B. Shock
EVONY
Als es dunkel wurde, legte ich mich in den Stapel von Decken und Kissen, den Ethan mir mitgebracht hatte, und beobachtete den Nachthimmel aus dem kleinen Fenster des Hütte.
Ethan ging zurück zum Rudelhaus, um sich um einige Dinge zu kümmern. Er machte sich keine Sorgen darüber, dass so kurz vor Wintereinbruch irgendwelche Schurken in das Gebiet kommen würden; sie würden sich einen wärmeren Ort suchen.
Ich seufzte, stieg aus meinem kuscheligen Bettchen und trat nach draußen. Ich schaute zu der Stelle hinüber, wo ich vorher einen Wolf gesehen geglaubt hatte. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich fröstelte. Habe ich mir das wirklich eingebildet? Es sah so echt aus.
Wenn ich nur nach einer Fährte oder einem Geruch suchen könnte, aber mein Geruchssinn war nicht sehr gut und meine Augen bei Nacht auch nicht. Ich war wirklich eine erbärmlicher Wolf.
Als ich den Vollmond am Himmel betrachtete, fragte ich mich, warum ich bestraft wurde, während mein Vater das Nachtleben lebte. Lag es an den Umständen meiner Geburt?
Wahrscheinlich. Die sogenannte Mondgöttin kümmerte sich nur um die Starken und Tüchtigen.
Ich drehte mich um und ging ins Innere der Hütte, bevor ich mich in mein kleines improvisiertes Bett legte. Ich blies die Kerze aus und drehte mich mit dem Rücken zum Fenster.
Ich hatte das Gefühl, dass meine Qualen bald vorbei sein würden, so oder so. Ich wiederholte diese Worte in meinem Kopf, während meine Augen schwer wurden und sich zu schließen begannen. Bald darauf fiel ich in die Dunkelheit des Schlafes.
Stunden später wachte ich mitten in der Nacht auf. Ich spürte, wie mir eine Gänsehaut über die Haut lief, aber mir war nicht kalt.
Ich schloss meine Augen, um wieder einzuschlafen, aber etwas störte mich.
Als ich hörte, wie sich der Türknauf drehte, erstarrte ich. Ein tödlicher Schauer lief mir über den Rücken und mein Magen sank. Wer würde nachts hier unterwegs sein?! War das Ethan?
Ich warf einen vorsichtigen Blick zurück zur Tür und achtete darauf, nicht zu verraten, dass ich wach war.
Die Tür öffnete sich langsam und eine große männliche Gestalt betrat die Hütte. Es war zu dunkel, um klar zu sehen, aber ich konnte erkennen, dass dieser Mann definitiv nicht Ethan war.
Ich wandte meine Augen ab und schloss sie, während ich so unbeweglich wie möglich blieb. Ich wollte nicht, dass sie wissen, dass ich wach bin.
Er könnte einer der Kundschafter sein. Wahrscheinlich suchte er einen Platz zum Ausruhen für die Nacht.
Ich hielt meinen Atem kurz und so gleichmäßig wie möglich, aber mein Herz fühlte sich an, als würde es aus meiner Brust schlagen und verraten, dass ich wach war. Wenn es ein Kundschafter war, würde er, sobald er mich bemerkt hattet, verschwinden.
Ich hörte, wie sich die Tür schloss, aber ich konnte den Mann im Raum immer noch spüren. Aber ich wagte es nicht, ihn anzusehen.
Ich lauschte aufmerksam auf Schritte, aber er war still. Und ehe ich mich versah, lag er neben mir. Ich könnte schwören, dass sich mein Herzschlag verzehnfacht hat.
Ich drückte meine Augen zu und hoffte, er würde verschwinden oder gehen. Ich konnte keinen weiteren Angriff abwehren, nicht in dem Zustand, in dem ich war... Das wäre nicht möglich. Mein Glück hatte mich schon lange verlassen.
Als ich seinen heißen Atem an meinem Hals spürte, überkam mich die Hilflosigkeit. Er legte seinen Arm um mich und flüsterte mir ins Ohr: „Du machst niemandem etwas vor, Kleine. Ich weiß, dass du wach bist.“ Seine Stimme war sanft und heiser. Ein seltsames Gefühl durchzog meinen ganzen Körper.
Bevor ich verarbeiten konnte, was passierte, wurde ich gezwungen, mich auf den Rücken zu drehen. Ich quiekte vor Schreck. Meine Augen flogen auf und trafen auf zwei glühende, goldene Augen, die mich direkt durchbohrten. Ich konnte nichts anderes sehen.
Meine Verletzlichkeit war nur der Anfang davon, was er mich fühlen ließ, und das machte mir Angst.
Ich starrte direkt zurück in seine Augen, die sich in meine Seele brannten. Ich verstand nicht, was dieses neue Gefühl in meinem Bauch war. Aber sie war ähnlich wie eine, die ich schon kannte - Angst.
Wenn der brennende Schmerz in meinem Rücken nicht gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle geschmolzen oder allein von seinen Augen hypnotisiert worden. Aber wenn ich das tat, hatte ich das Gefühl, dass mir etwas Schlimmes zustoßen würde, also setzte mein Kampf-oder-Flucht-Instinkt ein, und ich schnappte mir das nächstgelegene Ding und schlug es ihm über den Kopf.
Er knurrte und sprang leicht zurück. Schnell kam ich unter ihm hervor und auf die Beine. Ich rannte zur Tür, aber wurde gegen eine Wand gestoßen. Ich schrie vor Schreck und Schmerz auf.
Wie konnte er so schnell sein?!
Er hielt mich an den Schultern gegen die Wand und knurrte: „Wofür war das denn?!“
Durch das Mondlicht, das durch das Fenster fiel, konnte ich sein halbes Gesicht sehen, das jetzt blutverschmiert war und das Blut von seinem Kopf herunterlief. Ich muss ihn ziemlich gut getroffen haben.
Der Versuch, ihn wegzustoßen, war zwecklos, denn er war viel stärker, als ich erwartet hatte.
Er wurde immer aufgeregter, je mehr ich mich wehrte, aber wegen der Schmerzen, die ich hatte, als er mich an die Wand drückte, brannte mein Rücken und das verstärkte meinen Fluchtinstinkt.
„Hör auf!“, knurrte er und ich zuckte zusammen, bevor ich auf der Stelle erstarrte. Er war kein Rudelmitglied, soweit ich das beurteilen konnte, aber er strahlte eine starke Dominanz aus.
Er brachte sein Gesicht wieder näher an meinen Hals und atmete meinen Duft ein. Ich schwöre, er schnurrte, bevor er seine Arme um mich schlang und mit seinen Lippen über meine Haut strich.
Ich keuchte. Das fühlte sich gut an. Ich wusste nicht genau, warum. Ich hätte mich ekeln sollen, aber stattdessen genoss ich es.
Er drückte mich fester an sich und das ließ meinen Hintern brennen.
Diese Umarmung fühlte sich so gut an, dass ich in seinen Armen schmelzen wollte, aber auch hier war der Schmerz meine Verbindung zur Realität.
Also tat ich das Erste, was mir einfiel, und biss ihm in den Hals.
Er knurrte und stieß mich weg, bevor er eine Hand an seinen Hals legte und das Blut betrachtete zwischen meinen Zähnen. Ich erkannte seine Reaktion. Er begann wütend zu werden.
Ich nutzte die Chance und rannte aus der Hütte in den Wald. Ich wollte auf keinen Fall zurückblicken oder anhalten; ich musste so schnell wie möglich zum Rudelhaus zurückkehren, also rannte ich weiter.
Ich konnte das Knacken von Knochen und sein schweres Grunzen hören, als er mich verfolgte. Verdammt! ~Er wird mich zur Strecke bringen.~ In seiner Wolfsgestalt hatte ich keine Chance, ihm zu entkommen.
Kurz darauf konnte ich ihn in die Nacht hinein heulen hören. War er verrückt?! Mein ganzes Rudel würde ihn hören und anfangen zu jagen!
Hoffentlich würde jemand den Mann aufhalten, bevor er mich erreicht. Während ich rannte, nahm ich Rauch war.
Was ist hier los?! … wunderte ich mich. ~Wo waren die Kundschafter, die das Revier des Rudels patrouillierten?~ ~Sie hätten diesen Mann schon längst festnehmen sollen!~
Der Wolf, der mich verfolgte, bellte und ich schaute zurück, um sah, dass er dicht hinter mir war und immer näher kam.
Ich rannte so schnell ich konnte. Ich konnte hören, wie er näher kam, aber bevor er mich einholen konnte, sprang ein anderer Wolf vor mir aus dem Gebüsch und warf meinen Verfolger zu Boden.
Ich hielt inne und beobachtete, wie die beiden schnell auf die Beine kamen und sich knurrend und mit zähnefletschend gegenüberstanden. Ich erkannte, wer mein Retter war.
„Ethan!“, rief ich, froh, ihn zu sehen und gleichzeitig besorgt, dass es zu einem blutigen Kampf kommen würde.
Beide verwandelten sich für den Kampf in ihre menschliche Gestalten zurück. Ethan blickte während seiner Verwandlung zu mir zurück.
„Lauf! Verschwinde von hier und geh so weit weg, wie du kannst! Such dir einen sicheren Ort!“, rief er über seine Schulter, bevor er sich wieder dem Mann zuwandte.
Als er im Mondlicht stand, konnte ich sehen, wie schön mein Verfolger tatsächlich war. Ich war wie erstarrt, und als er mich ansah, schauten wir uns mitten in die Augen.
Ich konnte sehen, dass er das brennende Verlangen hatte, weiter zu verfolgen, aber das war nicht möglich, da Ethan ihm den Weg versperrte. Sein Grinsen ließ mich erschaudern.
Sein Körper war göttlich, und sein Gesicht sah genauso gut aus, mit unordentlichem schwarzen Haar und einem Drei-Tage-Bart, in den sich jedes Mädchen verlieben würde.
Ethan knurrte den Mann an und erregte seine Aufmerksamkeit.
„Was machst du denn da? Verschwinde!“, rief er, während er sich in Kampfposition begab.
Ich erwachte aus meiner Benommenheit und schluckte schwer. Einer von den beiden könnte bei diesem Kampf verletzt werden oder sterben. Ich zwang mich umzudrehen und zu loszurennen.
Ich konnte nicht zusehen und ich konnte nicht helfen. Ich musste zurück zum Rudelhaus und Hilfe holen!
Ich rannte so schnell ich konnte weg von dem Kampf. Meine Lungen brannten und meine Wunden begannen zu schmerzen. Das Adrenalin, das mich zuvor angetrieben hatte, begann zu versiegen.
Als ich mich dem Rudelhaus näherte, wurde mir klar, wie schlimm unsere Situation war.
Ich sah entsetzt, wie alle unsere Rudelsoldaten mit gefesselten Händen vor ein paar Männern knieten, die ich nicht erkennen konnte. Ich ging ein paar Schritte zurück.
Was soll ich jetzt tun?! ~Wenn sollte ich um Hilfe bitten?~
Zwei der fremden Männer bemerkten mich zufällig und kamen auf mich zu. Ich kam wieder zu mir und beschloss, in eine andere Richtung davonzulaufen. Vielleicht könnte ich mich irgendwo verstecken, bis mich jemand abholen konnte.
Aber bevor ich das tun konnte, packten sie mich und warfen mich hart zu Boden.
„Was glaubst du, wo du hingehst? Du versuchst zu fliehen, was?“, sprach einer über mir.
Ich versuchte aufzustehen, aber der andere Mann drückte mich mit seinem Fuß auf meinem Rücken wieder nach unten. Meine Wunden fingen böse an zu schmerzen.
Ich schrie vor Schmerz auf und mir stiegen Tränen in die Augen, sodass sich meine Sicht vor schmerzen trübte. Ich versuchte zu sprechen, aber meine Stimme ließ mich im Stich.
„Du gehst nirgendwo hin, Wölfin. Ich weiß nicht, wie du entkommen bist, aber lass dir das eine Lehre sein. Wir sind schneller, stärker und besser im kundschaften als ihr. Wenn du also noch einmal versuchst zu fliehen, werden wir beim nächsten Mal nicht so freundlich sein.“
Dann übte er mehr Druck auf meinen Rücken aus und ich schrie wieder vor Schmerz auf. Das tat so weh. Ich spürte, wie sich meine Wunden wieder öffneten; mein Blut sickerte durch die Verbände.
Sobald er aufhörte, Druck auf meinen Rücken auszuüben, holte ich zittrig Luft.
„Gott, das ist erbärmlich für einen Wolf! Sind alle ihre Rudelmitglieder so Schwächlinge!? Sie tut so, als hätte ich ihr die Rippen gebrochen oder so ähnlich!“, sagte einer von ihnen, und die anderen antworteten mit spöttischen Bemerkungen.
„Bring sie einfach zurück zu den anderen Frauen und Kindern.“
Bevor ich mich aufrichten oder den Schmerz abklingen lassen konnte, wurde ich unsanft auf die Beine gezogen und ins Rudelhaus gebracht, wo ich die wenigen Frauen und Kinder meines Rudels in einem der Schlafzimmer versammelt sah.
Mir fiel auf, dass die Wölfe, die sie bewachten, Kriegerinnen waren. Wie war das überhaupt möglich?
Ich wurde von dem Mann, der mich festhielt, zu einer von ihnen geschoben.
„Du hast einen entkommen lassen! Sie ist bereits gewarnt worden“, sagte er verärgert.
Das Weibchen sah mich an und knurrte den Mann an. Wenn ich nicht so große Schmerzen hätte, hätte ich sie angesehen, als hätte sie den Verstand verloren. Kein Weibchen knurrt jemals ein Männchen an.
Sie sprach mit dem Mann, der offensichtlich genauso verärgert war. „Uns ist niemand entkommen. Sie war in keinem der Häuser, die wir durchsucht haben. Geh wieder nach draußen und kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!“
Der Mann murmelte etwas und ging. Die Kriegerin sah mich an, aber ich wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen.
Zu meiner Überraschung hatte sie einen sanften Ton, als sie sprach. „Komm schon, setz dich zu den anderen und mach es dir bequem. Das wird eine lange Nacht.“
Sie legte ihre Hand auf meinen Rücken, um mich zu rüberzubringen, und ich wich schnell vor ihrer Berührung zurück. Sie warf mir einen verwirrten und nicht sehr erfreuten Blick zu, sagte aber nichts.
Ich setzte mich in die hintere Ecke des Raumes und lauschte, was draußen vor sich ging. Ich konnte hören, wie sich die Männer gegenseitig Befehle zuriefen, aber nach einer Weile wurde es still.
Mein Rücken tat immer noch weh und meine Verbände waren mit meinem eigenen Blut getränkt. Ich konnte auch Blut im Haus riechen, was bedeutete, dass sich die Mitglieder meines Rudels gewehrt hatten, als sie angegriffen wurden.
Ich fragte mich, wer gewonnen hat und wer tot sein könnte - Ethan oder der fremde Mann.
Meine Sicht wurde bald getrübt und ich fühlte mich durch den Blutverlust schwindelig. Ich fand mich auf dem Boden liegend wieder, wie einige meiner schlafenden Rudelmitglieder.
Ehe ich mich versah, versank ich im Dunklen.