Das unmoralische Angebot - Buchumschlag

Das unmoralische Angebot

S.S. Sahoo

Elegantes Chaos

LucasTut mir leid, Schwesterchen kann nicht reden
AngelaOkay
AngelaKein Problem

ANGELA

Ich warf mein Handy aufs Bett. Es war 7 Uhr morgens. Ich hatte meine erste Nacht im Penthouse verbracht. Nach dem Zwischenfall mit Xavier in der Küche hatte ich mein Schlafzimmer nicht mehr verlassen. Ich hatte einen Pyjama angezogen und nachdem keine Tränen mehr zum Vergießen geblieben waren, sank ich in meine neue Matratze und schloss die Augen, um endlich einzuschlafen.

Ich dachte, wenn ich letzten Abend so früh geschlafen hatte, würde ich erfrischt und optimistisch in den neuen Tag starten, aber stattdessen wachte ich auf und fühlte mich genauso allein wie zuvor. Die Spiegel im Zimmer waren auch nicht gerade hilfreich – sie erinnerten mich nur daran, dass ich die Einzige hier war.

Ich hatte versucht, Lucas anzurufen. Normalerweise konnte mich ein kurzes Gespräch mit ihm jederzeit aufmuntern. Seine Witze erinnerten mich immer daran, dass ich mich selbst nicht allzu ernst nehmen sollte. Aber heute Morgen wollte nicht einmal er reden.

Ich setzte mich auf und sah mein Gesicht in dem ovalen Spiegel an der Wand gegenüber. Ich sah so mitgenommen aus, wie ich mich fühlte. Ich hatte mein langes Haar vor dem Einschlafen zu einem Dutt hochgesteckt und jetzt war es nicht nur unordentlich, sondern auch noch aus dem Haargummi gefallen. Meine Haare standen also in alle Richtungen ab, meine Haut musste dringend mit Feuchtigkeit versorgt werden und meine Lippen brauchten Lippenbalsam und so weiter.

Aber ich wusste, dass ich mich nicht wirklich besser fühlen würde, wenn ich mich zurechtmachte, also beschloss ich, zuerst etwas gegen meine momentane Stimmung zu tun. Ich sprang aus dem Bett, zog mir ein paar alte Leggings und ein Sweatshirt an, band meine Haare zu einem Pferdeschwanz, schnürte meine Laufschuhe und ging zur Tür hinaus. Zum Glück lief ich niemandem über den Weg, als ich in den Aufzug eilte. Ich glaubte nicht, dass ich so früh am Tag mit Feindseligkeit umgehen konnte. Ich drückte "L" für Lobby und staunte, wie schnell der Aufzug die fünfunddreißig Stockwerke hinunterfuhr und mich innerhalb von zehn Sekunden im Erdgeschoss absetzte. Ich glaubte nicht, dass ich mich jemals daran gewöhnen würde.

Ich ging durch die Lobby und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Ein paar andere Bewohnerinnen und Bewohner tummelten sich dort, einige saßen auf den opulenten Lounge-Inseln, andere unterhielten sich an der Tür zum Postraum.

Sie wirkten alle gepflegt und wohlhabend, als ob sie selbst in ihrer legeren Morgenkleidung immer noch besser waren als alle anderen. Ich hatte sie immer noch im Blick, als ich fast an der Tür war und direkt mit Pete, dem Portier, zusammenstieß.

"Oh", stieß ich aus und er beeilte sich, nach mir zu sehen.

"Geht es Ihnen gut, Mrs. Knight?", fragte er mit besorgter Miene. Ich sah, wie sich die Bewohnerinnen und Bewohner umdrehten, um zu sehen, was es mit dem Gerangel auf sich hatte, und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.

"Ich bin okay. Mir geht es gut", sagte ich schnell und stieß die Tür auf. "Es tut mir leid", sagte ich und warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor ich nach draußen joggte. Jetzt brauchte ich wirklich frische Luft.

Eine kühle Herbstbrise wehte mir sofort ins Gesicht und half mir, nicht mehr über mich selbst nachzudenken. Ich bog nach rechts ab und wartete auf den Wechsel der Ampel, wobei ich auf und ab hüpfte, um meinen Puls zu halten. Als es grün wurde, sprintete ich über die Straße und lief in den Central Park.

Während ich mir meinen Weg durch Gruppen von Touristen, Familien und Menschen bahnte, die einfach nur ein bisschen Natur am Morgen sehen wollten, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Alle waren hier draußen zusammen und gaben ihr Bestes, um ihr Leben zu genießen und aus irgendeinem Grund, den ich mir nicht ganz erklären kann, überkam mich ein Gefühl der Hoffnung. Wenn sie hier draußen waren und ihr Bestes gaben, dann konnte ich das auch schaffen.

Dieses Gefühl der Hoffnung trieb mich an, so schnell wie seit Monaten nicht mehr zu laufen, wobei ich die lachenden Kinder und keuchenden Fußballspieler auf der Wiese neben mir als Publikum nutzte, das ich beeindrucken wollte.

Als ich anhielt, um zu verschnaufen, hatte ich etwas mehr als acht Kilometer zurückgelegt. Nicht schlecht, dachte ich und klopfte mir im übertragenen Sinne auf die Schulter. Ich ging eine Weile, um mich abzukühlen und den Endorphinrausch durch meinen Körper pulsieren zu lassen, dann überquerte ich die Straße und ging in ein malerisch aussehende Café an der Ecke. Als ich es betrat, sah ich niemanden hinter dem Tresen und schaute mich irritiert um. Da entdeckte ich den Mann, der auf einer kleinen Bank neben dem Tresen saß, fast unsichtbar von mir aus gesehen. Er las die New York Times und hatte offensichtlich nicht gehört, dass jemand den Laden betreten hatte.

Entweder das, oder er hatte einfach keine Lust, aufzustehen und einen Kunden zu bedienen. Aber ich war so gut gelaunt von meinem Lauf, dass es mir nichts ausmachte. Also ging ich zu dem Barista hinüber, stellte mich direkt vor ihn und fing an zu sprechen.

"Hallo!", sagte ich fröhlich und er schaute zu mir auf. Er war etwa in meinem Alter, hatte warme Augen und ein leichtes Lächeln im Gesicht.

"Das war ja eine tolle Begrüßung", sagte er. "Du musst gut gelaunt sein."

"Das bin ich wohl. Im Moment jedenfalls ...", sagte ich.

"Im Moment?", fragte er, stand auf und ging hinter den Tresen. Aber nicht, bevor ich die Seite der Zeitung sehen konnte, die er gerade las: die Gesellschaftsseite.

"Die letzten Tage waren eine Achterbahnfahrt. Aber ich habe es einfach, ich weiß nicht, verdrängt?", mutmaßte ich, halb zu mir, halb zu ihm.

"Ah, eine von diesen Wochen, was? Was kann ich dir denn bringen?"

Ich sah mich im Café um und bemerkte erst jetzt, dass es völlig leer war. Ein fast leeres Café? Das gab es in New York City nie. Dann fiel mein Blick auf die Kaffeekarte auf der Kreidetafel, die an der Wand über dem Tresen hing. Ich überflog sie.

"Ich nehme den Pfefferminz-Latte", sagte ich.

"Interessante Wahl", antwortete der Barista und begann, den Espresso zuzubereiten. "Joggst du in der Gegend?"

"Durch den Park, ja", sagte ich. "Ich bin gerade erst hierhergezogen."

"Oh, cool", sagte er und ließ die Milch dampfen. "Wohin denn?"

"Direkt am Park."

"Welche Straße?"

Ich hatte versucht, den Namen nicht auszusprechen, weil ich wusste, wie anmaßend der Straßenname klingen würde. Besonders für einen Barista. Aber ich wollte auch nicht unhöflich sein.

"Central Park South", sagte ich fast flüsternd. Er musterte mich, ohne viel zu verraten. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich irgendwie rechtfertigen musste. "Mein Mann ... er wohnt eigentlich schon in dem Gebäude. Also ziehe ich einfach bei ihm ein."

"Du hast gerade geheiratet oder so?"

Ich nickte. "Erst vor ein paar Tagen, um genau zu sein."

"Na dann, herzlichen Glückwunsch", sagte er und lächelte mich an. Doch dann schien es im Kopf des Barista plötzlich zu klicken und er sah mich wieder direkt an. "Ich weiß, wer du bist", sagte er und schüttete die Milch über den Espresso. "Du bist die neue Frau von Xavier Knight."

Ich schaute zu Boden und hatte das dringende Bedürfnis, meinen Kaffee zu nehmen und abzuhauen. Aber ich hatte noch nicht gezahlt.

"Richtig?", drängte er.

"Ja", sagte ich.

"Ich wusste es! Ich habe dich von der Times-Ankündigung erkannt. Und deine Hochzeitsfotos sind überall. Natürlich bist du es."

Er reichte mir meine Tasse, lehnte sich nach vorne auf den Tresen und musterte mich eingehend. "Warum also die Achterbahnfahrt diese Woche?"

"Ach, nichts. Wie viel bin ich dir schuldig?"

"Eine Antwort", sagte er, aber dann lächelte er. "Das geht aufs Haus. Du bist Neukundin."

"Das musst du nicht tun..."

"Im Ernst", sagte er und hob eine Hand. "Es ist schön, dich kennenzulernen. Nimm den Drink. Ich bin Dustin. Dustin Stirling." Und er hielt mir seine Hand hin. Ich schüttelte sie.

"Angela … Knight."

"Hi, Angela. Okay. Also, zurück zu dir. Du musst mir nichts erzählen, denn ich bin offensichtlich ein Fremder, aber was auch immer deine Stimmung verursacht hat, du solltest wissen, dass du es ziemlich gut hast. Du bist mit dem reichsten und coolsten Mann der Stadt verheiratet. Ganz im Ernst. Jedes Mädchen will mit ihm ins Bett und jeder Typ will sein wie. Oder ihn vögeln. Verstehst du?"

"Nein, ich ... ich weiß", stotterte ich, weil ich seine ungefilterte Art nicht gewohnt war. "Ich bin wirklich glücklich. Verheiratet zu sein. Wirklich."

Er behielt mich im Auge und ich hoffte, dass ich mich nicht verraten würde.

"Jedenfalls danke für den Milchkaffee. Er ist köstlich. Und es war schön, dich kennenzulernen", sagte ich und ging zur Tür.

"Hey, ich bin immer hier", sagte er zu mir, während ich mich zum Gehen wandte. "Wenn du mal einen Freund brauchst oder einen extrem guten Pfefferminz-Latte, dann komm vorbei."

"Okay", sagte ich und winkte ein letztes Mal, bevor ich wieder nach draußen auf die Straße trat, wo niemand meine Geheimnisse kannte. Ich checkte mein Handy, um zu sehen, ob ich irgendwelche verpassten Anrufe von Lucas hatte, aber alles, was ich sah, war ein schwarzer Bildschirm. Mein Handy hatte den Geist aufgegeben, wahrscheinlich während ich joggen war. Na toll.

XavierWO
XavierBIST
XavierDU
Xavier???????

Ich stand im Lift und träumte von der warmen Dusche, die ich mir gleich gönnen würde, als die Tür aufging und mich aus meinen Gedanken riss. Und da, auf dem cremefarbenen Sessel im Wohnzimmer, saß Brad.

"Ah, da ist sie ja! Komm, komm, mein Schatz", sagte er und stand auf, um mich zu begrüßen.

Ich ging zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange, während mein Mann auf der Couch ihm gegenüber schäumte. Xavier stand nicht auf.

"Ich wusste nicht, dass du kommst, sonst wäre ich hier gewesen", sagte ich.

"Unsinn, ich wollte euch nicht stören. Habt ihr irgendwas Schönes geplant heute?"

"Ich war nur laufen." Mein Blick wanderte zu Xavier. Er warf mir einen finsteren Blick zu und sah ein wenig mitgenommen aus.

"Hast du etwas Schönes geplant, Xavier?", fragte ich ihn und versuchte Brad zu zeigen, dass die Frischvermählten wenigstens zivilisiert miteinander umgingen.

"Ich gehe wochentags zur Arbeit", antwortete er herablassend. "Ich bin eigentlich schon spät dran, Vater."

"Richtig, richtig, natürlich", sagte Brad und stand wieder auf. "Ich wollte nur mal vorbeischauen und sehen, wie es den Turteltäubchen geht. Es sieht toll aus hier, nicht wahr?"

"Ja", sagte ich und Xavier nickte nur.

Brad küsste mich noch einmal auf die Wange und schüttelte dann die Hand seines Sohnes.

"Ich bin froh, dass du hier bist, Angela", sagte er, bevor er zum Aufzug ging. "Du bist jetzt ein Teil der Familie."

"Ich auch", stieß ich hervor. "Danke." Und dann war er weg.

Ich dachte, ich könnte jetzt duschen gehen, aber Xaviers Stimme hielt mich auf.

"Wo zum Teufel warst du?"

Ich machte mich auf einen weiteren Streit gefasst. "Ich war nur joggen."

Er ging direkt auf mich zu und starrte mich an. "Du siehst beschissen aus."

Was sollte ich darauf antworten? "Ich wollte gerade duschen gehen ..."

"Ich glaube, du verstehst nicht, in welcher Position du dich befindest", sagte Xavier. "Du siehst scheiße aus. Und wenn du in der Öffentlichkeit scheiße aussiehst, dann sehe auch ich scheiße aus."

"Es ..." Ich verschluckte mich. "Es wird nicht wieder vorkommen."

"Das sollte es auch nicht. Kämm dir wenigstens die Haare, nachdem du dich von deinem heimlichen Freund hast abschleppen lassen."

"Was?", fragte ich. "Das würde ich nie tun."

"Klar, würdest du das nicht", spottete Xavier. "Ihr Goldgräber seid doch alle gleich."

"Ich war nur eine Runde laufen! Das ist alles!"

"Du hast also keinen Typen getroffen, als du draußen warst?"

"Nein! Ich habe nicht ..." Nun, ich habe den Barista getroffen. Aber das war nicht das, worüber Xavier sprach.

"Wie auch immer. Es ist mir egal. Fick, wen du willst. Lass dich nur nicht dabei erwischen. Du bist jetzt eine Knight. Von dir wird erwartet, dass du perfekt bist, kapiert?"

Während ich so verschwitzt dastand und von meinem sogenannten Ehemann angeschrien wurde, fühlte ich mich alles andere als perfekt. Aber ich nickte trotzdem.

"Gut. Ich habe jetzt eine Firma zu leiten. Benimm dich, während ich weg bin." Er ging auf den Aufzug zu. "Und du bist besser verschwunden, bevor ich zurück bin!", brüllte er. Ich war verwirrt, bis ich sah, wie eine Frau, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, ihren Kopf mit zerwühlten Haaren aus seinem Schlafzimmer steckte. Das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich stürmte in Richtung Badezimmer, wütende Tränen trübten meine Sicht. Ich knallte gegen eine Vase, sodass sie auf den Boden fiel und zerbrach.

"Argh, Mist ...", murmelte ich und starrte auf die Scherben. Ich starrte nur auf das zerbrochene Porzellan, zu betäubt, um mich zu bewegen. Ich musste das aufräumen, bevor jemand verletzt wurde. Aber ich konnte mich einfach nicht bewegen.

"Ich räume auf."

Ich schaute hinter mich und sah Lucille mit Handbesen und Kehrschaufel vor mir stehen.

"Nein, ist schon gut. Ich habe sie kaputt gemacht."

Sie schüttelte nur den Kopf und schob mich sanft zur Seite, damit sie kehren konnte. Sie nickte Richtung Badezimmer, streng. Lucille kümmerte sich auf ihre eigene Art um mich. Ich lächelte dankbar. Sieht so aus, als hätte ich im Penthouse eine Verbündete gefunden.

Es hatte nur einen weiteren schrecklichen Streit mit meinem Mann gebraucht.

Ich seufzte, als ich die Dusche einschaltete und darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde. Wie lange würde ich das noch aushalten?

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