Zainab Sambo
LAUREN
Einige Tage später hatte ich eine Todsünde begangen und kam mit Mason Campbells Mittagessen beinahe zu spät.
Verdammte Regeln. Verdammter Mason Campbell.
„Wo kommst du denn her?“, fauchte Jade mich an, als ich aus dem Aufzug trat. Wir waren mittlerweile beim Du angekommen.
Ich ging an ihr vorbei und entgegnete: „Warum kommst du nicht mit und fragst mich das noch einmal in Mr. Campbells Büro? Ich bin mir sicher, er hätte nichts dagegen, wenn du fragst, wo seine Assistentin war.“
Ich wartete nicht auf ihre Antwort, da ich wusste, dass ich nur einen finsteren Blick ernten würde.
Ich klopfte an die Tür.
„Herein.“
Ich trat mit zitternden Händen und Beinen ein. „Ihr Mittagessen, Sir, genau pünktlich.“ Ich setzte ein Lächeln auf.
Er sagte nichts und ich rührte mich nicht. Ich dachte, wenn ich es täte, würde ich nur zurechtgewiesen.
Als Minuten ohne eine Antwort vergingen, blickte Campbell von seinen Papieren auf.
„Worauf warten Sie? Auf Applaus dafür, dass Sie Ihren Job endlich richtig machen?“
Ich öffnete und schloss den Mund, um etwas zu erwidern. Aber was hätte ich schon sagen sollen?
„Stellen Sie es auf den Tisch und gehen Sie.“
Ich tat genau das und verließ leise den Raum, als ich fertig war.
Ich war den ganzen Tag beschäftigt, aber das hielt mich nicht davon ab, an meinen Chef zu denken. Ich war klug genug, ihm nicht noch einmal über den Weg zu laufen oder einen Fehler zu machen.
Ich gab mein Bestes, um Ärger zu vermeiden, und es wurde einfacher, je mehr ich mich darauf konzentrierte.
Nachdem ich an diesem Abend das Büro verlassen hatte, hielt ich an einem nahegelegenen Restaurant an und holte thailändisches Essen in dem Wissen, dass ich nicht in der Lage sein würde zu kochen, und Beth war heute Abend nicht da. Ich war keine gute Köchin.
Sie war fantastisch darin, ich jedoch nicht.
Als ich nach Hause kam, ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie erschöpft ich war, bis ich auf der Matratze landete.
Drei Tage lang gelang es mir, bei Campbell alles richtig zu machen. Nicht dass seine Unhöflichkeit aufgehört hätte. Nein, er hatte nur aufgehört, mich zu beleidigen.
Es war ein Fortschritt.
Er gewöhnte sich daran, mich zu sehen, obwohl er keine Gelegenheit ausließ, mich daran zu erinnern, dass es nur ein vorübergehender Job war. Wenn ich aus der Reihe tanzte, war es für mich vorbei.
Ich hatte Zugang zu seinem Terminkalender, was praktisch war, um ihm aus dem Weg zu gehen.
Ich gewöhnte mich daran, Aaron und Athena zu sehen und es war großartig, mit ihnen befreundet zu sein.
Ich hatte auch angefangen, mit Jonathan aus der Marketingabteilung zu reden. Er war nett und hielt sich selbst für sehr lustig, obwohl er es nicht war.
Jade hatte nicht aufgehört, mich mit ihren Worten zu belästigen, aber sie bekam immer nur ein Augenrollen zurück, was eigentlich wie eine Ohrfeige war, da sie erwartete, dass ich mich auf einen verbalen Schlagabtausch mit ihr einließ.
Ich war erwachsen. Offensichtlich hatte sie diese Tatsache nicht mitbekommen.
Die Arbeit war frustrierend, vor allem die Aktenarbeit, die Campbell mir zugewiesen hatte.
Es waren mittlerweile zwei Tage vergangen und ich kämpfte immer noch damit, die Dateien alphabetisch zu ordnen, wobei ich ständig durch das Telefon unterbrochen wurde, das nicht aufhören wollte zu klingeln.
Das Telefon klingelte neben mir und ich wusste, dass es kein Kunde war oder jemand, der nach dem Chef fragte.
Es war der Chef selbst.
„Ja, Sir?“, fragte ich höflich.
„Ich habe Ihnen einige Dokumente per E-Mail geschickt, die Sie ausdrucken müssen. Machen Sie das sofort“, befahl er, bevor er auflegte.
Ich starrte auf das Telefon und murmelte etwas vor mich hin. Was für ein Arsch.
Dann stöhnte ich, als ich auf den Stapel Akten vor mir blickte.
Nachdem ich die Dokumente ausgedruckt hatte, war ich auf dem Rückweg, als ich mit jemandem zusammenstieß und mir die Papiere aus den Händen fielen.
Ich bückte mich, um sie aufzuheben, und die Person, die mich angerempelt hatte, versuchte mir zu helfen.
„Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich und reichte mir die letzte Seite.
Ich lächelte. „Ist schon gut. Ich habe auch nicht aufgepasst.“
Sie rückte ihre Brille zurecht und ich betrachtete die Schönheit vor mir.
Hier waren alle so attraktiv. Es schien fast so, als stellte Campbell nur Leute mit hübschem Gesicht ein, aber das bezweifelte ich.
Das Mädchen vor mir trug einfache Kleidung. Es gab nichts Bemerkenswertes an ihr und ich hätte schwören können, dass ich die Bluse, die sie trug, schon vor einem Jahr besessen hatte.
Etwas sagte mir, dass sie genau wie ich war: ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen.
Jetzt konnte ich mich entspannen, denn ich wusste, dass ich nicht die Einzige war, die arm war und keine teuren Klamotten besaß.
„Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Odette und du bist Lauren.“
„Du weißt, wie ich heiße?“
Sie grinste. „Jeder kennt deinen Namen, Lauren.“
„Weil Mr. Campbell jemanden eingestellt hat, der nicht den Standards der Firma entspricht, muss jeder ihren Namen kennen, oder?“, fauchte ich abwehrend.
Odette sah verletzt aus.
„Nein, natürlich nicht.“ Sie klang ehrlich. „„Ich kenne deinen Namen, weil Jade ständig von dir spricht.“
Ich rollte mit den Augen. „Warum überrascht mich das nicht? Wahrscheinlich nichts Gutes, nehme ich an?“
Ich bekam ein Achselzucken als Antwort.
„Ich habe dich noch nie hier gesehen“, sagte ich.
„Ja, ich komme nicht oft hoch, nur wenn es nötig ist. Ich bin im zweiten Stock. IT-Abteilung. Du solltest mich mal besuchen kommen.“
„Das wäre schön. Tut mir leid, aber ich muss gehen. Es war schön, mit dir zu reden, Odette.“
„Ebenso. Bis dann, Lauren. Komm bald mal vorbei.“
Ich ging zurück zu meinem Schreibtisch und vergewisserte mich, dass ich nichts übersehen hatte, bevor ich an die Tür zur Höhle des Löwen klopfte.
„Kommen Sie rein, Ms. Hart.“
Ich öffnete die Tür und schloss sie hinter mir.
Mr. Campbell saß nicht an seinem Schreibtisch, wie ich es erwartet hatte. Stattdessen lag er auf seinem Sofa, die Hände und Beine gekreuzt.
Er trug sein Jackett nicht. Sein weißes Hemd schmiegte sich an ihn und seine riesigen Muskeln sahen aus, als würden sie den Stoff jeden Moment zerreißen.
Ich schluckte und wandte den Blick von seinem Bizeps ab.
Denk nicht an seinen Bizeps.
Er ist dein Chef.
Er ist ein Arschloch.
Ein Arschloch mit dem heißesten Körper.
Halt die Klappe!
„Woher wussten Sie, dass ich es bin?“, fragte ich, nachdem ich die Papiere auf den Tisch gelegt hatte, auf den er zeigte.
Campbell öffnete die Augen nicht, als er antwortete: „Niemand klopft so nervig wie Sie.“
Und das war’s. Geschah mir recht, dass ich überhaupt gefragt hatte. Ich hatte gelernt, dass bei Fragen nichts Positives aus seinem Mund kam.
„Oh, und Ms. Hart? Reservieren Sie heute Abend einen Tisch im besten Restaurant. Neunzehn Uhr. Ich habe ein Geschäftstreffen.“
Er öffnete die Augen, sah mich jedoch nicht an. „Ich wiederhole, bestes Restaurant. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie es nicht kennen und aufgrund Ihres sozialen Standes noch nie davon gehört haben. Daher steht es Ihnen frei, um Hilfe zu bitten.“
Ich rollte mit den Augen in dem Wissen, dass er mich nicht sehen konnte.
„Ja, Sir. Sonst noch etwas?“
„Sie kommen auch mit.“
Ich öffnete den Mund. „Aber …“
Seine silbernen Augen blickten scharf in meine Richtung, bevor sie die meinen trafen.
Mir stockte der Atem.
„Was ist, Ms. Hart? Haben Sie etwas Besseres vor?“
Eigentlich, ja.
Ich wollte ins Krankenhaus, um meinen Vater zu besuchen, den ich schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte.
Aber weil ich ein Feigling und diesen Augen verfallen war, die keinen Widerspruch duldeten, schüttelte ich den Kopf. „Ich habe keine Pläne. Ich werde da sein.“
Ich wollte weinen, wollte sagen, dass mein Vater wichtiger war als sein blödes Geschäftstreffen.
Er schaute weg und schloss wieder die Augen.
„Schließen Sie die Tür leise, wenn Sie gehen. Es gibt keinen Grund, Ihre Gefühle daran auszulassen, weil Sie zu feige waren, zuzugeben, dass Sie Pläne haben. Ich erwarte Sie.“ Mit diesen Worten entließ er mich.
Ich wollte ihn in Stücke reißen.
Ich ballte die Fäuste und ging mit gebrochenem Herzen zurück an meinen Schreibtisch.
Ich zwang mich, keine Tränen über meine Wangen laufen zu lassen, und das aus zwei Gründen. Erstens, weil ich mir selbst beibringen wollte, stark zu sein, und zweitens, weil Jade nicht aufhörte, mich anzuschauen.
Ich konnte ihre Augen die ganze Zeit auf mir spüren.
Ich würde ihr nicht das Vergnügen gönnen, mich zu verspotten und über mich zu tratschen.
Es kam mir nicht in den Sinn, was ich heute Abend anziehen würde, bis mir klar wurde, dass ich überhaupt nichts zum Anziehen hatte.
Ich hatte keine schönen Klamotten und schon gar kein Kleid, das für das Seasons Restaurant oder den Geschmack meines Chefs stilvoll genug wäre.
„Beth, ich bin am Arsch!“, rief ich, zog ein Kleid nach dem anderen aus und warf sie auf mein Bett. „Was soll ich denn anziehen?“
„Beruhige dich! Ich bin sicher, du wirst etwas finden.“
Ich drehte mich um und funkelte sie an.
„Das sagst du jetzt schon seit fünf Minuten und wir sind meine Kleider schon zum dritten Mal durchgegangen. Ich habe nichts Passendes.“ Frustriert trat ich mit meinem Fuß gegen ein Kleid.
„Es ist nicht meine Schuld, Laurie, dass du das letzte Mal vor einem Jahr einkaufen warst.“
„Aber du weißt, warum ich mein Geld nicht ausgebe. Es geht alles für die Arztrechnungen meines Vaters drauf. Ah, ich weiß nicht, was ich tun soll!“, stöhnte ich und ließ mich wieder auf das Bett fallen.
„Oh, ich habe eine tolle Idee!“, rief sie plötzlich aus, woraufhin ich vom Bett aufsprang.
„Ich kenne da eine Edel-Boutique. Lass uns einkaufen gehen.“
„Willst du mich verarschen? Wir können uns so einen Laden nicht leisten. Wir können uns nicht einmal einen gewöhnlichen Ohrring von dort leisten und du redest davon, ein Kleid zu kaufen? Hast du den Verstand verloren?“
Sie schlug mir auf den Kopf.
„Ich meine nicht, dass du es kaufen sollst. Ich meine, ja, wir sollten es kaufen, aber du kannst es hinterher zurückgeben. Du musst nur dafür sorgen, dass Campbell das Etikett nicht sieht und noch mehr Grund hat, dich zu beleidigen.“
Ich stellte mir seinen Gesichtsausdruck vor, wenn er es sah.
„Meinst du, das könnte klappen?“
Sie nickte.
„Das ist eine gute Idee. Vielen Dank, Beth. Lass uns jetzt gehen, bevor ich meine Meinung ändere.“
Als wir aus der Boutique zurückkamen, bot Beth mir an, mich zu schminken.
Sie wollte es nicht übertreiben und entschied sich, mir einen natürlichen Look zu verpassen. Als sie fertig war, sah ich anders aus - auf eine gute Art und Weise, und es gefiel mir.
Ich beschloss, meine Haare offen zu lassen, aber ich machte mir ein paar Locken.
Pünktlich um 18:55 Uhr erreichte ich das Seasons Restaurant. Aber ich ging nicht sofort hinein.
Ich wartete vor dem Restaurant auf Mr. Campbell.
Ich wusste nicht, warum ich mich dazu entschied, wenn ich einfach hineingehen und dort auf ihn warten konnte. Aber mein Gehirn funktionierte heute Abend nicht gut.
Ich würde ohne meinen Chef sowieso nicht hineinkommen.
Um fünf nach sieben hielt ein schwarzer Escalade neben mir an. Der Fahrer stieg aus, ging auf die andere Seite und öffnete die hintere Tür.
Ein polierter Schuh tauchte auf, gefolgt von einem weiteren, und ich wurde vom angenehmsten Duft aller Zeiten getroffen.
Ich konnte gar nicht beschreiben, wie ich mich fühlte, als Mason Campbell aus dem Auto stieg, ein Alphamann, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
Mein Mund wurde trocken, obwohl ich vor fünf Minuten Wasser getrunken hatte, aber ich konnte nicht anders.
Mason Campbell war mehr als umwerfend. Er war die Art von Mann, die man aus der Ferne bewunderte, weil man ihn nicht berühren konnte, die Art von Mann, die das Herz zum Rasen brachte und die Beine schwach werden ließ.
Erlebte ich das auch?
Sowas von.
Warum auch nicht, wenn Mason in seinem schwarzen Armani-Anzug wie ein griechischer Gott aussah, sein Gesicht perfekt rasiert und die Haare zurückgekämmt?
Männliche Models konnten Mason Campbell nicht das Wasser reichen.
Er sah nicht nur gut aus, hatte Geld, Macht und jedermanns Liebe, sondern er hatte auch etwas Geheimnisvolles an sich. Etwas, in dem man unbedingt herumstochern wollte.
Einatmen.
Ausatmen.
„Was zum Teufel haben Sie da an?“
Und mit nur sieben Worten von seinen perfekten, prallen Lippen wurde ich aus meiner Fantasie gerissen. Hatte ich gerade perfekt gesagt?
Ich schaute an meinem Kleid herunter und vergewisserte mich, dass ich es noch anhatte, denn ich hatte keine Ahnung, warum er gleichzeitig überrascht und verärgert klang.
Ich führte eine Hand zum Rücken meines Kleides, um mich zu vergewissern, dass das Etikett gut versteckt war.
„Das ist jetzt auch egal.“
Er schaute zum Auto. „Prinz.“
Prinz?
Vier winzige Beine sprangen aus dem Auto und bevor ich realisieren konnte, was geschah, stürzte es sich auf mich und ich kreischte.
„Prinz, runter, Junge. Sie ist harmlos. Sie tut dir nichts.“
Der Besitzer des Hundes zog das Tier zurück, bevor es wieder mein Gesicht angriff. Ich hielt mir eine Hand auf die Brust und lauschte dem Klang meines eigenen rasenden Herzschlages.
Mr. Campbells Mundwinkel zuckten ein wenig, aber das könnte ich mir auch einbilden.
Schließlich fand ich meine Stimme. „Ist das … ist das ein Hund?“
Er rollte mit den Augen. „Gut erkannt.“
„Aber man darf doch bestimmt keine Hunde oder andere Tiere in das Restaurant mitnehmen? Warum bringen Sie einen Hund mit?“
Er hob bei meinem Tonfall eine Augenbraue.
Ich schluckte. „Sir.“
„Deshalb sind Sie hier, Ms. Hart. Um meinen Hund auszuführen. Ich hätte allerdings etwas … Bequemeres angezogen.“ Er musterte mich von Kopf bis Fuß.
Ich trug ein schwarzes trägerloses Kleid mit einem Schlitz und von Beth geliehene High Heels.
„Ich soll Ihren Hund ausführen?“, fragte ich ungläubig.
„Warum, was dachten Sie denn, was Sie tun würden?“, fragte er, wobei sein Tonfall mich eindeutig verspottete. „Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie sich diesen Job nicht zu Kopf steigen lassen sollen, Ms. Hart.“
Er musterte mich noch einmal von oben bis unten, wobei sein Blick auf jedem Zentimeter meines Körpers verweilte. Und dann, ohne ein weiteres Wort, verschwand er.