Die verlorene Prinzessin - Buchumschlag

Die verlorene Prinzessin

Holly Prange

Kapitel 3

LOGAN

Ich trommele mit den Fingern auf den großen, runden Mahagonitisch, der vor mir steht, während ich mich in den dick gepolsterten Sessel lehne.

Ich bin in einer Besprechung mit den Ältesten und meinem Vater, Thomas, dem ehemaligen Alpha des Red Moon Rudels.

Die Ältesten setzen sich aus ehemaligen Alphas, Betas und Kriegern zusammen, die über das Wissen und die Erfahrung verfügen, um dem aktuellen Alpha Feedback zu geben und ihn zu beraten.

Allerdings sind sie auch sehr festgefahren in ihrer engstirnigen Art.

Ich habe begonnen, sie auszublenden, während sie darüber streiten, was getan werden muss, um eine Allianz mit anderen Rudeln zu gewährleisten.

Wir haben vor kurzem gehört, dass das Blood Fang Rudel jetzt mit dem Night Howler Rudel im Bunde ist. Unsere Ältesten sind besorgt, dass sie versuchen werden, uns zu stürzen.

Sie haben in den letzten dreißig Minuten ununterbrochen darüber geredet.

"Habt ihr von Alpha Darrens Sohn aus dem Prowler-Rudel im Norden gehört?", fragt der Älteste namens Jacoby die anderen, mit denen er im Gespräch ist.

"Nein. Was ist mit ihm?", antwortet Elder Maynard, während er sich nach vorne lehnt, um besser hören zu können.

"Er hat seine Gefährtin gefunden, und du wirst es nicht glauben!"

"Was?!"

"Sie ist ein Mensch!"

"Was?!"

"Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!"

"Das ist absurd!"

"Lächerlich!"

Plötzlich dröhnt die Stimme von Elder Rancis über den Rest: "Nun, zumindest ist das ein Rudel, um das wir uns keine Sorgen machen müssen! Mit einem Menschen als Luna wird sie niemand ernst nehmen!"

Einige der anderen Ältesten nicken zustimmend, und ich zwinge mich, nicht mit den Augen zu rollen.

Mein Blick trifft den meiner Mutter, und sie lächelt mich an, als wüsste sie genau, was ich gerade denke.

Sie zwinkert mir zu, bevor sie sich einmischt : "Ich denke, du solltest nicht so hart urteilen. Offensichtlich hat die Mondgöttin sie aus einem bestimmten Grund ausgewählt. Nur weil sie ein Mensch ist, heißt das nicht, dass sie nicht die Eigenschaften hat, die eine gute Luna haben sollte."

"Nun, Evelyn, du weißt, dass das Rudelleben nicht für Menschen gedacht ist. Wir sind Werwölfe. Interspezifische Beziehungen sind zum Scheitern verurteilt", beharrt Elder Rancis.

"Und außerdem ist das Prowler Rudel nicht der Grund, warum wir uns heute versammelt haben. Wir müssen etwas unternehmen. Das Blood Fang Rudel und das Night Howler Pack sind zwei der größten Rudel im Norden. Wenn sie sich jetzt, durch ihre Allianz entschließen, gegen uns zu Felde zu ziehen, sind wir verloren!"

"Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie vorhaben, irgendwelche Rudel zu bekämpfen. Vielleicht stellen sie einfach sicher, dass sie Allianzen haben, um sich zu schützen. Vielleicht machen wir uns umsonst Sorgen", meint Claire, meine Großmutter väterlicherseits.

Sie und meine Mutter sind die einzigen beiden Frauen im Rat. Und ehrlich gesagt, sind sie die einzigen Beiden, die neben meinem Vater vernünftig erscheinen.

"Ich denke, unsere beste Option ist es, eine Allianz durch Heirat mit einem unserer anderen südlichen Rudel zu schließen! Alpha Logan muss noch seine Gefährtin finden, und bei dem Ansehen, das unser Rudel genießt, wäre jeder Alpha glücklich, eine seiner Töchter mit ihm zu verheiraten. Außerdem ist ein Rudel nicht sicher ohne eine Luna! Andere Rudel werden es als Schwäche ansehen!"

Meine Fäuste ballen sich und mein Kiefer knirscht vor Wut.

"Ich soll also die Chance, meinen Seelenverwandten zu finden, einfach wegwerfen, nur weil ihr alle Angst habt?" frage ich frustriert, wobei ich Elder Rancis direkt in die Augen sehe, bevor ich meinen Blick über alle am Tisch schweifen lasse.

Die meisten der Älteren haben wenigstens den Anstand, beschämt dreinzuschauen, aber nicht Rancis.

Er funkelt mich finster an und an dem sturen Blick in seinem roten Gesicht kann ich erkennen, dass er innerlich tobt.

"Bei allem Respekt, Alpha, es ist an der Zeit, dass du einsiehst, dass nicht jeder von uns die wahre Liebe findet. Und in deinem Alter – wenn sie je tatsächlich existiert hat, dann ist sie mittlerweile schon tot", argumentiert er, und ich spüre sofort, wie sich mein Wolf an die Oberfläche drängt.

Ich stoße ein bedrohliches Knurren aus und springe auf die Füße.

Überrascht weicht Elder Rancis zurück, seine Augen weiten sich.

Es ist leicht zu erkennen, dass er sich nicht sicher ist, was als nächstes kommt. Und obwohl der Gedanke, mich auf ihn zu stürzen, sehr verlockend klingt, will ich nur, dass er die Klappe hält.

Sobald ich meinen Wolf wieder im Zaum habe, spielt ein Grinsen über meine Lippen und ich genieße die unsichere Verwirrung, die ich in diesem arroganten Trottel hervorgerufen habe.

Neben mir räuspert sich mein Vater und steht auf.

"Nun, meine Damen und Herren, er hat Ihre Bedenken gehört und wird sie alle in Betracht ziehen. Ich danke Ihnen allen für Ihren Beitrag", sagt er, bevor sich alle Ratsmitglieder von ihren Plätzen erheben und zum Ausgang gehen. Ich weiss nicht, wie er es schafft immer so ruhig und gelassen zu klingen.

Ich gehe ebenfalls zur Tür, bevor ich wieder seine Stimme höre: "Alpha, auf ein Wort?"

Meine Schultern sacken ein und ich drehe mich wieder zu ihm um.

Er deutet auf den Platz, den ich gerade frei gemacht habe, und ich stoße einen Seufzer aus, bevor ich mich wieder hinsetze.

"Ich weiß, dass Rancis Vorschlag dich verärgert hat, aber ich denke, wir sollten ihn in Betracht ziehen."

"Was?!", frage ich erstaunt, während sich meine Hände zu festen Fäusten formen.

Mein Vater hält schnell die Hände zur Kapitulation hoch, bevor er fortfährt:

"Ich sage nicht, dass du es tun musst, aber er hat Recht. Es ist ein Jahr her, seit du die Alpha-Position übernommen hast, und du hast noch keine Gefährtin gefunden. Die meisten Rudel lassen einen Alpha erst dann übernehmen, wenn er eine Luna hat, und ansonsten erwarten sie, dass er innerhalb von ein paar Monaten eine gefunden hat. Du musst die Tatsache in Betracht ziehen, dass du deinen Wunschpartner vielleicht nicht findest und das Rudel dennoch eine Luna braucht", erklärt er verständnisvoll.

Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und meine Brust zieht sich zusammen. Ich starre Löcher in die Luft während ich krampfhaft versuche dem verständnisvollen Blick meines Vaters auszuweichen.

"Also, was schlägst du vor?", frage ich schließlich.

Mit einem Seufzer lehnt er sich in seinem Stuhl zurück. "Ich denke, wir sollten einen Paarungsball veranstalten." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, er fährt fort:

"Als ich jünger war, haben sie das immer gemacht. Wir werden alle Rudel und ihre unverpaarten Männchen und Weibchen einladen. Mit etwas Glück findest du deine Gefährtin. Wenn nicht, dann kannst du dir eine Dame aussuchen, von der du denkst, dass es die beste Luna wäre, jemanden, bei dem du dir vorstellen könntest, sie eines Tages vielleicht sogar zu lieben. "

"Und du glaubst, die Ältesten lassen mich wählen, wen ich will?", frage ich, wobei mein Tonfall verrät, dass ich daran meine Zweifel habe.

Sie werden wollen, dass ich jemanden von hoher Geburt auswähle, wie die Tochter eines Alphas oder jedenfalls eines Betas, jemanden, der die Allianz ihres Rudels mitbringt.

Mein Vater zieht eine Grimasse. Er teilt meine Bedenken.

"Wir können es beim nächsten Treffen mit ihnen besprechen. Ich schaue mir unseren Kalender an und entscheide, wann wir den Ball ausrichten wollen. Deine Mutter kann sich von dort aus um alle Vorbereitungen kümmern, und ich werde alle Rudel ansprechen, um ihnen Bescheid zu geben. Du musst nichts tun, außer auftauchen."

Ich lehne mich geschlagen zurück und wünsche mir, dass ich einfach meinen Partner finden könnte.

Werwölfe erlangen die Fähigkeit, ihren Gefährten nach ihrer ersten Verwandlung zu erkennen, was typischerweise zwischen dem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr geschieht.

Je stärker der Werwolf ist, desto früher findet seine erste Verwandlung statt. Die meisten finden ihren Partner dann innerhalb von ein paar Jahren.

Ich bin seit über einem Jahrzehnt auf der Suche nach meiner besseren Hälfte. Mein Wolf und ich haben die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. Wir können spüren, dass sie irgendwo da draußen ist.

Ich hoffe nur, dass ich sie finden kann, bevor es zu spät ist.

Ich schüttle die Gedanken aus meinem Kopf und wende meine Aufmerksamkeit wieder meinem Vater zu.

"Gut. Wir können den Ball veranstalten, aber ich kann nicht versprechen, dass ich eine Luna finden werde."

"Überleg es dir, Logan. Du weißt, dass die Ältesten nicht locker lassen werden, bis sie wissen, dass die Zukunft des Rudels gesichert ist."

Mein Vater klopft mir aufs Knie, bevor er aufsteht und den Konferenzraum verletzt.

Kurz nachdem er gegangen ist, kommt mein Beta, Cole, mit einem breiten, dämlichen Grinsen im Gesicht hereinspaziert. Ich schaue mit einem finsteren Blick zu ihm hoch.

"Wo zum Teufel warst du? Du hast das Treffen der Ältesten verpasst. SCHON WIEDER."

"Verflixt! War das heute?!", antwortet Cole unbeteiligt.

Ich verdrehe die Augen. Typisch Cole. Er klopft mir auf die Schulter, dann nimmt er den Platz gegenüber von mir ein, den mein Vater gerade frei gemacht hat.

"Also, was habe ich verpasst? Nein, nein! Sag es mir nicht! Ein Cocktail aus Streit, bösen Blicken und Elder Rancis, der denkt, er weiß alles besser!"

Ich starre ihn an. Traurig, er hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Er lächelt und zuckt mit den Schultern, bevor er sich in seinem Stuhl zurücklehnt, seine Finger hinter dem Kopf verschränkt und seine Füße auf dem Tisch platziert.

"Das und die Tatsache, dass sie von mir erwarten, dass ich eine Luna auswähle, die eine Allianz mit einem unserer benachbarten Rudel sichert."

Coles Mund formt schnell die Form eines O, während sich seine Augen interessiert weiten. "Oh Mist. Hast du am Ende jemanden umgebracht?"

Ich schaue ihn wieder finster an. "Elder Rancis hat sicher danach gefragt, aber nein."

"Verdammt... Ich hätte gerne gesehen, wie du diese alte Ziege angepackt hättest", bemerkt er mit einem verträumten Gesichtsausdruck, als würde er es sich ausmalen.

Er stößt einen zufriedenen Seufzer aus, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwendet. "Ich nehme an, du hast ihnen gesagt, sie sollen sich ihren Vorschlag in den faltigen Arsch schieben und sich verziehen?"

Ich reibe mir die Augen, während ich stöhne. Ich will dieses Bild nicht in meinem Kopf haben. "Meine Güte, Cole."

"Was denn?! Da war deine Rede! Ich meine, wir wissen beide, dass du nie auch nur daran gedacht hast, die Suche nach deiner Gefährtin aufzugeben."

"Und das habe ich auch nicht..."

"Aber...??"

"Aber ich muss auch an das Rudel denken. Und ein Rudel braucht eine Luna. Meine Eltern werden einen Paarungsball veranstalten. Hoffentlich finde ich meine Partnerin dort... und wenn nicht... Ach, daran will ich gar nicht denken."

"Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Vielleicht findest du tatsächlich deine Gefährtin."

"Ich hoffe es."

"Selbst wenn es nicht klappt, musst du dich nicht für jemanden entscheiden. Wenn du kein Glück auf dem Ball hast, können wir vielleicht einen Ausflug machen oder so. Wir können das Land nach deiner Gefährtin absuchen, bevor du das Handtuch wirfst. Auf diese Weise verbringst du nicht dein Leben damit, dich zu fragen, ob sie nicht doch irgendwann auftaucht, obwohl es schon längst zu spät ist."

"Oh Gott... und was, wenn genau das passiert? Daran hatte ich noch gar nicht gedacht!”

Cole senkt für einen Augenblick seinen Blick, als ihm klar wird, dass seine krampfhaften Versuche mich aufzuheitern, alles nur noch schlimmer machen.

Er atmet tief ein und legt seine Hand auf meine Schulter. "Es wird alles gut werden, Mann. Die Mondgöttin hat jemanden für dich geschaffen. Ich bin sicher, sie weiß, was sie tut. Du musst nur Vertrauen haben."

"Das ist leichter gesagt als getan."

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