
Sam und ich waren uns schnell einig, und ich konnte schon am nächsten Tag beginnen. Aber jetzt genoss ich erst einmal die Wärme der Bar und die kalten Bierchen.
„Sag mal Sam ... Gibt es in dieser komischen kleinen Stadt irgendwelche günstigen Pensionen oder sowas Ähnliches? Ich brauche eine Bleibe, für die Zeit, in der ich hier bin, und auf dem Weg vom Bahnhof hierher konnte ich keine finden", ich nahm einen weiteren Schluck Bier und sah mich in der Bar um, während ich auf eine Antwort wartete.
Die unbeschwerte Atmosphäre war wieder da, nachdem ich vorhin die Flaschen jongliert hatte. Alle waren zu ihren fröhlichen Gesprächen, Spielen und zum Mitsingen der Musik zurückgekehrt.
Ich spürte zwar immer noch ab und zu die Blicke, aber es war nicht mehr so schlimm wie zuvor. Sam schien zu überlegen, bevor er antwortete.
„Keine günstige Pension, aber ich habe eine kleine Wohnung über der Bar. Ich nutze sie nicht wirklich. Ich habe sie genutzt, als ich noch Single war, aber meine Frau fand sie nicht wirklich angemessen, um darin zu leben, nachdem wir geheiratet und Kinder bekommen hatten. Ich könnte sie dir vermieten. Es ist so zu sagen die Singlewohnung der Bar."
Ich sah Sam an und hob meine Augenbrauen. „Du würdest sie mir vermieten? Du kennst mich nicht einmal, und lässt mich über deiner Bar wohnen, ohne mir Fragen zu stellen?"
Das ergab nicht viel Sinn. Der Mann hatte mich gerade erst kennengelernt, er hatte mir bereits einen Job gegeben und jetzt wollte er mich in seiner Bar wohnen lassen.
„Ich weiß, ich bin selbst ziemlich überrascht. Aber ich habe ein gutes Gefühl bei dir. Du siehst zwar ein wenig... Nun, du siehst ein wenig nach einer Ausreißerin aus, also wäre ich nicht überrascht, wenn du eines Tages einfach verschwindest. Aber ich denke, man kann dir trotzdem vertrauen. Ich habe ein gutes Gefühl bei dir, Kiarra, und ich folge immer meinem Bauchgefühl."
Er lachte ein wenig, bevor er mit dem Kopf in Richtung einer Treppe hinter der Bar nickte. „Folge mir, ich zeig sie dir".
Ich schüttelte ein wenig den Kopf, sprang aber von meinem Hocker und folgte Sam die Treppe hinauf.
Er hatte mit seiner Einschätzung ins Schwarze getroffen. Ich war nicht der zuverlässigste Mensch, ich galt als Ausreißerin, aber ich war immer ehrlich und äußerst aufrichtig.
Ich habe nie Geld gestohlen oder irgendetwas getan, um andere Menschen absichtlich zu verletzen. Das geschah nur, wenn sie mir auf die Nerven gingen.
„Diese Etage ist mein Büro, wenn ich also nicht in der Bar bin, findet man mich hier." Wir gingen an der Tür zum ersten Stock vorbei und blieben im zweiten Stock stehen, während Sam nach einem Schlüsselbund kramte.
„Und hier sind wir. Es ist nicht groß, aber du hast dein eigenes Bad, deine eigene Küche und dein eigenes Schlafzimmer" Er schloss die Tür auf und ließ uns in eine kleine Wohnung herein.
Wir traten direkt in eine Mischung aus Wohnzimmer und Küche ein. Die Küche war mit dem Nötigsten ausgestattet, eine kleine Kücheninsel mit zwei Stühlen. Im Wohnzimmer stand eine Couch und ein kleiner Couchtisch.
Auf der linken Seite gab es eine Tür, die zum Badezimmer führte, und auf der rechten Seite befand sich ein kleines Zimmer mit einem Bett in der Mitte.
„Es ist großartig, ehrlich Sam. Ich habe schon in Wohnungen gelebt, die nur halb so groß waren, das hier fühlt sich an wie ein kleiner Palast.", lachte ich und ging in Bad, um es mir genauer anzusehen. Keine Badewanne, aber das war ein Luxus, den ich mir selten leisten konnte.
„Genieße es in vollen Zügen, Prinzessin, es gehört jetzt dir", hörte ich Sams Lachen, als ich das Schlafzimmer betrat und mich umschaute. Prinzessin. Das würde ich mir merken.
„Ich habe die Schlüssel hier, die Wohnung ist deine. Versuche nur, sie nicht abzufackeln. Ich meine, mit all dem Alkohol da unten wäre das nicht so schön, wenn sie puff ... " Er machte eine kleine explodierende Geste mit seinen Händen und ich musste lachen.
„Oh, keine Sorge, ich koche normalerweise nicht viel zu Hause, also ist das kein Problem. Ich würde den ganzen Alkohol eher aus Versehen austrinken, als ihn anbrennen zu lassen." Das brachte ihn zum Lachen, während wir die Treppe hinunter stiegen und in die Bar zurückkehrten. Als wir ankamen, hatte sich die Atmosphäre wieder verändert. Sie war nicht mehr so entspannt wie noch vor 5 Minuten und der Smalltalk war zu einem leisen Geflüster im Hintergrund geworden.
Ich schaute mich im Raum um, während ich mich wieder auf meinen Hocker setzte. Als sich nichts veränderte, drehte ich mich wieder zur Bar um, als Sam mir ein weiteres Bier öffnete.
„Warum ist es auf einmal so angespannt hier drin?" Ich legte meine Füße auf dem Hocker neben mir ab und lehnte mich in dem Stuhl zurück, auf dem ich saß, während ich an meinem Bier nippte.
Sam zuckte nur mit den Schultern, schaute aber immer wieder in Richtung Eingangstür.
Diese Leute waren seltsam.
„Wann schließt du eigentlich? Es ist fünf Uhr morgens und die Leute scheinen noch nicht auf dem Weg nach draußen zu sein." Während ich sprach, öffnete sich die Eingangstür und ein Schauer lief mir über den Rücken, als der Wind hereinwehte.
Ich wollte mich gerade umdrehen, um zu sehen, wer um alles in der Welt so spät noch in eine Bar geht, aber ich wurde abgelenkt, als Sam wieder sprach.
„Oh, wir machen ziemlich spät auf und haben eigentlich keine bestimmte Sperrstunde. Die Leute in dieser Stadt arbeiten zu merkwürdigen Zeiten, sodass sie meist erst nach Mitternacht Feierabend machen. Ich halte den Laden so lange offen, wie die Leute ihn brauchen.
„Mach dir aber darüber keine Sorgen, ich bleibe meistens bis zum Feierabend, damit du nicht bis in die frühen Morgenstunden aufbleiben musst", ich grinste und schenkte Sam ein Lächeln.
„Ich bin eigentlich nicht so wählerisch, was meine Arbeitszeiten angeht. Ich arbeite gern, und die letzte Bar, in der ich gearbeitet habe, hatte rund um die Uhr auf, sieben Tage die Woche. Da gibt es viele Tagtrinker und viele Nachteulen."
Sam lächelte mich an, richtete seine Aufmerksamkeit aber auf jemanden hinter mir.
Ich spürte ein brennendes Gefühl am ganzen Körper und ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich spürte, wie sich jemand hinter mir näherte.