
Jake und ich betreten das Delta-Phi-Haus. Es ist brechend voll und ohrenbetäubend laut. Die Luft ist zum Schneiden dick – eine üble Mischung aus Schweiß, Alkohol und anderen Gerüchen, die ich lieber nicht genauer identifizieren möchte. Mir wird mulmig zumute.
Diese Party ist anders als unsere üblichen Feiern. Sie ist völlig aus dem Ruder gelaufen.
Gefährlich.
„Komm“, sage ich zu Jake, „lass uns die Mädels suchen und dann nichts wie weg hier.“
Er nickt, und wir versuchen, uns einen Weg durch die Menge zu bahnen. Weit kommen wir nicht, da stellen sich uns schon die rothaarigen Zwillinge aus dem Cheerleader-Team in den Weg.
„Na sowas“, sagt die eine. Die andere fährt fort: „Hätten wir ja nie gedacht, euch zwei hier zu sehen.“ Wieder die erste: „Ja, wir dachten, Papa Avery lässt seine Schäfchen nicht von der Leine.“ Beide grinsen hämisch.
Hinter ihnen taucht Leah auf und funkelt uns wütend an. Sie verschränkt die Arme, kneift die Augen zusammen und will gerade den Mund aufmachen – da packen uns ein paar Footballspieler. Grölend zerren sie Jake und mich tiefer ins Haus.
„Aiden!“, ruft jemand hinter mir.
Ich drehe mich um und breite gerade noch rechtzeitig die Arme aus. Isabelle fällt hinein, sichtlich verstört. „Isabelle, was –„
„Es ist Rylee! Ich glaube, sie steckt in Schwierigkeiten.“ Sie richtet sich auf und deutet die Treppe hoch. „Ein Typ, er hat sie ins Bad gedrängt. Ich glaube, er –„
Mehr muss ich nicht hören.
Wie von der Tarantel gestochen sprinte ich die Treppe hoch, immer drei, vier Stufen auf einmal nehmend. Ich sehe eine Traube Mädchen, die vor einer Tür herumwuseln. Das verrät mir, welche Tür zum Bad führt. Ohne abzubremsen, ramme ich die Schulter dagegen.
Es kracht laut, die Mädchen kreischen, und der Türrahmen splittert, als die Tür aufspringt.
Ich spüre jemanden neben mir, aber ich kann nur auf die grauenvolle Szene vor mir starren.
Rylee sitzt auf dem Waschbecken, kreidebleich vor Angst. Ihr Make-up ist verschmiert, und ihre Fingernägel bohren sich in die Schultern eines Typen. Er steht zwischen ihren Beinen, das Gesicht an ihrem Hals.
Ich sehe, wie seine Hand über ihre Brust wandert. Er knetet sie durch den BH, den ich sehen kann. Mein Blick wandert tiefer. Die Hose des Kerls ist offen. Rylees Slip ist halb ihre Beine hinuntergezerrt.
Der Typ wirbelt herum. Erleichtert stelle ich fest, dass seine Unterhose noch an ist. Das hält mich aber nicht davon ab, ihm die Faust mit voller Wucht auf die Nase zu rammen, sobald er mit erhobenen Händen von ihr wegtritt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Jake hereingestürmt kommen und Rylee wegziehen. Blut spritzt auf die Vorderseite des Football-Trikots des Typen.
Nummer neunundsechzig.
„Verdammt, Reed! Wir hatten doch nur Spaß“, nuschelt er mit der Hand vorm Mund.
Ich fixiere meinen Teamkollegen, der für seine Rücksichtslosigkeit berüchtigt ist. Ich prügle auf ihn ein – etwas, das ich schon lange tun wollte.
Ich schlage hauptsächlich auf seinen Körper und in den Schritt. Ich verprügle ihn im Bad, bis ich erschrockene Schreie hinter mir höre. Ich packe sein Shirt, zerre ihn auf den Flur und werfe ihn die Treppe hinunter.
Es poltert laut, als er fällt, und die Leute keuchen und schreien noch mehr auf. Die Musik verstummt schlagartig.
Als ich wieder bei ihm ankomme, reiße ich ihm das Trikot vom Leib und halte es den anderen anwesenden Spielern entgegen. „Das hier“ – ich wedele damit vor ihren Nasen herum – „bedeutet was! Wenn ihr das nicht checkt, könnt ihr zusammen mit diesem Arschloch sofort verschwinden!“
Sie schweigen. Sie blicken nur auf ihren verletzten Teamkollegen hinab und treten von ihm zurück.
„Gut! Jetzt schafft diesen Mistkerl sofort zur Campus-Polizei, oder keiner von euch wird je wieder Football spielen! Kapiert? Und du“ – ich zeige auf ein Mädchen auf der Treppe, das aufs Bad gewartet hatte – „gehst mit ihnen mit und sagst aus, was passiert ist.“
Sie gehorchen alle. Nachdem sich die Haustür hinter ihnen geschlossen hat, setzt die Musik wieder ein, als wäre nichts geschehen.
Die Leute scharen sich um mich, sagen „gut gemacht“, „starke Aktion“ oder „danke, der Typ war echt übel“, aber ich dränge mich an ihnen vorbei auf der Suche nach Rylee. Stattdessen sehe ich Isabelle in einer Ecke telefonieren.
„Es geht ihr gut“, sagt Isabelle, nachdem sie aufgelegt hat. „Jake bringt sie nach Hause, und sie ist nicht verletzt. Zumindest nicht körperlich.“ Sie schenkt mir ein schwaches Lächeln. „Wie geht's dir?“
Ich seufze. „Ich hatte Angst, dass so etwas passieren würde.“
„Mach dir keine Vorwürfe. Wir sind Frauen. Ich sage es nicht gern, aber wir wissen, dass solche Dinge passieren können. Ich bin einfach froh, dass du rechtzeitig gekommen bist. Ry ist es sicher auch.“
Wir stehen schweigend da, und als ich mich beruhigt habe, führe ich sie zurück dorthin, wo die Musik spielt. Die Leute klopfen mir im Vorbeigehen auf die Schulter. Ich frage sie, ob sie zurück in ihr Wohnheimzimmer möchte, aber sie sagt, sie brauche einen Drink. Sie nimmt den Becher aus meiner Hand.
Als sie ihn mir zurückgibt, stelle ich ihn ab.
„Komm schon“, sagt sie und nimmt meine Hand. „Lass uns einmal tanzen, damit ich mich entspannen kann, dann kannst du mich zurück ins Wohnheim bringen.“ Sie lächelt, während sie mich näher zum DJ zieht.
Aus einem Lied werden zwei, aus zwei werden drei, und ich stelle fest, dass ich es wirklich genieße, Isabelle so nahe zu sein. Sie ist ganz anders als das schüchterne Mädchen, an das ich mich erinnere. Jetzt ist sie eine sexy, sinnliche Frau, die weiß, wie man sich bewegt.
Sie reibt sich an mir und lässt meine Hände über ihre Kurven gleiten. Doch am Ende des dritten Songs fällt sie gegen mich, plötzlich unsicher auf den Beinen. Sie entschuldigt sich und tritt zurück. Sie schüttelt den Kopf, als wolle sie ihn klären.
„Isabelle, alles in Ordnung? Was ist los?“
Sie schüttelt erneut den Kopf, diesmal langsamer. „Ich weiß nicht. Mir dreht sich alles. Ich fühle mich total betrunken.“ Ihre Knie geben nach, und ich fange sie auf, bevor sie fällt. Ich lege meinen Arm um ihre Taille.
„Ich bringe dich nach Hause.“
Ich helfe ihr zur Haustür. Gerade als wir sie erreichen, erschlafft Isabelle. Ich kann sie kaum halten, als ihr Körper zu Boden gleitet. Erschrocken schüttele ich sie.
Aber sie reagiert nicht. Sie ist völlig bewusstlos.
„Isabelle!“