion erzählt.
Aber selbst ich wusste, dass ich ihm nicht gegenübertreten konnte – mit Schal oder ohne.
Ich zuckte mit den Schultern und holte mein Handy aus der Hosentasche: "Dagegen habe ich ein Mittel."
Sekunden später rief ich Melinda an und die scharfe Stimme meiner Projektmanagerin ertönte. Nur so aus Spaß stellte ich sie auf Lautsprecher.
"Wer ist da?", bellte sie.
"Melinda, wie geht es dir?" Meine Worte waren mit Zuckerguss überzogen – ungesund und süß.
"Rosalie? Was willst du denn?" Auf ihren Tonfall hin hob Mama eine Augenbraue und ihr Anblick ließ mich auflachen.
"Was ist daran so lustig?"
"Nichts, nichts. Ich habe nur angerufen, um mit dir über meinen Vertrag zu sprechen."
"Was das angeht-"
"Oh, spuck's schon aus, Rosalie."
Ich knirschte mit den Zähnen, als sie meinen richtigen Namen aussprach, und ärgerte mich.
Ich konnte mich gerade noch beherrschen und antwortete: "Die Sache ist die, dass ich meinen Vertrag wieder auf meine früheren Arbeitszeiten ändern muss. Ich würde gerne komplett im Homeoffice bleiben."
Ich holte tief Luft: "Erledige es bitte, oder du und Mr. Thomson werdet morgen arbeitslos sein."
Sie keuchte und ihr Schweigen war irgendwie belastend.
"Was? Dachtest du, ich wüsste nichts von dir und unserem Wachmann?", sagte ich.
"Rosalie, i-ich werde es schon irgendwie hinbekommen."
Ich fühlte mich total beschissen. Erpressung war definitiv nicht mein Ding – vor allem, weil auch ich mit einem Kollegen geschlafen hatte.
Schlimmer noch – mit dem Chef.
Ich stieß einen langen Seufzer aus und drehte mich um, um mich wieder in die Arme meiner Mutter zu schmiegen.
Sie drückte mich und strich mir mit der Hand über den Rücken: "Mit der Zeit wird es besser werden."
Das bezweifelte ich.