Kenzo (German) - Buchumschlag

Kenzo (German)

Ivy White

Kapitel 2: Prentonville

REBECCA

Rebecca starrt auf das Ticket in ihrer Hand und erschrickt, als ein Mann auf sie zustürmt, mit dem sie nicht gerechnet hat. Nicht, dass sie jemals mit so etwas rechnen würde. Dennoch zieht er sie zur Seite und hält ihren Arm fest.

„Darf ich fragen, wie du heißt, junge Dame?“, fragt der Junge mit den blonden Haaren und den blauen Augen Rebecca. Er trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, eine graue Krawatte und schwarze, polierte Schuhe.

Rebecca blickt auf seine Schuhe hinunter, und ihr Spiegelbild starrt sie an. Sie sieht nicht gerade umwerfend aus. Es könnte etwas damit zu tun haben, dass sie in ein Land reist, von dem sie noch nie gehört hat.

Rebecca hebt ihren Blick und schenkt dem Mann ein schüchternes Lächeln.

Sie ist kein geselliger Mensch und war es noch nie, und wenn ein Mann, den sie nicht kennt, sie nach ihrem Namen fragt, weiß sie nicht, wie sie darauf reagieren soll oder ob sie ihn überhaupt nennen soll.

Dennoch beschließt sie, respektvoll zu sein, da sie sich aus beruflichen Gründen im Flughafen befindet.

„Rebecca Ferez, Sir.“

„Ich muss dir ein paar Fragen stellen, bevor du ins Flugzeug steigst.“ Der Mann ist groß und überragt Rebecca. Sie reibt sich die Arme und blickt ihn mit unschuldigen Augen an.

„Klar.“

„Weißt du, welche Familie du heute Abend bedienen wirst?“

Seltsame Frage, denkt sie, während sie ihren Koffer abstellt und die Arme verschränkt.

„Nein. Mein Boss hat mir gesagt, dass sie sehr gut für unsere Dienste bezahlen. Das ist alles, was ich über diesen Auftrag weiß. Oh, und dass er in Prentonville ist, wo auch immer das liegt“, erwidert Rebecca gegenüber dem Mann, der nun mit dem Kopf nickt.

„Alles, was ich dir raten kann, ist, dass du deine Augen geschlossen hältst und keine Gespräche belauschst.“

Rebecca starrt den Mann verwirrt an, während er vor ihr steht und darauf wartet, dass sie ihm eine Antwort gibt.

„Ich glaube, ich habe gar keine Wahl.”

„Du hast immer eine Wahl, junge Dame. Ich kann Mark bitten, dass er dich durch jemand anderen ersetzt, falls dir das lieber ist.“

„Nein. Ich bin mir sicher, ich komme zurecht.“

„Bist du sicher? Das ist deine letzte Gelegenheit, es dir anders zu überlegen und aus der Sache auszusteigen.“

„Ja.“ Können wir das jetzt hinter uns bringen? Rebecca verdreht die Augen, und der Mann nickt, während er einen kleinen Block mit liniertem, goldenem Papier hervorzieht.

„Schreibe bitte deinen Namen dorthin und unterschreibe darunter. Damit bestätigst du, dass du Stillschweigen über alles bewahrst, was du siehst oder hörst.“

Rebecca nimmt dem Mann den Stift aus der Hand, setzt ihren Namen auf das Papier und unterschreibt darunter, so gut es geht.

Ihre Hand zittert, weil sie nervös ist, und ihr Magen revoltiert, obwohl sie den Grund dafür nicht kennt.

„Dann folge mir bitte, junge Dame.“ Der Mann mit dem schwarzen Anzug setzt sich in Bewegung. Die Art und Weise, wie er geht, verrät Rebecca, dass sie gleich in die Welt der Reichen eintauchen wird.

Dass sie mit ihrem Namen auf einem goldenen Stück Papier unterschreiben muss, um zum Flugzeug gebracht zu werden, löst in ihrem Kopf Warnsignale aus, die sie jedoch ignoriert. Es ist nur ein Auftrag, sagt sich.

Rebecca folgt dem Mann, bis er eine rote Tür im vorderen Teil des Flugzeugs öffnet. Als Rebecca hineintritt, starrt sie ehrfürchtig ins Innere, das ihr den Reichtum ihres Besitzers quasi entgegen schreit.

Jetzt ist sie doch sehr neugierig darauf zu erfahren, wen sie bedienen wird.

Sie ist keine Frau, die Kontakt zu so reichen Leuten pflegt, dass diese sich eine solche Kabine leisten könnten, wie diejenige, die sie bekommen hat. Sie weiß, dass die Kabine nicht aus Marks Taschen finanziert wird.

Wer ist also diese geheimnisvolle Familie?

Im hinteren Teil des Raums befindet sich ein Duschraum mit einer gläsernen Tür. Trennwände aus rotem Samt und Wände aus weißem Marmor vervollständigen das Interieur.

Zwei rote Ledersessel stehen in der Mitte des Raumes, und im hinteren Teil befindet sich ein extragroßes Bett, das mit roten Seidenbezügen bezogen ist.

Alleine diese Kabine muss ein Vermögen gekostet haben und wirkt einfach atemberaubend mit einer dunklen, gläsernen Bar auf der linken Seite, in der teure Glasflaschen mit Alkohol stehen, die man sonst nur in Fernsehsendungen als Requisiten sieht.

Die könnten nur zu Schauzwecken sein, denkt sich Rebecca und grinst. Die Liebe zum Detail ist verblüffend!

„Du hast VIP Status auf dieser Reise und somit Zugang zu einer voll ausgestatteten Bar. Also brauchst du dir keinen Kopf machen, denn es ist bereits für alles gezahlt.

„Ich wünsche dir einen guten Flug“, sagt der Mann zu Rebecca, die sich begeistert zu ihm umdreht.

„Vielen Dank für alles“, ruft Rebecca dem Mann zu, der mit dem Kopf nickt und die Tür hinter ihr schließt.

Und was soll ich jetzt mit mir anfangen?, fragt sie sich selbst.

Sie macht es sich auf dem seidenbezogenen Bett bequem und lässt ihre Beine über den Stoff gleiten, während sie den Duft der Rosen einatmet, der ihr in die Nase steigt.

Sie hat allerdings nicht viel von dieser prachtvollen Umgebung, denn, statt den Moment zu genießen, schläft sie auf dem weichen Bett ein.

Sie versteht zwar nicht, wie ein Mädchen, das nicht weiß, wo es hinreist, überhaupt einschlafen kann, aber sie erwacht plötzlich aus einem verrückten Traum, in dem sie am Strand vor einem Auftragskiller zu fliehen versucht, und findet sich erneut in ihrer aufregenden Umgebung wieder.

„Wir sind gelandet, junge Dame.“

Rebecca spürt, wie der Mann ihr auf die Schulter tippt, woraufhin sie sich plötzlich von ihm fortbewegt und mit ihrem kleinen Körper am Kopfende des Bettes aufsetzt, sodass ihr Rücken an das schwarze, samtene Kopfteil gelehnt ist.

„Danke, Sir“, ruft Rebecca erschrocken und reibt sich die Augen. Der Mann grinst und schaut auf sie herab, als sie aufsteht und sich reckt.

Um ehrlich zu sein, hatte sie nicht damit gerechnet, einzuschlafen oder dass ein Mann dabei auf sie aufpasst. Er hat sie sogar geweckt.

Ihre Eltern haben sie noch nie in ihrem Schlafzimmer geweckt, warum also macht der junge Mann das für sie in einer VIP-Suite in einem Flugzeug?

Anderseits haben sie vermutliche einen Zeitplan, den sie einhalten müssen, sagt sich Rebecca.

Sie steht auf und verlässt das Flugzeug, wobei sie Mühe hat, ihr Gleichgewicht zu halten. Sie reibt sich im Halbschlaf die Augen und blickt über die Schulter zu dem Mann zurück, der dicht an ihr dran bleibt.

Der Mann schiebt sich rechts an ihr vorbei und schlendert vor ihr her. Kameras tauchen plötzlich vor Rebeccas Gesicht auf, und sie streckt schützend ihre Hände aus.

Der Mann schiebt das Kamerateam beiseite, um ihr den Weg freizumachen. Was zum Teufel ist hier los? Rebecca geht mit schnellen Schritten weiter, als der Mann ihre Hand ergreift und sie hinter sich herzieht.

Warum sollte ein Kamerateam ihre Aufmerksamkeit wollen? Sie wird doch nur einer wohlhabenden Familie Essen servieren. Vielleicht könnte das der Grund dafür sein.

Der Mann zieht Rebecca dicht an seine Seite, während sie schnell durch die Flure gehen und die Sicherheitskontrolle überspringen. Doppeltüren gleiten auf und der Mann lässt ihre Hand los.

Rebecca nimmt sich einen Moment Zeit, um die warme Luft einzuatmen und schließt die Augen.

Als sie sich daran erinnert, dass sie in einem anderen Land ist, öffnet Rebecca die Augen und sieht einen wunderschönen, blauen Himmel und eine Klippe, von der sie hinunterblickt.

In der Ferne kann sie überwältigend blaues Wasser sehen und eine weiße Meeresküste, die in atemberaubender Höhe darunter liegt.

Sie weiß, dass es keine gute Idee wäre, von der Klippe ins Wasser zu springen, weil beim Aufprall alle Knochen zerschmettert würden. Das wäre eine Erfahrung, die man nicht überleben würde.

Der Mann ergreift ihren Arm und führt sie über einen Rasen. Rebecca achtet nicht besonders darauf, wie unsanft er sie anfasst.

Stattdessen ist sie von der Schönheit der Aussicht in Bann genommen. Sie hat sogar ihren weißen Koffer vergessen und den Mann immer noch nicht nach seinem Namen gefragt.

Als sie über den Rasen gehen, kommt eine Villa in Sicht.

Das Gebäude muss eine Ansammlung von ineinander übergehenden Häusern sein, denkt sie bei sich, während sich ihr der Magen umdreht.

Diese Familie hat definitiv Geld, aber die nächste Frage, die ihr in den Sinn kommt, ist, woher sie es haben. Aus einem Unternehmen möglicherweise.

Die Villa ist aus weißem Marmor gebaut! Die Wege, das Gebäude und sogar die Pflanzkübel.

Der Marmorweg führt direkt in der Mitte des Rasens zu einer riesigen, weißen Villa aus Marmor. Auf halber Höhe des Weges befindet sich ein Pool.

Rasen umgibt die Außenseite der Villa und Bäume erstrecken sich in einer perfekten geraden Linie links und rechts des Gebäudes.

Drei Marmorstufen führen zu einem weiteren Satz von fünf Marmorstufen. Es gibt zwei Schwingtüren, die aus Metall gefertigt und schwarz lackiert sind.

Die Fenster sind schwarz und reichen vom Boden bis zur Decke, während im zweiten Stock des Gebäudes zwei Balkone hervorragen.

Rebecca weiß schon beim Anblick des Gebäudes, dass die Familie nicht selber putzt. Es wirkt makellos und riesig. Die Familie würde eine Reinigungskraft benötigen, um ein so großes Areal in Schuss halten zu können.

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