Vor dem Alpha versteckt - Buchumschlag

Vor dem Alpha versteckt

Katlego Moncho

Eingesperrt

MATEO

Gefahr ist mir nicht fremd. Ich lebe mit ihr seit dem Tag, an dem ich meine Eltern verlor und für mich selbst sorgen musste.

Als ein Verstoßener meinen Eltern bis nach Hause folgte und sie ermordete. Seitdem lauert die Gefahr vor den Grenzen unseres Landes und wartet auf den geeigneten Moment, um zuzuschlagen. Sie lauert in meinem Rudel, unter den Ältesten, die versuchen, meine Macht zu untergraben.

Und jetzt hatten wir sie direkt im Haus.

Sie schrie und heulte, hinter den verschlossenen Türen meines Quartiers.

Und Zeus knurrte mich permanent an, empört darüber, wie ich die Verstoßene behandelte. Sogar hier, auf der anderen Seite des Hauses, konnte ich sie in meinem Zimmer weinen hören.

Ich versuchte, es zu ignorieren, es nicht so nah an mich rankommen zu lassen. Doch dann stieß sie einen besonders hohen Schluchzer aus und trommelte laut mit den Fäusten gegen die Tür.

Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, war ich aufgesprungen und brüllte Zeus an, sich mit seiner Verwandlung zu beeilen.

Meine Knochen brachen, lösten sich voneinander und setzten sich zu ihrer neuen Form zusammen. Meine Klamotten rissen und fielen zu Boden, als das Fell aus meiner Haut wuchs. Die Verwandlung konnte sehr schmerzhaft sein, vor allem, wenn man sie erzwang.

Aber im Laufe der Zeit hatte ich gelernt, damit umzugehen. Jetzt fühlte es sich höchstens mal unangenehm an, wenn ich es nicht sogar ganz ausblendete.

In Wolfsgestalt war es noch schwerer, Zeus im Zaum zu halten, doch ich schaffte es trotzdem. Er drängte danach, die Kontrolle zu übernehmen, aber das konnte ich ihm nicht erlauben.

Auf meinen vier Pfoten stürmte ich durchs Haus, die Treppe hoch. Max stand vor der Tür meines Quartiers, trat jedoch sofort zur Seite, als er mich kommen sah.

Bevor ich die Kontrolle verlor und die Situation völlig aus dem Ruder lief, stieß ich die Tür auf. Ich musste das hier regeln, bevor es zu spät war.

JUNIPER

Sein Wolf erinnerte mich an einen Nachthimmel, ohne den Mond und ohne das Funkeln der Sterne. Er hattes dunkles Fell, und seine Augen waren jetzt pechschwarz.

Scharfe Fangzähne blitzten jedes Mal auf, wenn er das Maul öffnete, und die Ohren hatte er drohend angelegt, während er mich finster anstarrte.

Sein Wolf war gewaltig.

Angst überkam mich, und ich spürte, wie ich langsam die Fassung verlor. Meine Hände zitterten, während ich versuchte, mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.

Irgendetwas übernahm die Kontrolle über meinen Verstand – und das war nicht Star. Es raubte mir den letzten Rest an Konzentration. Meine Macht erlosch.

Ich war hilflos.

Verwandle dich!, sagte eine Stimme, die ich nicht kannte; tief und maskulin. Star war begeistert von ihr und hechelte geradezu danach. Trotzdem blieb sie bei mir.

Mateos Wolf knurrte und kam näher. Die Verbindung wurde stärker, raubte mir fast das Bewusstsein.

Wieso verwandelst du dich nicht? Es klang verzweifelt, aber was sollte ich sagen?

Dass wir es nicht konnten? Dass wir zu schwach waren, um uns zu verwandeln? Dass wir einfach keine Wolfsgestalt hatten?

Obwohl mein Leben auf dem Spiel stand, fand ich die Vorstellung, dass Mateo von unserem Problem erfuhr, noch viel schlimmer. Das wäre einfach nur demütigend. Deshalb sagte ich nichts.

Selbst die Horrorvisionen von Folter und Qualen, die sich plötzlich in meinem Kopf abspielten, ließen mich nicht einknicken. Ich weiß nicht, ob ich diese Bilder selbst erzeugte oder Star – oder vielleicht auch diese geheimnisvolle Stimme. Auf jeden Fall waren die Szenen furchterregend, und schließlich verlor ich doch die Fassung.

Tränen waren mir eigentlich fremd. So viel hatte ich seit Großvaters Tod nicht mehr geweint. Aber ich hatte auch noch keine Möglichkeit gehabt, den gestrigen Tag und seine Ereignisse zu verarbeiten.

Würde er mich töten? Oder würde er meine Qualen noch verlängern? Mich vielleicht vor sein Rudel zerren und noch mehr erniedrigen, während ich versuchte, meine Taten zu verteidigen.

Geräuschlos liefen mir die Tränen übers Gesicht, und ich musste an meine Großmutter denken. Das letzte Mal hatte ich in ihren Armen geweint, und sie hatte mich mit ihrer Wärme und Liebe getröstet.

Doch sie war nicht mehr da.

Sie würde mich nie wieder in den Arm nehmen.

Dieser Gedanke sorgte dafür, dass noch mehr Tränen kamen, bis ich schließlich verzweifelt zu schluchzen anfing.

Ich war ganz allein auf der Welt, und keinen hier interessierte es. Wahrscheinlich interessierte sich überhaupt niemand für mich, nirgendwo. Ich hatte kein Zuhause mehr, keine Familie, und war, ohne dass ich es wollte, zu dem geworden, was wir am meisten verachteten: eine einsame Wölfin, eine Verstoßene.

Weinend rollte ich mich zu einem Ball zusammen, während die Schluchzer meinen Körper erschütterten. Als ich das Kratzen von Mateos Krallen auf den Dielen hörte, drehte sich mir vor Angst der Magen um.

Furchtsam kroch ich nach hinten, doch er folgte mir. Dann spürte ich die Wand in meinem Rücken und kauerte mich noch tiefer auf dem Boden zusammen.

In dieser Position wartete ich auf den Schlag, der alles für immer beenden würde.

MATEO

Ich hasste mich in diesem Moment, verachtete mich, weil ich sie in diesen jämmerlichen Zustand gebracht hatte.

Als sie sich nicht verwandelte, dachte ich zuerst, sie sei feige.

Doch als sie anfing zu weinen, zögerte ich einen Moment, und diese Chance nutzte Zeus direkt aus. Er forderte mich auf, sie anzusehen.

Genau hinzusehen.

Die Verstoßene hatte sich zu einem Ball zusammengerollt und weinte. Außerdem zitterte sie vor Angst.

Und diese Angst hatte ich verursacht.

Das reichte. Ich zog mich zurück, und als sie sich mehrere Sekunden lang nicht rührte, verwandelte ich mich in meine menschliche Gestalt zurück.

„Was ist los mit dir? Wieso verwandelst du dich nicht?“

Sie zuckte erschrocken zusammen, als ich sie ansprach, traute sich dann aber doch, mich anzusehen.

Ihre Lippen zitterten genauso stark wie der Rest ihres Körpers, und dafür hasste ich mich noch mehr.

Sie ist keine Bedrohung für uns, sagte Zeus drängend.

Bevor ich wusste, was ich tat, kniete ich schon vor der Fremden auf dem Boden und nahm ihre Hand. Zeus schnurrte mir zufrieden ins Ohr.

Wieder spürte ich dieses elektrisierende Kribbeln an der Stelle, wo ich sie berührte, und es breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich fühlte Max’ bohrende Blicke in meinem Rücken und stieß einen schweren Seufzer aus.

„Lass uns allein.“ Ich sah ihn an, und er beeilte sich, meinen Befehl auszuführen. Zum Glück ersparte er mir einen fragenden Blick.

Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Verstoßene. Ihr Gesicht war ganz gerötet, und sie beobachtete mich verstohlen. Als sie allerdings bemerkte, dass ich sie ansah, blickte sie schnell zur Seite.

Ihr Interesse an mir blieb nicht ohne Wirkung: Hitze strömte bis in die entferntesten Winkel meines Körpers.

Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wann ich das letzte Mal mit einer Frau im Bett gewesen war. Es lag nicht an mangelndem Interesse – zumindest nicht bei den Frauen.

Aber ich war einfach zu beschäftigt mit meinen Verpflichtungen als Alpha, um mir eine feste Gefährtin zu suchen. Die Vorstellung gefiel mir ohnehin nicht.

Mal ganz abgesehen von all den anderen Dingen, die mich davon abhielten.

„Wieso hast du mich hierher gebracht? Was hast du mit mir vor?“ Ihre Stimme war leise, melodisch. Ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendetwas an ihr noch attraktiver finden könnte, aber damit lag ich offensichtlich falsch.

„Ich will dich im Auge behalten.“

„Wieso?“

„Weil ich dich schlecht frei herumlaufen lassen kann. Schließlich muss ich ein Rudel beschützen.“

„Bitte, lass mich gehen. Ich verschwinde auch von hier und komme nie wieder.“

„Nein!“ Das kam härter heraus, als ich wollte, aber ich konnte sie nicht gehen lassen. Darauf hatten Zeus und ich uns geeinigt.

Mittlerweile hatte die Fremde aufgehört zu zittern, und der resignierte Ausdruck in ihren Augen war einer resoluten Entschlossenheit gewichen. Ich hätte so gerne gewusst, was sie in diesem Moment dachte.

Um ehrlich zu sein, hoffte ich, dass sie sich darauf vorbereitete zu kämpfen. Die Vorstellung brachte mich zum Lächeln.

Moment mal, was?

Ich schüttelte den Kopf, um das Lächeln aus meinem Gesicht zu wischen, und hoffte, sie hatte es nicht gesehen.

In dem Versuch, mich von meinen Gedanken abzulenken, zog ich sie sanft auf die Füße. Ihre Knie zitterten ganz leicht, als ich sie zum Bett führte.

„Warte hier.“

Ich zog mir einen Bademantel über, und als ich fertig war, stellte ich fest, dass die Verstoßene mich erneut beobachtete. Auch diesmal errötete sie, aber sie sah nicht weg.

Ich fragte mich, wie sie wohl ohne Klamotten aussah.

Genervt von mir selbst stieß ich ein stummes Knurren aus, bevor ich mich ihr gegenüber auf einen Stuhl setzte.

„Wenn du mir ehrlich sagst, wo du herkommst, wie du heißt und was du hier machst, könnten wir die Situation vielleicht friedlich regeln.“

Die Idee war nicht ganz uneigennützig. Ich wollte ihren Namen wissen. Ich wollte alles von ihr wissen, und das nicht nur aus Gründen der Sicherheit.

Erbärmlicherweise musste ich mir eingestehen, dass ich sie besser kennenlernen wollte.

Und das verstand ich nicht.

„Wieso wurdest du von den Litmus-Wölfen gejagt?“

Allein die Vorstellung, dass ihr jemand etwas antun könnte, machte mich wahnsinnig. Es war fast nicht auszuhalten.

Doch sie spitzte nur die Lippen und antwortete nicht. Plötzlich kam mir ein Gedanke.

„Gehörst du zu Daytons Rudel?“

Ein bitterer Ausdruck zog über ihr Gesicht, dann verhärteten sich ihre Züge, bevor sie mich wieder unbewegt ansah.

Ich nahm das als Bestätigung, und instinktiv stellten sich mir die Nackenhaare auf. Die Möglichkeit, dass wir in irgendein Problem mit dem Litmus-Clan verwickelt wurden, verursachte mir Kopfschmerzen.

Was, wenn Dayton sie gezielt hierhergeschickt hatte? Das wäre ihm durchaus zuzutrauen. So heimtückisch und skrupellos, wie er war.

Ich wusste, er war neidisch und verbittert darüber, dass ich schon in so jungen Jahren Alpha geworden war. Und jeder Erfolg, den ich erreichte, hatte diese missgünstigen Gefühle sicher noch verstärkt.

Ich hatte sogar den Verdacht, dass einige der Angriffe, die ich am Anfang meiner Anführerschaft hatte abwehren müssen, von ihm eingefädelt worden waren.

„Du willst mir nicht mal deinen Namen sagen?“

Stur behielt sie die Lippen fest aufeinandergepresst und drehte den Kopf weg, um sich stattdessen ihre Umgebung anzusehen. Das Zimmer war einfach und urig eingerichtet – genauso, wie ich es mochte.

Es war aufgeräumt und dunkel, mein Rückzugsort, an den ich mich flüchtete, wenn meine Aufgabe als Alpha besonders stressig wurde.

Seufzend starrte ich auf ihre unbewegten Lippen.

Ich würde schon noch herausfinden, wer sie war.

JUNIPER

Am liebsten hätte ich ihm alles erzählt. Irgendetwas hatte er an sich, das in mir das Bedürfnis weckte, mich ihm zu öffnen.

Emotional.

Körperlich?

Ich spürte, wie ich rot anlief, während er mich mit diesen dunklen Augen intensiv musterte.

Aber es lag auch etwas Gefährliches in seinem Blick.

Würde er mich töten, wenn er die Wahrheit wüsste? Dass ich die Tochter eines gegnerischen Alphas war?

„Letzte Chance, Verstoßene.“ Seine Stimme klang wie ein Donnergrollen. „Woher kommst du?“

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