Aurelia hat entdeckt, dass sie mit Alastair, dem Alpha-König, verbunden ist. Doch sie hat Geheimnisse, sowohl in ihrer Vergangenheit als auch darüber, wer sie wirklich ist. Kann sie der Macht der Gefährtenbindung widerstehen und ihren geheimen Plan erfüllen? Oder wird sie herausfinden, dass weder die Gefährtenbindung noch ihre Feenverwandten das sind, was sie zu sein scheinen?
Altersfreigabe: 18+.
ADALRIC
Dies ist eine Geschichte aus längst vergangener Zeit, mit einem grausamen König, der viele Dörfer heimsuchte.
Er war so mächtig, dass niemand es wagte, sich ihm zu widersetzen.
Die Mauern seiner Burg ragten unüberwindbar in den Himmel. Sein Herz war kalt wie Eis.
Manche nannten ihn einen Dämon, andere hielten ihn für eine Gottheit. Nur wenige kannten seinen wahren Namen. Die meisten nannten ihn einfach den Alpha-König.
Es hieß, seinem Zorn ausgesetzt zu sein, sei schlimmer als der Tod selbst. Und er geriet schnell in Rage.
In den Verliesen seiner Burg litten seine Feinde Höllenqualen.
Tag und Nacht zerrten sie an ihren Ketten, in der vergeblichen Hoffnung auf Freiheit. Doch der König kannte keine Gnade.
„Bitte...“, flehten die Gefangenen den Alpha-König um Erlösung an.
Der König war kein gewöhnlicher Mann. Er war anders.
Viele Gerüchte rankten sich um ihn. Doch keines davon kam der Wahrheit nahe.
Die Burg beherbergte über tausend kampferprobte Wolfskrieger. Und das war nur seine Hauptstreitmacht.
Zum Zeitvertreib überfielen sie Dörfer. Sie nahmen sich die Frauen mit Gewalt, taub für das Wehklagen der Mütter.
Sie waren die Ausgeburt des Bösen.
Doch der König sollte noch schlimmer sein. Er beging diese Gräueltaten nicht selbst; das Leid der Menschen ließ ihn kalt.
Er verkörperte eine andere Art von Bösartigkeit.
Überall erzählte man sich Geschichten vom unsterblichen Alpha-König.
Manche glaubten, er sei halb Werwolf, halb etwas anderes. Es hieß, er nehme täglich eine kleine Menge Silber zu sich, um dagegen immun zu werden - anders als gewöhnliche Werwölfe.
Er hatte seine Kräfte durch das Training mit schweigsamen Höhlenmönchen gestärkt.
Als er den Thron bestieg, wagte niemand, sich ihm entgegenzustellen. Daran änderte sich jahrhundertelang nichts.
Sein Thron war ein Meisterwerk der besten Metallhandwerker, geschmiedet aus seltenen Legierungen.
Abgesehen vom Thron und der dazugehörigen Krone war der Thronsaal kahl und bedrohlich.
Keine einzige Blume gedieh in der Burg. Alles Grün war längst verdorrt, noch bevor die Festung zu einem Hort der Macht und Finsternis geworden war.
In Hallerian, einem heiligen Ort, an dem bedeutende Priester ihre Beschwörungen vollzogen, wurde eine neue Prophezeiung offenbart.
Diese Weissagung stammte aus uralter Zeit, als die Welt noch jung war.
Adalric Ethalowae, der Anführer der Priester, machte sich auf den Weg, um dem König davon zu berichten.
Die Priester dienten stets dem Mächtigsten. Die Gunst des Alpha-Königs verschaffte ihnen die größten Freiheiten.
Nach tagelanger Reise erbaten sie eine Audienz, trotz ihrer Furcht.
Die Priester besaßen zwar große Macht, doch dieser Alpha-König ließ selbst sie vor Angst erzittern.
Adalric war dem König schon früher begegnet, dennoch jagte ihm dessen durchdringender Blick noch immer Schauer über den Rücken.
Die Gruppe wartete im weitläufigen Thronsaal auf den König und tuschelte nervös miteinander.
Die hohe Decke schien alle Geheimnisse zu verschlucken. Eine beklemmende Atmosphäre lag in der Luft.
Adalric war klar, dass der König diese Inszenierung nutzte, um seine Dominanz zu demonstrieren - obwohl es dessen gar nicht bedurft hätte. Allein der Raum genügte, um jeden einzuschüchtern.
„Kniet nieder vor eurem König!“, donnerte eine Stimme durch den Saal.
Eine Schar Werwölfe strömte herein und bildete einen Kreis um die Priester, eine lebende Mauer zwischen ihnen und dem Thron.
Dann betrat der König den Saal. Augenblicklich verstummten alle Geräusche. Seine Aura erfüllte den Raum und zwang jeden in die Knie.
Er nahm auf seinem Thron Platz und blickte auf die Versammelten herab.
Niemand wagte es, seinem Blick zu begegnen. Alle senkten demütig die Köpfe.
„Was führt die Priester von Hallerian zu mir?“, fragte der König mit genervtem Unterton.
„Euer Gnaden“, begann Adalric und trat vor.
„Wir haben eine neue Prophezeiung empfangen. Sie ist seit Anbeginn der Zeit in den Sternen geschrieben und wurde uns erst jetzt offenbart.“
„Dann sprecht. Was besagt diese Prophezeiung, das meine Zeit wert sein soll?“ Der König klang skeptisch, was den Priester beunruhigte.
„Es geht um Euch und Eure Gefährtin, Euer Gnaden“, erklärte der Priester. Der König verzog missbilligend das Gesicht.
Eine Gefährtin konnte ihn stärken oder schwächen. Ein König wie er brauchte weder das eine noch das andere. Er brauchte keine Gefährtin.
„Was ist mit dieser Gefährtin?“, hakte er nach.
„Majestät, die Details sind uns nicht vollständig bekannt. Aber es gibt ein Mädchen - Eure Gefährtin. Euch beide erwartet eine machtvolle Zukunft. Es gibt zwei mögliche Wege.
Der eine ist äußerst segensreich für das Königreich. Der andere ist von unvorstellbarem Übel und Dunkelheit geprägt.“
„Was soll das bedeuten, Priester?“, fragte der König und erhob sich zornig von seinem Thron.
Er war sichtlich verärgert, aber auch stolz auf die Aussicht einer machtvollen Zukunft.
Allerdings einer Zukunft mit einer Gefährtin.
Zur gleichen Zeit, in einem kleinen Dorf weit entfernt von der Burg, lebte ein Mädchen.
Aurelia.
Ihr Haar war golden wie ihr Name. Ihre Augen strahlten in leuchtendem Blau voller Neugier. Ihre Haut war leicht gebräunt, aber makellos.
Sie war von atemberaubender Schönheit. Und sie besaß eine seltsame Gabe.
Sie passte nicht in das Dorf. Nicht seit jenem Vorfall. Er hatte viele Menschen verängstigt und dazu gebracht, sie zu meiden.
Aurelia wünschte sich oft, sie könnte ein normaler Werwolf sein, zufrieden mit einem einfachen Leben in ihrem kleinen Dorf. Doch sie war nicht normal. Sie gehörte nicht hierher.
Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, was ihre Schwester ihr stets übel nahm. Sie waren nur zu zweit.
Die eine wurde schlecht behandelt, während die andere wie etwas Besonderes umsorgt wurde und alles bekam, was sie wollte.
Olympia war glücklich. Sie fügte sich ein; die Leute mochten sie. Sie hatte ihren Platz in ihrer kleinen Welt gefunden und war damit zufrieden. Aurelia konnte nicht verstehen, warum sie so unterschiedlich waren.
Aurelia sehnte sich nach mehr als dem Dorfleben, danach, irgendwo anders hinzugehören, doch bisher hatte sie diesen Ort nicht gefunden. Nichts hielt sie zurück. Ihre Gabe war alles, was sie brauchte.
Aber nicht nur andere fürchteten sich vor ihrer Kraft. Sie selbst hatte auch Angst davor.
Sie verstand es nicht wirklich, als es sich zum ersten Mal mit fünf Jahren zeigte.
Sie hatte es schon immer in sich getragen, doch es manifestierte sich erst, als es begann, außer Kontrolle zu geraten. Sie versuchte, es zu beherrschen, aber es schien einen eigenen Willen zu haben.
Es hatte etwas Dunkles an sich. Je öfter sie es einsetzte, desto stärker und schwerer zu kontrollieren wurde es. Bald benutzte es sie, anstatt dass sie es benutzte.
Also verschloss sie es tief in sich, unsicher, warum sie damit gesegnet - oder verflucht - war.
Stets war sie versucht, es einzusetzen. Es konnte sie vor den Gemeinheiten der anderen schützen. Es konnte ihre Schwester dazu bringen, weniger grausam zu sein.
Es konnte sie vor allem bewahren, was ihr Schaden zufügen wollte.
Und es rief beständig nach ihr. Genau deshalb nutzte sie es nicht.
Schlechte Dinge machen schnell süchtig. Es einmal zu benutzen, wäre der erste Schritt in einen Abgrund.
„Wo ist deine kleine Schwester?“, fragte ein Mann - Aurelia erkannte die Stimme.
Sie wusste, dass sie nicht stören durfte. Wenn zwei Menschen Gefährten sind, nehmen sie niemand anderen wahr. Diese schmerzhafte Lektion hatte sie vor einigen Monaten gelernt, als sie dafür geschlagen wurde.
Also blieb sie stehen und wartete, lauschend.
„Sie ist Wasser holen, Lochlan. Ich wünschte, ich könnte sie einfach loswerden“, seufzte Olympia.
„Warum tust du es dann nicht?“
„Sie ist meine Schwester. Ich kann sie nicht einfach im Stich lassen.“
„Du bist zu gut für diese Welt, meine wunderschöne Gefährtin“, sagte er. Aurelia hörte, wie sie sich küssten. Also blieb sie noch länger fern und streifte durch den Wald.
Allein ließ sie das Wasser des Baches über ihre Füße strömen, eine Wohltat nach der harten Arbeit. Tief in ihrem Inneren spürte sie eine unerklärliche Unruhe.
Vielleicht war es ihre Gabe, die sich befreien wollte. Doch sie wusste, es war etwas anderes, etwas Dunkleres, etwas Schlimmeres, als sie begreifen konnte.
Sie hatte es die ganze Woche über gespürt; mit jedem Tag wurde es stärker.
Ein Geräusch vom anderen Ufer ließ sie aufblicken. Ein wunderschönes Rehkitz.
Aurelia betrachtete das Kitz, doch es floh nicht, wie sie erwartet hatte. Stattdessen kam es näher, als fühlte es sich von ihr angezogen.
Sie wollte es berühren, zog ihre Hände aber zurück und wandte den Blick ab.
Ohne sich umzusehen, machte sie sich auf den Heimweg. Magie war in ihrem Dorf verboten. Und sie konnte die magische Aura an diesem Bach deutlich spüren.
Wahrscheinlich ein Feenwald, ihre alte Heimat.
Als der Mond aufging und das Dorf zur Ruhe kam, legte Aurelia sich auf ihr Heulager. Sie hatte längst entschieden, dass es bequemer war als der harte Boden.
Morgen würde sie zwanzig werden. Vielleicht würde sie ihren Gefährten finden. Sie hoffte, dass es nicht geschehen würde, denn das würde bedeuten, für immer in diesem kleinen Ort bleiben zu müssen.
Also plante sie, vorher aufzubrechen. Sie würde ein Abenteuer erleben und nach dem Ort suchen, von dem sie hoffte, dass er irgendwo auf sie wartete.
Sie schlief schnell ein, die Dunkelheit umfing sie.
In dieser Nacht träumte sie von ihm.
Ein Mann von solcher Schönheit, dass er eine Gottheit sein musste. Ein Mann von solcher Macht, dass er ein Dämon sein musste.
Seine Augen waren golden, voller Unheil und Bosheit, funkelnd im Kerzenschein seines Gemachs. Er lächelte hinterhältig, als wüsste er, dass sie hier war.
Sein Hemd stand offen und enthüllte seinen muskulösen Oberkörper. Sein Haar war so schwarz wie sein finsterer Gesichtsausdruck.
Dann machte er einen Schritt. Nur einen einzigen. Und er stand direkt vor ihr.
Sein markantes Gesicht war so nah, dass sie seinen Atem spüren konnte. Seine Nase hatte einen leichten Höcker, der seinen männlichen Zügen Charakter verlieh. Sein Kiefer war von Stoppeln bedeckt. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen.
„Ich komme, um dich zu holen, kleiner Wolf“, raunte er mit tiefer, verführerischer Stimme, seine Zunge streifte seine scharfen Zähne.
Noch ein Schritt.
„Bis bald.“