Ihr leidenschaftlicher Beschützer - Buchumschlag

Ihr leidenschaftlicher Beschützer

E.R. Knight

Crawford

KARA

An diesem Abend waren die einzigen Geräusche in der Wohnung das Klimpern des Geschirrs und Kaugeräusche.

Den Blick auf ihr Essen geheftet, schob Kara ihr grünes Curry auf dem Teller hin und her.

Adam hatte sie den ganzen Abend nicht einmal angesehen. Er hatte die ganze Zeit nur finster auf sein Handy geguckt.

Megan war nach zwei durchgearbeiteten Tagen im Ingenieurlabor total erschöpft. Sie nickte beim Essen tatsächlich ein paar Mal ein. Kara fragte sich, ob sie nicht bemerkte, dass ihr eine trockene Nudel an der Wange klebte oder es ihr einfach scheißegal war.

Sollte sie was sagen? Versuchen, die Stimmung mit einem Witz aufzuheitern?

Nein, es war sicherer, so zu tun, als ob sie aß.

Ping! machte Adams Handy, das auf dem Tisch lag. Das war mindestens das zwölfte ~Ping!~, seit sie sich an den Tisch gesetzt hatten.

Kara stach ungewollt zu heftig in ein Stück Kartoffel, so dass es über den Tellerrand auf den Tisch schlidderte.

Rot vor Scham legte sie das Stück mit den Fingern schnell wieder auf ihren Teller und wischte die Spritzer weg, die der plötzliche Kartoffelflug hinterlassen hatte.

Adam sah nicht mal von seinem Handy hoch.

Genug ist genug.

Kara stand vom Tisch auf, schob den Stuhl zurück, so dass er auf den Fliesen quietschte.

Sie warf die Essensreste in den Müll und ging zur Spüle, um den Teller abzuspülen.

Vor weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie sich an diesem Spülbecken praktisch an Adams Schwanz gerieben.

Und jetzt sah er sie nicht mal an.

Was soll‘s.

Kara stellte den sauberen Teller auf das Abtropfgitter, ging in Megans und ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Sie war sauer auf sich selbst, weil sie zugelassen hatte, dass Adam ihr nah genug gekommen war, um sie zu verletzen.

Ihre Mutter warnte sie seit Jahren vor „bösen Jungs“.

Diesen Jungs mit ihrem teuflischen Lächeln und den leidenschaftlichen Blicken, die ihr am Ende doch wieder nur das Herz brechen würden.

Sie würden nie da und ihr Held sein, wenn sie sie bräuchte.

Wenigstens hatte sie jetzt den Beweis.

Kara erlaubte sich selbst, noch einen Moment in Selbstmitleid zu baden, doch dann schüttelte sie den Kopf und zog die Schultern zurück.

Sie war besser als das. Sie würde nicht zulassen, dass irgendein Kerl, den sie kaum kannte, ihr zu nahekam.

Auch wenn er unglaublich entzückend ist.

Sie brauchte Ablenkung. Etwas Besseres als Hausaufgaben.

Sie musste Sherlock bingewatchen, um nicht mehr an all das denken zu müssen.

Kara liebte die Geschichten von Detective Holmes und seinem treuen Assistenten, Watson, seit ihrer Kindheit.

Sie wollte sein wie Sherlock – logisch und ruhig in jeder Situation.

Außerdem war Benedict Cumberbatch auch noch verdammt heiß.

Sie hatte gerade ihren Laptop aufgeklappt und versuchte sich zu erinnern, wo sie das letzte Mal gestoppt hatte, als Megan ins Zimmer kam und die Tür hinter sich schloss.

Sie sah hundemüde aus. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihr sonst so leuchtendes Haar war zu einem ungewaschenen Dutt zusammengebunden.

„Zweiunddreißig Stunden“, sagte Megan, legte stützend die Hände an den Rücken und streckte sich.

Selbst vom Bett aus konnte Kara Megans steife Knochen knacken hören. „Zweiunddreißig Stunden bin ich jetzt wach und arbeite an dem Projekt für Professor Velasquez. Morgen früh um sechs muss ich wieder in der Fakultät sein.“

Während sie sprach, durchquerte sie das Zimmer und entledigte sich dabei ihrer Klamotten. Sie war keine, die sich für ihren Körper schämte, und wieder einmal wünschte sich Kara die weiblichen Formen ihrer Freundin.

Oder ihr Selbstbewusstsein.

„Sicher, dass du nicht zu hart mit dir bist, Megs?“, fragte Kara zum tausendsten Mal.

„Nein. Das nehme ich alles gern in Kauf, wenn ich dafür eines Tages die erste bemannte Rakete zum Mars designen werde“, lautete Megans typische Antwort auf diese vertraute Frage.

Kara checkte die Uhrzeit auf ihrem Handy. „Es ist erst 19:30. Ich geh raus und lass dich schlafen.“

Megan zog ihr überdimensionales Viking-T-Shirt an, das sie am liebsten zum Schlafen nahm. „Du liest meine Gedanken, Süße. Sorry, dass ich dich aus dem Zimmer schmeiße, aber ich kann die Augen kaum offen halten. Musst du heute Abend noch viel tun?“

Kara lächelte und drehte den Laptop, damit Megan den Bildschirm sehen konnte. „Nö. Hab nur ein Date mit Mr Holmes.“

Megan verdrehte die Augen, kletterte ins Bett und kuschelte sich unter ihren pinken Quilt.

Mit dem Laptop unter dem Arm durchquerte Kara den Raum, löschte das Licht im Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Erst als sie das Klicken der Tür hörte, wurde ihr klar, vor was für einem Problem sie jetzt stand.

Ihre kleine Wohnung hatte drei Räume und das Badezimmer.

Sie könnte in der Küche fernsehen, aber dann konnte sie sich nicht ausstrecken und die Füße hochlegen, was sie jetzt unbedingt tun wollte.

Also blieb nur noch das Wohnzimmer übrig.

Alias Adams temporäres Zimmer.

Scheiße.

Nach dem sau-unangenehmen Abendessen wollte sie nicht auch noch einen sau-unangenehmen Abend verbringen. Seufzend legte sie den Laptop auf dem Küchentisch ab.

Warte mal.

Dies war ihre Wohnung. Adam war der Gast. Ein nicht zahlender Gast, der unglaublich unhöflich zu ihr gewesen war.

Ein unglaublich gutaussehender Gast mit dickem, dunklem Haar, der sie innerlich zum Schmelzen brachte.

Das tut jetzt nichts zur Sache!

Wieder klemmte sie sich den Laptop unter den Arm und marschierte siegreich ins Wohnzimmer. Auf dem Weg legte sie sich ihre Rede über geteilte Räume und gegenseitigen Respekt zurecht.

„Adam, wir müssen reden über –“

Das Wohnzimmer war leer.

ADAM

Adam schlich die Stufen im Treppenhaus der Wohnung seiner Cousine hinunter.

Er hatte nicht auf den Fahrstuhl gewartet, aus Angst, Megan könnte ihren Kopf durch die Tür stecken und fragen, wo zum Teufel er hinwollte.

Ehrlich gesagt glaubte er nicht, dass seine Cousine seine Abwesenheit überhaupt bemerken würde.

Wahrscheinlich würde sie die nächsten zwei Tage durchschlafen, wenn sie nicht so ehrgeizig wäre.

Was Adam ganz gut passte, weil er unbedingt raus aus der engen Wohnung musste, bevor er mit seiner Faust ein Loch in die Wand schlug.

Adam kam am Fuß der Treppe an.

Ihm schlug die scharfe Kälte des Novembers mit voller Wucht ins Gesicht, als er die Tür öffnete, so dass er nach Luft schnappen musste.

Die Luft in Minnesota war sauber und klar und eine Decke aus Sternen hing oben im Nachthimmel.

Er atmete tief in seine Lungen ein und versuchte, sein panisch hämmerndes Herz zu beruhigen.

Crawford hat mich gefunden.

Adam hatte sein Handy mit Absicht in der Wohnung liegen lassen.

Das, was er im Moment benutzte, war ein altes Prepaid-iPhone, das er mit Bargeld bezahlt hatte.

Wie hatte Crawford ihn finden können? Wie war er an diese Nummer gekommen?

Er hatte beim Abendessen gesessen und das delikate „V“ bewundert, das Karas Dekolleté in ihrer luftigen Bluse geformt hatte.

Ihre Cousine hatte mehr oder weniger mit dem Kopf im Thai-Gericht geschlafen.

Er und Kara hätten die Wohnung fast für sich allein gehabt.

Er war vertieft in zunehmend lustvolle Tagträume über den potenziellen Ausgang des Abends gewesen, als sein Handy in seiner Hosentasche gepingt hatte.

Er hatte das ramponierte Handy in seiner Hand entsperrt, bevor ihm mit Schrecken klar wurde, dass niemand diese Nummer hatte.

Als er auf das Nachrichten-Icon getippt hatte, hatte er gebetet, dass es nur Spam war.

Leider nein.

PrivatDu hast 3 Tage, du Stück Scheiße. Dann wollen wir Crawfords $$ sehen
PrivatWir haben dich gefunden und auch deinen Freund Red.
PrivatBesorg das $$ oder du weißt, was wir mit ihm machen.
Privat3 Tage.

Mit jedem fröhlichen Ping! , das sein Handy gemacht hatte, war ihm das Herz tiefer in die Hose gerutscht.

Er hatte es nicht einmal vier Tage geschafft, bevor Crawford – beziehungsweise seine Schlägertypen – ihn aufgespürt hatte. Jetzt wussten sie, wo er wohnte.

Und wo Megan wohnte.

Und Kara.

Bei dem Gedanken, dass er seine Cousine und ihre Mitbewohnerin in Gefahr brachte, wurde Adam klar, wie unglaublich egoistisch es gewesen war, zu ihnen zu rennen.

Da stand er nun im kalten November, starr vor Unentschlossenheit.

Er könnte nach links in die Bar von gestern gehen. Die Bar, in der Kara den Arsch so wundervoll zur Sau gemacht hatte.

Oder er könnte nach rechts zum Park am anderen Ende der Straße gehen.

Er blieb regungslos im Eingang von Megans Wohnhaus stehen.

Er konnte keine Entscheidung treffen.

In letzter Zeit traf er nur Scheißentscheidungen.

Es war seine Entscheidung gewesen, seinen Mann zu stehen, als Harry Crawford, der Underground-Boxpromoter, ihm gesagt hatte, er solle den finalen Kampf letztes Wochenende kämpfen.

Adam hatte dem schleimigen Bookie geantwortet, er solle sich den Kampf in seinen fetten Arsch schieben.

Er hatte gehen wollen, aber Crawfords Lackaffen hatten ihm in die Kniekehlen getreten, so dass er zu Boden gesackt war.

Bevor er hätte aufstehen können, hatte er Crawfords kalte Schuhsohle auf seiner Wirbelsäule gespürt.

Der schwere Mann hatte Adam auf den schmutzigen Zementboden der Umkleidekabinen gedrückt.

„Du kämpfst, wenn ich es dir sage“, hatte Crawford mit seiner rauchigen Stimme gezischt.

Er hatte seinen Stiefel in Adams Rücken gedrückt. Die Asche seiner Zigarre, die zwischen seinen Zähnen steckte, war auf Adams Haare gefallen.

„Du kämpfst die Kämpfe, die ich dir gebe. Du gewinnst die Kämpfe, die ich dir gebe. Du verlierst die Kämpfe, die ich dir gebe.“

Dann hatte sich Crawford heruntergebeugt, so dass sein saurer Atem Adam in die Nase gestiegen war.

„Du kämpfst, wenn ich dir befehle zu kämpfen, oder ich werde deinen kleinen Freund Red finden. Ich weiß, dass er mir aus dem Weg geht. Bis jetzt war mir das egal. Aber ich werde ihn finden. Und es wird mich grandios amüsieren, ihn besser kennenzulernen.“ Der Flüsterton hatte seine grausamen Absichten deutlich gemacht.

Adam hatte in der Falle gesteckt, sowohl körperlich als auch seelisch. Und Crawford hatte das gewusst.

Mit Dreck vom Boden der Umkleidekabine im Mund hatte Adam zugestimmt, den finalen Kampf zu kämpfen.

Aber trotz all der Risiken hatte er nie zugestimmt zu verlieren.

Tatsächlich war der Kampf in der zweiten Runde zu Ende gewesen, als Adam, blind vor Wut, seinem Gegner einen Aufwärtskinnhaken verpasst und ihm dabei zwei Zähne ausgeschlagen hatte, woraufhin sein Gegner bewusstlos auf die schweißnassen Matten des Untergrundrings gefallen war.

Er hatte Crawford hinter dem verdunkelten Glas seines Promoterbüros vor Wut kochen gespürt.

Die Menge hatte getobt. Die einen hatten ihn angefeuert, die anderen waren enttäuscht gewesen, dass der spannende Kampf so schnell vorbei gewesen war.

Dank des Tumultes hatte Adam unbemerkt durch die Seitentür der schmutzigen Turnhalle verschwinden können.

Er war nach Hause gegangen und hatte Red getextet, dass er sich noch besser verstecken sollte.

Nachdem er sich nur ganz kurz ausgeruht hatte, hatte er ein paar Klamotten und sein Laptop in eine Sporttasche gepackt und seine Wohnung in dem Wissen verlassen, dass er vielleicht nie wieder zurückkommen würde.

An dem Abend hatte Crawford wegen Adam fast 15.000 Dollar verloren.

Jetzt wollte er sein Geld zurück.

Er checkte noch einmal die ominösen Nachrichten.

Besorg das $$ oder du weißt, was wir mit ihm machen.

Adam sank auf den kalten Beton der Treppenstufen. Er vergrub den Kopf in seinen Händen.

Was soll ich nur tun?

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