
Ich schaute zum Himmel, als ich durch die Hintertüren der Schule trat. Es sah nach Regen aus. Kurz warf ich einen Blick auf mein Handy, um die Uhrzeit zu checken.
Gemächlich ging ich die Stufen zum Sportplatz runter. Am Fuß der Treppe hatte ich plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden.
Ich hielt inne und sah mich um, konnte aber niemanden entdecken. Also ging ich weiter.
Auf dem Feld sah ich Aisha, die sich mit einer Frau in den Dreißigern unterhielt. Die Frau hatte braune Haare, die zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden waren.
"Roselynn!", rief Aisha, als sie mich sah. Sie winkte wild mit den Armen über ihrem Kopf. Ich musste lachen und winkte zurück.
Als ich bei ihr ankam, drehte sie sich zu der Frau. "Coach, das ist Roselynn. Roselynn, das ist Coach Byrd. Ich lass euch mal alleine. Tschüss!"
Aisha flitzte davon, wahrscheinlich in Richtung Umkleide.
"Was willst du?", fragte Coach Byrd mit verschränkten Armen.
"Ich möchte fürs Team vorspielen", sagte ich selbstbewusst.
"Welche Position?", fragte Coach Byrd und schaute auf ihr Klemmbrett.
"Pitcher und dritte Base", antwortete ich stolz.
"Komm morgen zum Probetraining. Wenn ich denke, dass du gut genug bist, reden wir darüber, was es heißt, in diesem Team zu sein und was du dafür tun musst."
Sie klemmte sich das Brett unter den Arm und ging weg.
Ich ging zu meinem Auto, nachdem ich Aisha zum Abschied zugewinkt hatte. Im Wagen rief ich Ramona an.
"ROSELYNN!", brüllte Ramona, als sie ranging. Ich hielt das Handy weit weg und führte es dann langsam wieder ans Ohr.
"Also", grinste ich. "Ich hab morgen Probetraining."
"Voll cool! Übrigens hab ich dieses Wochenende nix vor", tat sie so, als würde sie heulen.
Ich lachte. "Wenn ich Zeit hab, hol ich dich ab - falls deine Mutter okay damit ist."
"Super! Dann bis zum Wochenende. Muss los!"
"Tschüss, Ramona." Ich steckte mein Handy weg und stieg immer noch grinsend ins Auto.
Am nächsten Tag war ich total nervös. Dauernd kaute ich an meinem Daumennagel und starrte auf meine Füße.
"Alles klar bei dir?", fragte Aisha, die neben mir stand.
"Nervös", murmelte ich.
Aisha legte ihren Arm um mich und lehnte sich an. "Keine Panik, Süße. Du packst das schon."
Ich lächelte und sie richtete sich auf. "Los geht's", sagte sie und verließ die Umkleide.
Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. Ich konnte das schaffen.
Noch einmal tief durchatmen, dann verließ ich die Umkleide.
"Hab ich dir doch gesagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen!", jubelte Aisha.
Ich lachte und nickte.
"Roselynn, Aisha, seid fit für das Spiel am Freitag", rief Coach Byrd im Vorbeigehen.
"Ja, Ma'am", sagten wir wie aus einem Mund.
Aisha und ich schlenderten zu meinem Auto. "Wissen deine Eltern, dass du fürs Team vorspielst?", fragte Aisha.
"Es sind nur mein Vater und ich. Ich sag's ihm heute."
"Okay", meinte sie fröhlich, aber ich spürte, dass sie mehr über meine Mutter wissen wollte.
Doch darüber würde ich nicht reden. Ich sprach generell nicht viel darüber und erzählte Leuten, die ich gerade erst kennengelernt hatte, nicht, was vor Jahren passiert war.
"Brauchst du 'ne Mitfahrgelegenheit?", fragte ich, um an was anderes zu denken.
"Nee, ich werd abgeholt." Sie lehnte sich gegen mein Auto und verschränkte die Arme.
"Soll ich mit dir warten?", bot ich an und stellte mich neben sie.
"Schon okay, er ist gerade gekommen. Bis morgen, Rose!", rief Aisha, als sie in ein Auto stieg.
Ich winkte ihr durchs Fenster zu, stieg dann in mein Auto und fuhr nach Hause.
Je näher ich meinem Zuhause kam, desto aufgeregter wurde ich. Ich konnte es kaum erwarten, es meinem Vater zu erzählen. Hoffentlich würde er stolz auf mich sein.
Ich parkte in der Garage und rannte ins Haus.
"Dad!", rief ich. Ich wartete kurz auf Antwort, dann lief ich nach oben.
"Dad!", rief ich nochmal. Keine Antwort. Ich schaute in seinem Büro und Schlafzimmer nach, fand ihn aber nicht.
Ich seufzte. Er musste wohl heute länger arbeiten.
Ich ging in mein Zimmer, duschte ausgiebig und setzte mich dann an meinen Schreibtisch, um Hausaufgaben zu machen. Ich musste was tun, um wach zu bleiben.
Stunden später, gegen ein Uhr nachts, hörte ich, wie sich die Haustür öffnete und jemand die Treppe hochstolperte. Ich rannte aus meinem Zimmer.
Ich sah meinen Vater, wie er mehr taumelnd als gehend zu seinem Schlafzimmer wankte. Seine roten Haare waren total zerzaust, und ich konnte den Alkohol bis zu mir riechen.
"Dad?", sagte ich leise.
Er drehte sich um und sah mich an. Sein Gesicht war knallrot, und seine Augen glänzten glasig. Ich wusste sofort, dass er besoffen war.
Das bedeutete, dass meine Mutter ihn wieder fertig gemacht hatte.
"Dad, rate mal-"
"Warum bist du... noch wach?", fragte er wütend.
"Ich wollte dir nur sagen-"
"Will ich nicht... nicht... nicht hören. Is' nich' wichtig", lallte er, bevor er in sein Zimmer torkelte.
Ich starrte auf seine geschlossene Tür und spürte Tränen in meinen Augen. Dann ging ich in mein Zimmer und warf mich aufs Bett.
Das war nichts Neues, warum tat es trotzdem noch so weh?
Ich wälzte mich hin und her, bevor ich beschloss, dass ich eh nicht schlafen konnte. Ich seufzte und griff nach meinem Handy. Ich musste mit jemandem reden.
Ramona ging nach mehrmaligem Klingeln ran. "Was ist los? Säuft dein Vater wieder?", flüsterte sie.
Ich lächelte traurig. Ramona wusste immer Bescheid. Ich rief sie jedes Mal an, wenn mein Vater trank.
"Ja", sagte ich leise.
"Erzähl mir, was passiert ist", sagte sie, klang dabei hellwach.
Ich erzählte ihr, wie ich versuchte, ihm von meiner Aufnahme ins Softballteam zu berichten. Wie er sauer wurde und abhaute.
"Du könntest es ihm morgen erzählen?", schlug sie vor.
"Ich versuch's. Er ist eh nie lang genug daheim, um zu merken, dass ich weg bin."
"Naja, probier's trotzdem. Ich glaub nicht, dass er happy ist, wenn du ein Spiel hast und spät heimkommst", meinte sie.
"Ja, wahrscheinlich nicht..." Ich musste gähnen und sah auf die Uhr.
"Sorry, dass ich dich geweckt hab. Ich lass dich wieder pennen", sagte ich.
"Kein Ding. Wozu sind beste Freundinnen da, wenn nicht zum Quatschen um zwei Uhr nachts?"
Ich lächelte, und wir sagten uns Gute Nacht, bevor ich auflegte und mein Handy wieder zum Laden ansteckte.
Ich seufzte und starrte an die Decke, wissend, dass ich diese Nacht kaum schlafen würde.